28.04.2024 15:32:28 - dpa-AFX: POLITIK/US-Presse: Putin beauftragte Nawalnys Tod nicht direkt

NEW YORK/MOSKAU (dpa-AFX) - US-Geheimdienste gehen laut einem Bericht des
"Wall Street Journals" davon aus, dass Russlands Präsident Wladimir Putin den
Tod des Kreml-Gegners Alexej Nawalny nicht direkt angeordnet hat. Dies entbinde
Putin zwar nicht von seiner Verantwortung, vertiefe aber das Rätsel um den Tod
des im Februar in einem Straflager gestorbenen Dissidenten, schrieb die Zeitung
am Samstag unter Berufung auf Geheimdienstquellen. Zuvor hatte Nawalnys Team im
Exil im Ausland unter anderem behauptet, Putin habe Nawalny töten lassen, um
einen geplanten Austausch des Gefangenen mit im Westen inhaftierten Russen zu
verhindern.

Die Einschätzung der US-Geheimdienste bestreite nicht die Schuld Putins an
Nawalnys Tod, besage aber, dass er ihn zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich nicht
angeordnet habe, schrieb die Zeitung. Dieser Meinung seien etwa die CIA, das
Büro der US-Geheimdienstkoordinatorin und die Nachrichtendienstabteilung des
US-Außenministeriums. Einige europäische Nachrichtendienste seien über die
US-Einschätzung informiert worden.

Der russische Oppositionelle und enge Nawalny-Vertraute Leonid Wolkow, der
im März im litauischen Exil angegriffen und verletzt worden war, wies die
Einschätzung der US-Geheimdienste im "Wall Street Journal" als naiv zurück. "Die
Vorstellung, dass Putin nicht informiert gewesen ist und die Tötung Nawalnys
nicht gutgeheißen hat, ist lächerlich."

Der Kreml hält den Bericht der Zeitung nach eigenen Angaben für inhaltsleere Lektüre, um das weltweite Lesepublikum am Samstag bei Laune zu halten. "Ich
würde nicht sagen, dass es sich um Material hoher Qualität handelt", sagte
Kremlsprecher Dmitri Peskow. Der Kreml hatte immer wieder zurückgewiesen, etwas
mit Nawalnys Tod zu tun zu haben.

Gleichwohl hatte Putin erklärt, dass er nichts gegen einen Austausch
Nawalnys gehabt hätte. Dem Zeitungsbericht zufolge sollen US-Präsident Joe Biden
und Kanzler Olaf Scholz eine Woche vor Nawalnys Tod über einen Vorschlag für
einen Gefangenenaustausch gesprochen haben. Moskau hatte vor allem Interesse
daran, einen in Deutschland inhaftierten Russen wegen des Mordes an einem
Georgier im Berliner Tiergarten freizubekommen.

Nawalny starb am 16. Februar nach Behördenangaben im Straflager mit dem
inoffiziellen Namen "Polarwolf" in der sibirischen Arktisregion Jamal. Die
Umstände seines Todes sind nicht geklärt. Der durch einen Giftanschlag 2020 und
wiederholte Einzelhaft im Lager geschwächte Politiker soll bei einem Rundgang
auf dem eisigen Gefängnishof zusammengebrochen und trotz
Wiederbelebungsversuchen gestorben sein. Nach Angaben von Nawalnys Team ist im
Totenschein von "natürlichen" Ursachen die Rede. Nawalnys Angehörige sprechen
von Mord./mau/DP/he

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