25.04.2024 20:14:21 - dpa-AFX: ROUNDUP 2/Historische Anhörung: Supreme Court befasst sich mit Immunität Trumps

(nach Anhörung aktualisiert)

WASHINGTON (dpa-AFX) - In der historischen Frage nach Immunität vor
Strafverfolgung für Ex-Präsidenten hat sich das Oberste Gericht der USA
skeptisch gegenüber den Argumenten von Donald Trumps Anwalt gezeigt. Bei der
Anhörung am Donnerstag deutete sich aber auch an, dass mit einem schnellen
Prozessbeginn von Trumps Wahlbetrugs-Verfahren in Washington nicht unbedingt zu
rechnen ist - also noch vor der Präsidentenwahl im November. Auch das wäre ein
Erfolg für Trump. Knackpunkt ist die Frage, was als offizielles und privates
Handeln im Amt gilt. Bei dem Fall vor dem Supreme Court geht es um nicht weniger
als die Zukunft der Strafverfahren gegen den Republikaner und die Grenzen des
Rechtsstaats. Ein Urteil wird erst in einigen Wochen erwartet.

Vor dem Supreme Court wurde auch darüber debattiert, wie weit Straffreiheit
für Präsidenten gehen soll. Trumps Anwalt D. John Sauer lieferte sich einen
Schlagabtausch mit der liberalen Richterin Sonia Sotomayor. Die Richterin fragte
Sauer: "Wenn der Präsident entscheidet, dass sein Rivale eine korrupte Person
ist, und er dem Militär befiehlt, oder jemand anderem befiehlt, diesen zu
ermorden, wäre das im Rahmen seiner offiziellen Amtshandlungen und damit
straffrei?" Sauer antwortete darauf, das sei eine hypothetische Frage und davon
hänge die Antwort ab. Aber es könne sich dabei "durchaus um eine offizielle
Amtshandlung handeln", fügte er hinzu.

Trump saß am Donnerstag im Gericht in New York, wo ein Strafprozess wegen
mutmaßlich unrechtmäßig verbuchter Schweigegeldzahlungen an eine
Pornodarstellerin gegen ihn läuft.

Darum geht es vor dem Supreme Court

Trump, der nach der Präsidentenwahl im November wieder ins Weiße Haus
einziehen möchte, ist in der US-Hauptstadt im Zusammenhang mit versuchtem
Wahlbetrug angeklagt. Anhänger Trumps hatten am 6. Januar 2021 den
Parlamentssitz in Washington gestürmt. Trump hatte bereits vor dem Sturm auf das
Kapitol auf verschiedenen Ebenen versucht, das Wahlergebnis zu kippen.

Trump und seine Anwälte wollen erreichen, dass die Anklage in Washington
fallen gelassen wird. Sie berufen sich dabei auf die Immunität Trumps in seinem
damaligen Amt als Präsident. Sie argumentieren, dass Trump nicht rechtlich für
Taten belangt werden könne, die zu seinen Pflichten als Präsident gehörten. Mit
dieser Argumentation waren sie bereits vor einem Berufungsgericht US-Hauptstadt
gescheitert. Zuvor hatte auch die zuständige Richterin in dem Fall dieses
Argument zurückgewiesen. Trumps Anwälte reichten Berufung ein, weshalb der Fall
nun vor dem Supreme Court gelandet ist.

Fall mit großer Tragweite

Das Urteil dürfte auch immense Bedeutung für künftige Präsidenten haben.
Sollten diese wirklich Immunität genießen, könnten sie möglicherweise Straftaten
im Amt begehen, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Das ist natürlich davon
abhängig, wie das Urteil formuliert sein wird und was als offizielle Handlung im
Amt gilt. Aber der Supreme Court, der unter Trump wegen mehrerer Nachbesetzungen
weit nach rechts gerückt ist, wird Stellung beziehen müssen, wie groß die Macht
von US-Präsidenten ist und wo die Grenzen des Rechtsstaats liegen. Die
Verfassung gewährt Präsidenten nicht explizit Immunität, auch nicht während
ihrer Zeit im Amt. Allerdings ist das Justizministerium traditionell der
Auffassung, dass Präsidenten während ihrer Zeit im Weißen Haus nicht angeklagt
werden können.

Doch was passiert, wenn sie nicht mehr im Amt sind? Die Frage hat sich in
dieser Form bisher nicht gestellt, weil vor Trump noch nie ein ehemaliger
US-Präsident mit einem Strafverfahren konfrontiert war. Ex-Präsident Richard
Nixon wurde 1974 von seinem Nachfolger Gerald Ford begnadigt, nachdem er wegen
der Watergate-Affäre zurückgetreten war. Es war ein innenpolitischer Skandal um
Amts- und Machtmissbrauch, der mit dem ersten und bis jetzt letzten Rücktritt
eines US-Präsidenten endete. Zu einer Anklage kam es wegen der vorsorglichen
Begnadigung nie.

Gegen Trump laufen mittlerweile mitten im Wahlkampf sogar vier
Strafverfahren. Es geht neben versuchtem Wahlbetrug auch noch um die mutmaßlich
gesetzeswidrige Aufbewahrung von Geheimdokumenten und möglicherweise
unrechtmäßig verbuchte Schweigegeldzahlungen an eine Pornodarstellerin.

Richter nehmen Anwälte ins Kreuzverhör

Fast drei Stunden nahmen sich die Richterinnen und Richter die Argumente von Trumps Anwalt und der Gegenseite vor. "Dieser Fall hat enorme Auswirkungen auf
die Präsidentschaft, auf die Zukunft der Präsidentschaft, auf die Zukunft des
Landes", sagte der konservative Richter Brett Kavanaugh. Während der Anhörung
nahmen die Richterinnen und Richter zwar die Argumentation von Trumps Anwalt
Sauer auseinander. Dieser fordert absolute Immunität für ehemalige Präsidenten,
da diese sonst ihr Amt nicht ausüben können. Die Argumente der Gegenseite
schienen das Gericht aber auch nicht vollends zu überzeugen.

Einige Richter ließen in ihren Fragen durchblicken, dass sie zwar keine
vollumfängliche Immunität unterstützen - aber gewisse Handlungen doch vor
Strafverfolgung geschützt sein sollten. Ein mögliches Urteil könnte Fachleuten
zufolge so aussehen, dass das Verfahren um mutmaßlichen Wahlbetrug in Washington
an untere Instanzen zurückgewiesen wird, um die Anklagepunkte noch einmal
auseinanderzunehmen. Dies könnte mehrere Monate dauern. Damit würde ein
Prozessbeginn noch vor der Präsidentenwahl unwahrscheinlich.

Bei der Abstimmung im November läuft es auf ein Kopf-an-Rennen zwischen
Trump und dem demokratischen Amtsinhaber Joe Biden hinaus. Auch auf das
Verfahren im Bundesstaat Georgia, das sich um ähnliche Vorwürfe dreht, und das
Verfahren in Florida um die Mitnahme geheimer Unterlagen aus dem Weißen Haus,
könnte das Urteil ebenfalls Einfluss haben.

Erfolgreiche Verzögerungstaktik

Bisher haben Trump die strafrechtlichen Ermittlungen in Umfragen nicht
geschadet. Der Republikaner beteuert in allen Verfahren seine Unschuld und
stellt die Ermittlungen gegen ihn als Versuch seiner politischen Gegner dar, ihn
kaltzustellen. Trumps Opfernarrativ verfängt bei seinen Anhängern. Dies könnte
sich aber ändern, wenn Trump gleich in mehreren Prozessen im Gerichtssaal von
Zeugen schwer belastet werden würde. Das will Trump unbedingt verhindern. Trumps
Anwälte fluten die zuständigen Gerichte mit Anträgen - und sind dabei recht
erfolgreich. Für Trump geht besonders um die Außenwirkung. Denn weder die
Anklage noch mögliche Verurteilungen sind eine rechtliche Hürde für seine
Kandidatur./nau/DP/he

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