25.04.2024 16:56:17 - dpa-AFX: Nach Katar-Korruptionsskandal: EU-Parlament ebnet Weg für Ethikgremium

STRASSBURG (dpa-AFX) - Gut eineinhalb Jahre nach dem Katar-Skandal will die
EU härter gegen Interessenkonflikte und Korruption innerhalb der eigenen
Institutionen vorgehen. Das Europaparlament stimmte am Donnerstag in Straßburg
für die Einrichtung eines Ethikgremiums, dass künftig die Einhaltung von Lobby-
und Antikorruptionsregeln kontrollieren soll. Darauf einigten sich einer
Mitteilung des Parlaments zufolge acht EU-Institutionen: der Rat der
Europäischen Union, die Kommission, der Gerichtshof, die Europäische
Zentralbank, der Europäische Rechnungshof, der Europäische Wirtschafts- und
Sozialausschuss, der Europäische Ausschuss der Regionen sowie das Parlament
selbst.

Im Dezember 2022 hatte der Katar-Skandal das Europaparlament erschüttert.
Die belgische Justiz ermittelt gegen die inzwischen abgesetzte Vizepräsidentin
Eva Kaili und weitere Verdächtige wegen Beteiligung an einer kriminellen
Vereinigung, Geldwäsche und Korruption. Dabei geht es um mutmaßliche
Einflussnahme auf politische Entscheidungen durch die Regierungen von Katar und
Marokko.

Der jetzigen Einigung zufolge wird das Gremium etwa für gemeinsame
Mindeststandards für ethisches Verhalten zuständig sein. Zudem soll es Berichte
darüber veröffentlichen, wie diese Standards in den internen Vorschriften der
einzelnen Institutionen umgesetzt werden. Bei Verstößen kann es Empfehlungen für
Sanktionen aussprechen. Fünf unabhängige Sachverständige sollen das Gremium bei
ethischen Fragen unterstützen und gegebenenfalls Stellungnahmen abgeben.

"Dass sich das neue Gremium auch konkret mit Einzelfällen befassen kann, ist ein enormer Verhandlungserfolg", sagte der zuständige Abgeordnete Daniel Freund
(Grüne). Gegenwind kommt dagegen von der christdemokratischen EVP-Fraktion:
"Anstatt klare rechtliche Regeln und Standards aufzustellen, wird die
"Ethik-Behörde" auf Grundlage auslegungsbedürftiger moralischer Regeln
entscheiden", sagte der verfassungspolitische Sprecher, Sven Simon (CDU).

Bevor die Vereinbarungen in Kraft treten können, müssen sie noch von allen
Parteien unterzeichnet werden. Den Angaben nach sollen sie nach drei Jahren
überprüft werden, um sie gegebenenfalls zu verbessern und zu erweitern.

Bislang überwachen die einzelnen Institutionen selbst, ob die Lobby- und
Ethikregeln in ihrem Haus eingehalten werden. Diese Art der Selbstkontrolle ist
nach Ansicht von Kritikern wenig effektiv./svv/DP/zb

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