10.05.2024 07:30:59 - dpa-AFX: ROUNDUP 2: EU-Firmen bewerten Aussichten in China so pessimistisch wie noch nie

(Aktualisierung: Zitate des Kammer-Präsidenten im zweiten Absatz ergänzt.)

PEKING (dpa-AFX) - Europäische Unternehmen beurteilen ihre Wachstumschancen
in China so schlecht wie noch nie. Wie aus der am Freitag veröffentlichten
jährlichen Geschäftsklimaumfrage der EU-Handelskammer in Peking hervorgeht,
äußern sich 23 Prozent der befragten Unternehmen pessimistisch zu ihren
Wachstumsaussichten in den kommenden zwei Jahren - so viele wie noch nie. In der
Vorjahresumfrage hatten sich nur 9 Prozent pessimistisch geäußert. Die Zahl der
Unternehmen, die ihre Wachstumsaussichten positiv einschätzten, sank dagegen von
55 Prozent im Vorjahr auf 32 Prozent und damit auf einen Tiefststand.

"Es gibt beunruhigende Anzeichen dafür, dass einige europäische Unternehmen
ihre Aktivitäten in China aufgeben oder ihre Ambitionen zurückschrauben, da die
Herausforderungen, mit denen sie konfrontiert sind, die Vorteile einer Präsenz
in China überwiegen", sagte Jens Eskelund, Präsident der EU-Handelskammer in
Peking anlässlich der Vorlage der Umfrage. "Die chinesische Regierung
signalisiert immer wieder ihre Absicht, das Geschäftsumfeld zu verbessern, aber
wir brauchen jetzt konkrete Maßnahmen, um das Vertrauen der Investoren
wiederherzustellen."

Das vergangene Jahr sei für die europäischen Unternehmen in der
Volksrepublik von "wachsender Unsicherheit" geprägt gewesen, so die EU-Kammer.
Zwar habe die Öffnung Chinas nach der Pandemie zunächst ein "Gefühl des
Optimismus" ausgelöst. "Tiefgreifende strukturelle Probleme" wie die schwache
Binnennachfrage, die hohe Verschuldung der Lokalregierungen und anhaltende
Herausforderungen im Immobiliensektor hätten die Aussichten jedoch schnell
wieder eingetrübt. Das Vertrauen der Unternehmen sei zudem durch
widersprüchliche Botschaften der chinesischen Regierung weiter geschwächt
worden.

Als derzeit größte Herausforderungen für ihr Geschäft nannten die Firmen
insbesondere die wirtschaftliche Abschwächung in China, gefolgt von der
allgemeinen schwachen Weltkonjunktur. Als wichtige Faktoren wurden zudem der
Konflikt zwischen den USA und China und andere geopolitische Spannungen genannt.
Auch ein zunehmend harter Wettbewerb mit chinesischen Firmen macht den EU-Firmen
zu schaffen.

Während sich die wirtschaftlichen Herausforderungen verschärften, blieben
andere Geschäftshindernisse in China wie regulatorische Anforderungen und
unvorhersehbare Gesetzgebung hoch. Nur noch 16 Prozent der Befragten erwarteten
eine Verringerung der regulatorischen Hürden - auch das ist der niedrigste Wert
aller Zeiten.

Die negative Gemengelage wirke sich auch spürbar auf die
Investitionsentscheidungen der Firmen aus. Der Anteil der Befragten, die China
noch als Top-Destination für gegenwärtige und künftige Investitionen einstufen,
ist demnach mit 15 und 12 Prozent der Befragten so niedrig wie nie zuvor.

"Die Unternehmen verlagern weiterhin Investitionen, die ursprünglich für
China geplant waren, auf alternative Märkte, die als berechenbarer,
zuverlässiger und transparenter wahrgenommen werden", so der Kammer-Bericht.
Zugleich fiel der Anteil der Befragten, die eine Ausweitung ihrer derzeitigen
China-Aktivitäten im kommenden Jahr planen, auf ein Rekordtief von 42 Prozent
von 48 Prozent im Vorjahr. Viele Unternehmen schränken laut Kammer zudem auch
die Reinvestition ihrer Gewinne in China.

Ein immer größeres Problem in China seien zudem die hohen Überkapazitäten in vielen Wirtschaftszweigen. Insgesamt beobachteten 36 Prozent der Befragten
Überkapazitäten in ihrer jeweiligen Branche. Weitere zehn Prozent erwarteten
diese in naher Zukunft. Der höchste Anteil der Befragten (69 Prozent) meldete
Überkapazitäten im Baugewerbe. Den zweithöchsten Anteil verzeichnete die
Automobilindustrie mit 62 Prozent.

Drei Fünftel der Befragten, die von Überkapazitäten in ihrer Branche
berichteten, nannten zu hohe Investitionen in die heimische Produktion als
Hauptursache für die Probleme. Aber auch eine zu geringe Nachfrage sowohl auf
dem chinesischen Markt als auch auf dem Weltmarkt wurden als Gründe genannt.

Erst am Montag hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vor
einem Treffen mit dem chinesischen Staats- und Parteichef Xi Jinping in Paris
deutlich gemacht, dass die EU die derzeitigen Subventions- und Handelspraktiken
Chinas nicht länger tolerieren werde. Aufgrund der schwachen Binnennachfrage
produziere China derzeit mit hohen Subventionen mehr als es verkaufe,
argumentierte die Spitzenpolitikerin. Bereits im vergangenen Jahr hatte die
EU-Kommission angekündigt, mögliche Strafzölle auf Elektroautos aus China zu
prüfen./jpt/DP/stk

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