28.04.2024 14:49:39 - dpa-AFX: SPORT/Hoeneß kontra Tuchel: Eberl will befrieden, Müller imitiert Kahn

MÜNCHEN (dpa-AFX) - Auf seiner letzten großen Fußball-Mission als
Bayern-Trainer muss sich Thomas Tuchel mit der legendären Abteilung Attacke von
Uli Hoeneß herumärgern. Die wuchtige Kritik aus den eigenen Reihen verletzte den
50-jährigen Tuchel nicht nur in seiner "Trainerehre", sondern nervte ihn rund um
das 2:1 (1:1) gegen Eintracht Frankfurt vor dem Champions-League-Spektakel gegen
Real Madrid gewaltig.

"Es stehen zehn unglaublich wichtige Tage für uns alle an. Es gibt jetzt
keinen schlechteren Zeitpunkt für irgendwelche Nebenschauplätze", sagte Tuchel.
Zumal er sich angesichts der Verletzungen von Jamal Musiala, Leroy Sané und Co.
um "Wunderheilungen" kümmern muss. "Es sind jetzt zehn Tage, in denen es um
alles geht", betonte der Fußballlehrer.

Das Warm-up für das Halbfinal-Hinspiel am Dienstag gegen die Königlichen mit einem gegen Frankfurt schon in Real-Form treffenden Harry Kane geriet im Lichte
des nächsten Ärgers für den Münchner Noch-Trainer in den Hintergrund. Um in dem
von Tuchel bemühten Bild von der Wohnung an einer lauten Straße mit nervigen
Nachbarn zu bleiben, dürften die Hoeneß-Worte für ihn wie dröhnende
Heavy-Metal-Musik aus dem eigenen Wohnzimmer mitten in der Nacht geklungen
haben.

Müller erheitert mit Kahn-Parodie

Vereinspatron Hoeneß hatte bei einem öffentlichen Auftritt die Arbeit von
Tuchel bei der Entwicklung von jungen Spielern bemängelt. Die "Anschuldigungen"
seien "meilenweit" von der Realität entfernt, konterte Tuchel, der Hoeneß einst
versprach, "gut auf seinen Club aufzupassen". Thomas Müller wiegelte den Disput
mit einer gelungenen Oliver-Kahn-Parodie ab. "Das ist mir scheißegal", sagte der
Nationalspieler in treffender "Titan"-Tonlage. Kahn hatte den berühmten Satz vor
mehr als 20 Jahren nach einem 0:2 in Bremen geprägt.

Unmittelbar vor dem Königsklassen-Klassiker gegen die Königlichen aus Madrid um Toni Kroos und Antonio Rüdiger registrierte Sportvorstand Max Eberl
erleichtert, dass die Störgeräusche zumindest die eigene Mannschaft vor der
letzten Titelchance nicht hemmen. "Die Mannschaft hat gezeigt, dass es sie nicht
beeinflusst", sagte Eberl.

Er sprach am Wochenende sowohl mit Hoeneß als auch mit Tuchel. "Meine
Aufgabe ist es einfach, jetzt die ganze Sache ein Stück weit zu befrieden, das
Feuer richtig zu kanalisieren und dann am Dienstag Real zu schlagen", schilderte
Eberl.

Eberl: Mal sehen, ob Rangnick zusagt oder nicht

Nach nicht einmal zwei Monaten im Amt erlebt Eberl im "Verein, den scheinbar die ganze Nation interessiert", eine hochintensive Zeit. "Ich finde nicht, dass
es FC Hollywood ist", sagte Eberl in turbulenten Bayern-Tagen mit der Dauerfrage
nach der Verpflichtung von Ralf Rangnick als Tuchel-Nachfolger. "Wir haben
Toptrainer, mit denen wir uns beschäftigt haben. Und jetzt schauen wir mal, ob
Ralf Rangnick die Zusage gibt oder nicht." Vor dem Hinspiel gegen Real am
Dienstag (21.00 Uhr) werde keine Entscheidung von Vereinsseite verkündet.

"Es fühlt sich so an, dass alle zwei Stunden über diese Trainersuche
geredet, gesprochen, sie kommentiert und diskutiert wird. Ich bin gespannt, wann
Markus Lanz endlich einsteigt in diese ganze Thematik", witzelte Eberl. Beim
Podiumsgespräch der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" kommentierte der
72-jährige Hoeneß die bisherige Trainersuche: Dass seine Frau Susi den Verbleib
von Meistertrainer Xabi Alonso in Leverkusen beim Frühstück als charakterstark
bewerte. Und dass man bei Bundestrainer Julian Nagelsmann ja sehen werde, ob der
mit der DFB-Entscheidung - je nach EM-Ausgang - richtig gelegen oder einen
Fehler gemacht habe.

Tuchel wünscht sich "Wunderheilungen"

Eberl zeigte sich nach vielen Verletzungen im Team zuversichtlich, dass beim Wiedersehen mit dem Münchner Ex-Coach Carlo Ancelotti in der Allianz Arena "fast
alle wieder an Bord sind". Musiala musste wegen seiner Kniereizung gegen die
Eintracht pausieren. Sané behindern weiterhin schmerzhafte Schambeinprobleme.
Konrad Laimer (Kapselverletzung am Sprunggelenk) und Matthijs de Ligt (Innenband
am Knie) kamen am Samstag als neue angeschlagene Profis hinzu. "Wir brauchen ein
paar Wunderheilungen. Wir brauchen eine gute Bank, wir brauchen sportliche
Waffen zurück", sagte Tuchel fast schon beschwörend.

Den größten Trumpf haben die Münchner im Angriff. Kane feierte mit dem 400.
Treffer seiner Profikarriere ein Tor-Jubiläum. Mit nun 35 Liga-Saisontoren
bleibt der Lewandowski-Rekord von 41 Treffern in Reichweite. Doch das ist dem 30
Jahre alten Engländer gerade herzlich egal, denn er hofft vor allem auf "ein
paar" Tore gegen Real.

"Ich hoffe, dass wir mit Selbstvertrauen in das Spiel am Dienstag gehen
können. Real ist ein fantastisches Team mit einer großartigen Geschichte in
diesem Wettbewerb", sagte Kane. "Wir müssen uns einiges einfallen lassen." Das
Ziel bleibt das Finale am 1. Juni im Londoner Wembleystadion./kun/DP/he

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