01.05.2024 18:21:04 - dpa-AFX: POLITIK/ROUNDUP: Mehr als Zehntausend bei linken Demos

BERLIN/HAMBURG/STUTTGART (dpa-AFX) - Mehr als Zehntausend Menschen haben
sich am 1. Mai an linken und linksextremen Demonstrationen beteiligt, vor allem
in Berlin und Hamburg. Die Polizei stand jeweils mit einem Großaufgebot parat,
um mögliche Krawalle in der Nacht zu verhindern. Vor dem Hintergrund der
Spannungen um den Gaza-Krieg gab es besonders Sorgen über mögliche
propalästinensische Aktionen mit möglicherweise verbotenen Slogans gegen Israel.
Daneben gab es die traditionellen Demonstrationen der Gewerkschaften am Tag der
Arbeit für mehr soziale Gerechtigkeit, bei denen es kaum Vorfälle gab.

In der Hauptstadt folgten zunächst mindestens 4000 Menschen dem satirischen
Aufruf zur "Razzia im Villenviertel" im Stadtteil Grunewald. Für den Abend
hielten sich Tausende Polizisten für mögliche Störungen bei der linksradikalen
"Revolutionäre 1. Mai Demonstration" in Neukölln bereit. Nach Hinweisen von
Anwohnern entdeckte die Polizei dort nachmittags Steindepots.

Polizei für Ausschreitungen gerüstet

"Die Sicherheit unserer Stadt hat oberste Priorität", erklärte Berlins
Innensenatorin Iris Spranger (SPD) auf der Plattform X (vormals Twitter). Die
Polizei werde konsequent gegen Straftäterinnen und Straftäter vorgehen. Die
Polizei teilte mit, sie begleite mit 5600 Kräften insgesamt 19 Versammlungen.
Unterstützt werde man von 2400 Polizistinnen und Polizisten aus anderen
Bundesländern. Bereitgehalten wurden auch Räumfahrzeuge, Wasserwerfer, ein
Hubschrauber und Lichtmasten zum Ausleuchten der Straßen vor allem in den
Stadtteilen Kreuzberg und Neukölln.

Eine Demonstration des Gewerkschaftsbundes DGB wurde nach Angaben der
Polizei zeitweise angehalten, weil dort wiederholt propalästinensische
Sprechchöre gerufen und Transparente gezeigt wurden.

Nach einem mutmaßlichen Brandanschlag auf Transporter eines großen
Versandhändlers in Berlin-Reinickendorf tauchte ein Bekennerschreiben auf, wie
die Polizei bestätigte. Ein politisches Tatmotiv sei nicht ausgeschlossen. Der
Staatsschutz habe die Ermittlungen übernommen. Zuvor hatte der "Tagesspiegel"
berichtet. Am frühen Morgen hatten mehrere geparkte Lieferwagen gebrannt. 16
Fahrzeuge wurden durch Feuer oder Hitze beschädigt. Menschen kamen nicht zu
Schaden.

Erste Zwischenfälle

In Stuttgart wurde eine Demonstration der linken Szene in der Innenstadt
beendet, wie die Polizei auf X mitteilte. Es sei zu Angriffen auf Einsatzkräfte
gekommen. Die Beamten hätten mit Pfefferspray und Schlagstöcken reagiert. Die
Demonstration richtete sich nach Polizeiangaben "gegen Sozialabbau", setzte sich
"für eine solidarische Gesellschaft" ein und sei von einer Einzelperson
angemeldet worden. Es sei zu "massiven Straftaten und Auflagenverstößen"
gekommen.

In Hamburg gingen mehr als 6000 Menschen mit linken und linksextremen
Gruppen auf die Straße. Aufgerufen hatten Anarchisten aus dem Umfeld des
linksautonomen Zentrums Rote Flora, das Umverteilungsbündnis "Wer hat, der gibt"
und der vom Verfassungsschutz als gewaltorientiert eingestufte Rote Aufbau. Die
Polizei war mit einem Großaufgebot im Einsatz. Entlang des Weges standen
Wasserwerfer und Räumpanzer bereit. Auch die Reiterstaffel war zu sehen.

Am frühen Nachmittag waren nach Polizeiangaben in der Spitze 1350
Demonstranten mit dem anarchistischen Bündnis "Schwarz-Roter 1. Mai" vom Bahnhof
Sternschanze durch St. Pauli zum Altonaer Balkon gelaufen. Motto: "Solidarisch.
Selbstbestimmt. Herrschaftsfrei". Als sie an der Roten Flora vorbeikamen, wurde
vom Dach Pyrotechnik gezündet. Insgesamt sei der Aufzug aber friedlich
verlaufen, sagte ein Polizeisprecher.

"Wer hat, der gibt"-Demo führt durch Nobel-Stadtteile

Die mit laut Polizei 4000 Teilnehmern größte Demonstration startete wenig
später vom Bahnhof Dammtor. Der bunte Zug des Bündnisses "Wer hat, der gibt"
führte durch die Nobel-Stadtteile Harvestehude und Pöseldorf zum Eppendorfer
Baum. "Lasst uns das Geld von denen holen, die es im Überfluss haben, um es
denen zu geben, die es brauchen", hieß es im Aufruf. Die Polizei sprach von
einem friedlichen Verlauf

Am späten Nachmittag startete die "Revolutionäre 1.-Mai-Demo" des Roten
Aufbaus vom Hauptbahnhof. Die Polizei sprach hier zunächst von gut 1000
Teilnehmern. Unter dem Slogan "Krieg, Krise, Kapitalismus - so wie es ist, darf
es nicht bleiben" sollte die Demonstration unter anderem durch St. Georg,
Hohenfelde und Eilbek bis zum S-Bahnhof Landwehr führen.

Queer-feministische Demo gegen Kapital und Patriarchat

Die linksextremen Aufzüge hatten in der Walprugisnacht mit
queer-feministischen Demonstrationen gegen Kapital und Patriarchat sowohl in
Berlin als auch Hamburg begonnen. Unter dem Motto "Take back the Night"
beteiligten sich laut Polizei in Berlin-Friedrichshain bis zu 2800 vorwiegend
weibliche Demonstrierende und in Hamburg-St. Pauli rund 900. In Berlin wurden
acht Menschen vorläufig festgenommen und eine Polizeieinsatzkraft leichte
verletzt. In Hamburg gab es keine größeren Zwischenfälle.

Feiern in Kreuzberg auch ohne Myfest

In Berlin-Kreuzberg war das lange übliche Straßenfest Myfest auch in diesem
Jahr abgesagt worden. Dennoch feierten Zehntausende am Nachmittag auf den
Straßen und Plätzen. Viele Kneipen, Bars und Späti verkauften Getränke und
Essen, zum Teil wurde auch Musik gemacht. An vielen Stellen herrschte
Partystimmung./lw/DP/he

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