01.05.2024 17:57:48 - dpa-AFX: WDH/POLITIK/ROUNDUP: Mehr als 60 Festnahmen bei Protesten in Georgien

(Im 3. Absatz wird korrigiert, dass NGOs nicht als ausländische Agenten
eingestuft werden. Es geht um Rechenschaftspflicht.)

TIFLIS (dpa-AFX) - Die Polizei im EU-Beitrittskandidat Georgien hat nach
eigenen Angaben 63 Teilnehmer an regierungskritischen Massenprotesten
festgenommen. Das sagte der Vizeinnenminister der Republik im Südkaukasus,
Alexander Darachwelidse, am Mittwoch in der Hauptstadt Tiflis. In der Nacht
waren die Sicherheitskräfte mit Tränengas, Wasserwerfern und Schlagstöcken gegen
die Zehntausende Menschen zählende Menge vorgegangen. Deren Protest richtet sich
seit Wochen gegen Pläne der Regierung, den angeblichen ausländischen Einfluss
auf die georgische Zivilgesellschaft zu unterbinden. Die Abgeordneten im
Parlament der Ex-Sowjetrepublik setzten am Mittwoch die zweite Lesung des
umstrittenen Gesetzes fort.

Zu den Festgenommenen zählte auch Lewan Chabeischwili, der Vorsitzende der
größten Oppositionspartei Vereinte Nationalbewegung UNM. Chabeischwili
veröffentlichte ein Foto, das ihn mit blutig geschwollenem Gesicht zeigt. Er
erklärte, von der Polizei misshandelt worden zu sein. Die Sicherheitskräfte
waren am Dienstagabend mit Gewalt gegen die Demonstranten vorgegangen und hatten
sie vom Parlamentsgebäude weggedrängt. Erst in der Nacht beruhigte sich die
Lage. Für Mittwoch waren neue Proteste angekündigt.

Stein des Anstoßes ist ein Gesetz, dass Nichtregierungsorganisationen, die
mehr als 20 Prozent Geld aus dem Ausland erhalten, über die Herkunft
Rechenschaft ablegen müssen. Viele Projekte zur Demokratieförderung in der
Ex-Sowjetrepublik arbeiten mit Geld aus EU-Staaten oder den USA. Die
Regierungspartei Georgischer Traum spricht von größerer Transparenz. Kritiker
erwarten, das Gesetz werde wie in Russland missbraucht werden, um Geldflüsse zu
stoppen und prowestliche Kräfte zu verfolgen. Die seit 2012 regierende Partei
Georgischer Traum tritt vor der Parlamentswahl im Herbst zunehmend autoritär
auf. Die proeuropäischen Demonstranten befürchten, dass dieser Kurs den
erhofften Beitritt zur EU gefährdet.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell kritisierte den Polizeieinsatz gegen
friedliche Demonstranten. "Georgien ist EU-Beitrittskandidat. Ich rufe die
Behörden auf, das Recht auf friedliche Versammlungen zu gewährleisten", schrieb
er im sozialen Netzwerk X (früher Twitter). "Der Einsatz von Gewalt, um dieses
zu unterdrücken, ist inakzeptabel."/fko/DP/he

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