25.04.2024 13:36:21 - dpa-AFX: WDH/HINTERGRUND/Supreme Court prüft: Ist Trump immun gegen Strafverfolgung?

(Wiederholung: Fehlendes Wort ergänzt und umformuliert im 1. Satz)

WASHINGTON (dpa-AFX) - Es geht um nicht weniger als die Zukunft der
Strafverfahren gegen Ex-Präsident Donald Trump und die Grenzen des Rechtsstaats:
Das Oberste Gericht der USA beschäftigt sich an diesem Donnerstag (ab 16.00
MESZ) mit der Frage, ob der 77-Jährige für seine Handlungen im Amt Schutz vor
Strafverfolgung genießt.

Bei der Anhörung legen beide Seiten ihre Argumente vor den Richterinnen und
Richtern des Supreme Court dar. Mit einem Urteil wird zwar erst in einigen
Wochen gerechnet, aber die Fragen der Richterinnen und Richter dürften einen
Einblick in ihre Positionen geben, wenn es um die Immunität eines Präsidenten
geht - und somit einen Vorgeschmack auf das Urteil. Von der Klärung der
Immunitätsfrage hängt unter anderem ab, ob und wann der Prozess gegen Trump
wegen versuchten Wahlbetrugs starten kann. Trump kommt nicht zur Anhörung.

Trump, der nach der Präsidentenwahl im November wieder ins Weiße Haus
einziehen will, ist in der US-Hauptstadt im Zusammenhang mit versuchtem
Wahlbetrug angeklagt. Anhänger Trumps hatten am 6. Januar 2021 den
Parlamentssitz in Washington gestürmt. Trump hatte bereits vor dem Sturm auf das
Kapitol auf verschiedenen Ebenen versucht, das Wahlergebnis zu kippen.

Trump und seine Anwälte wollen erreichen, dass die Anklage in Washington
fallen gelassen wird. Sie berufen sich dabei auf die Immunität Trumps in seinem
damaligen Amt als Präsident. Sie argumentieren, dass Trump nicht rechtlich für
Taten belangt werden könne, die zu seinen Pflichten als Präsident gehörten. Mit
dieser Argumentation waren sie vor zwei Gerichten in der US-Hauptstadt
gescheitert. Trumps Anwälte reichten Berufung ein, weshalb der Fall nun vor dem
Supreme Court gelandet ist.

Fall geht über Trump hinaus

Das Urteil dürfte auch immense Bedeutung für künftige Präsidenten haben.
Sollten diese wirklich Immunität genießen, könnten sie möglicherweise Straftaten
im Amt begehen, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Das ist natürlich davon
abhängig, wie das Urteil formuliert sein wird und was als offizielle Handlung im
Amt gilt. Aber der Supreme Court, der unter Trump wegen mehrerer Nachbesetzungen
weit nach rechts gerückt ist, wird Stellung beziehen müssen, wie groß die Macht
von US-Präsidenten ist und wo die Grenzen des Rechtsstaats liegen. Die
Verfassung gewährt Präsidenten nicht explizit Immunität, auch nicht während
ihrer Zeit im Amt. Allerdings ist das Justizministerium traditionell der
Auffassung, dass Präsidenten während ihrer Zeit im Weißen Haus nicht angeklagt
werden können.

Doch was passiert, wenn sie nicht mehr im Amt sind? Die Frage hat sich in
dieser Form bisher nicht gestellt, weil vor Trump noch nie ein ehemaliger
US-Präsident mit einem Strafverfahren konfrontiert war. Ex-Präsident Richard
Nixon wurde 1974 von seinem Nachfolger Gerald Ford begnadigt, nachdem er wegen
der Watergate-Affäre zurückgetreten war. Es war ein innenpolitischer Skandal um
Amts- und Machtmissbrauch, der mit dem ersten und bis jetzt letzten Rücktritt
eines US-Präsidenten endete. Zu einer Anklage kam es wegen der vorsorglichen
Begnadigung nie. Gegen Trump laufen mittlerweile sogar vier Strafverfahren. Es
geht neben versuchtem Wahlbetrug auch noch um die mutmaßlich gesetzeswidrige
Aufbewahrung von Geheimdokumenten und möglicherweise unrechtmäßig verbuchte
Schweigegeldzahlungen an eine Pornodarstellerin.

Die Argumente

Trumps Anwälte machen geltend, dass Trumps Handlungen nach der
Präsidentenwahl 2020 zu seinen offiziellen Pflichten als Präsident gehörten.
Deshalb könne er nicht strafrechtlich dafür belangt werden. Außerdem sei Trump
in einem Amtsenthebungsverfahren nie vom Senat schuldig gesprochen worden. Dies,
so die Anwälte, sei aber Voraussetzung für eine Strafverfolgung. Etliche
juristische Fachleute halten das für falsch. Trumps Anwälte führen weiter an,
dass Präsidenten, sollten sie keine Immunität genießen, im Amt durch Erpressung
entmündigt und nach ihrer Zeit im Weißen Haus zum Opfer politischer Gegner
würden.

Mit dieser Argumentation sind Trump und seine Anwälte vor dem zuständigen
Gericht in Washington und später vor einem Berufungsgericht gescheitert.
Letzteres urteilte, dass aufgrund von Belangen der öffentlichen Ordnung,
"insbesondere im Lichte unserer Geschichte und der Struktur unserer Regierung"
eine Ablehnung des Antrages auf Immunität geboten sei. Trumps Auffassung, dass
er kategorisch vor jeder Strafverfolgung geschützt werden solle für alle
offiziellen Handlungen während seiner Amtszeit, werde nicht gestützt durch die
Geschichte oder den Text oder die Struktur der Verfassung. Ähnlich sieht das die
Staatsanwaltschaft. Sie argumentierte, dass das Kippen eines Wahlergebnisses
nicht zu den Dienstpflichten eines Präsidenten zähle.

Erfolgreiche Verzögerungstaktik

Der Fall landete schließlich vor dem Supreme Court - allerdings mit
Verzögerung. Sonderermittler Jack Smith beantragte bereits nach der ersten
Entscheidung beim Obersten US-Gericht, das zwischengeschaltete Berufungsgericht
zu umgehen. Er wollte erreichen, dass sich der Supreme Court direkt mit dem Fall
befasst, weil dieser letztlich ohnehin dort landet. Es sei wichtig diese Frage
schnell vor der Präsidentenwahl zu klären, so Smith. Das lehnte der Supreme
Court ab
- und ließ sich Zeit. Selbst als das Gericht den Fall schlussendlich
Ende Februar annahm, setzte es die nun anstehende Anhörung erst für Ende April
an. Für Trump ist das ein Erfolg - er setzt darauf, all seine Strafverfahren bis
nach der Wahl zu verzögern.

Einzig das Verfahren um Schweigegeld für eine Pornodarstellerin in New York
ist bereits angelaufen. Trumps Anwälte fluten die zuständigen Gerichte mit
Anträgen - und sind dabei recht erfolgreich. Sollte der Supreme Court
entscheiden, dass Trump Immunität für seine Handlungen im Amt genießt, ist das
Wahlbetrugsverfahren in Washington hinfällig. Auch das Verfahren im Bundesstaat
Georgia, das sich um ähnliche Vorwürfe dreht, und das Verfahren in Florida um
die Mitnahme geheimer Unterlagen aus dem Weißen Haus dürften damit auf der Kippe
stehen. Bei dem Verfahren in New York geht es um mutmaßliche Straftaten vor
Trumps Zeit im Weißen Haus.

Alle Augen auf den Wahlkampf

Bisher haben Trump die strafrechtlichen Ermittlungen in Umfragen nicht
geschadet. Der Republikaner beteuert in allen Verfahren seine Unschuld und
stellt die Ermittlungen gegen ihn als Versuch seiner politischen Gegner dar, ihn
kaltzustellen. Bei der Wahl im November läuft es auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen
zwischen Trump und dem demokratischen Amtsinhaber Joe Biden hinaus. Trumps
Opfernarrativ verfängt bei seinen Anhängern. Dies könnte sich aber ändern, wenn
Trump gleich in mehreren Prozessen im Gerichtssaal von Zeugen schwer belastet
werden würde. Das will Trump unbedingt verhindern. Es geht besonders um die
Außenwirkung. Denn weder die Anklage noch mögliche Verurteilungen sind eine
rechtliche Hürde für seine Kandidatur./nau/DP/stk

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