24.04.2024 11:20:59 - dpa-AFX: SPORT: Wer zahlt zusätzliche Polizeikosten bei Risikospielen?

KARLSRUHE (dpa-AFX) - Schon seit Jahren streitet die Deutsche Fußball Liga
mit der Freien Hansestadt Bremen darüber, wer für den zusätzlichen
Polizeiaufwand bei sogenannten Hochrisikospielen in der Bundesliga aufkommen
muss. Jetzt soll das höchste deutsche Gericht entscheiden. Mit einer
Verfassungsbeschwerde am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe richtet sich die
DFL gegen die Bremer Regelung, die die Kosten an die Liga weiterreicht. Wie
stehen die Erfolgschancen? Und welche Auswirkungen könnte das Urteil haben? Die
wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:

Um welche Regelung geht es?

Es geht um einen Passus im Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetz. Seit
2014 ist dort festgehalten, dass die Stadt bei bestimmten Veranstaltungen
Gebühren erheben kann, wenn vorhersehbar zusätzliche Einsatzkräfte der Polizei
benötigt werden. Die Regelung bezieht sich auf gewinnorientierte,
erfahrungsgemäß gewaltgeneigte Veranstaltungen mit mehr als 5000 Menschen. "Die
Gebühr ist nach dem Mehraufwand zu berechnen, der aufgrund der zusätzlichen
Bereitstellung von Polizeikräften entsteht", heißt es. Der Veranstalter muss
demnach vor der Veranstaltung über die voraussichtliche Gebührenpflicht
informiert werden.

Um wie viel Geld geht es?

Den ersten Gebührenbescheid bekam die DFL im Jahr 2015 - damals zu einer
Bundesliga-Partie zwischen dem SV Werder Bremen und dem Hamburger SV. Rund 400
000 Euro stellte der Stadtstaat Bremen der DFL für die Polizeikosten in
Rechnung. Weitere folgten. Insgesamt geht es nach Angaben der Stadt Bremen
mittlerweile um Gebühren in Höhe von mehr als drei Millionen Euro. Davon soll
die DFL bislang rund zwei Millionen Euro gezahlt haben.

Auch abseits von sogenannten Hochrisikospielen kosten die Polizeieinsätze
bei Fußballspielen viel Geld. So summierten sich in der Saison 2022/23 in
Rheinland-Pfalz die Kosten bei allen Partien der 1. und 2. Liga, der
Regionalliga, der Oberliga, bei Pokalpartien, einer Relegationsbegegnung und
einem Länderspiel auf insgesamt rund 4,6 Millionen Euro. Gewalt im und um
Stadien beschäftigte auch die Innenministerkonferenz. Die Sportminister
kündigten vergangene Woche in Saarbrücken an, dass es nach der
Europameisterschaft (14. Juni bis 14. Juli) ein Spitzengespräch mit DFL und
Deutschem Fußball-Bund (DFB) geben wird - auch wegen der anhaltenden
Pyrotechnik-Problematik in den Fankurven.

Was sagt die DFL?

Nach Ansicht des Dachverbands für die 1. und 2. Liga ist die betroffene
Regelung verfassungswidrig und damit nichtig. Sie argumentiert in ihrer
Verfassungsbeschwerde, es fehle an einer abgrenzbaren, ihr zurechenbaren
Leistung der Stadt Bremen. Die sei aber verfassungsrechtliche Voraussetzung für
eine rechtmäßige Gebührenerhebung. Außerdem seien einzelne Störer für den
erforderlichen Polizeieinsatz verantwortlich - und nicht die Organisatoren.

"Die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, insbesondere die Gewährleistung einer störungsfreien An- und Abreise der Besucher im
öffentlichen Raum zu einer Veranstaltung, obliegt der Polizei", teilte die DFL
mit. Die Bereitstellung zusätzlicher Polizeikräfte werde nicht von der DFL
veranlasst und ermögliche ihr keinen spezifischen Vorteil. Die Polizei werde
vielmehr im Interesse der Allgemeinheit tätig. Ein etwaiger Mehraufwand zur
Verhinderung von Gewalttaten rechtfertige daher keine Gebührenpflicht. Der DFB,
der von der 3. Liga abwärts an für den Spielbetrieb zuständig ist, schließt sich
der Argumentation der DFL an.

Wie stehen die Erfolgschancen?

Das ist schwierig zu sagen. Mehrere Gerichte haben sich in den letzten
Jahren mit dem umstrittenen Thema befasst. In den meisten Fällen scheiterte die
DFL mit ihrer Klage gegen die Gebührenerhebung. Allein in der ersten Instanz
hatte sie Erfolg: 2017 erklärte das Verwaltungsgericht Bremen den Bescheid für
rechtswidrig. Die Vorsitzende Richterin begründete das Urteil damals unter
anderem mit Mängeln bei der Gebührenfestsetzung. Vor allem die
Berechnungsmethode sei schlicht zu unbestimmt und deshalb rechtswidrig.

Das Urteil wurde jedoch ein Jahr später in der nächsten Instanz vom
Oberverwaltungsgericht Bremen aufgehoben, das die Gebührenforderung für rechtens
hielt. Die Fußballspiele seien auch aufgrund der Sicherheitsleistungen der
Polizei wirtschaftlich erfolgreich, hieß es zur Begründung. Eine
Kostenbeteiligung sei nicht allein deshalb auszuschließen, weil die Sicherheit
Kernaufgabe des Staates sei. Im März 2019 wurde das OVG-Urteil und damit die
Rechtmäßigkeit der Bremer Regelung vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig
bestätigt.

Wann fällt das Urteil?

Bis das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung bekannt gibt, wird es
noch etwas dauern. Ein Urteil wird erst in einigen Monaten erwartet.

Welche Auswirkungen könnte das Urteil haben?

Wenn sich das Bremer Modell durchsetzen würde, kämen auf die Proficlubs
erhebliche finanzielle Mehrbelastungen zu. Bisher ist unter anderem
Nordrhein-Westfalen mit seinen zahlreichen Proficlubs gegen Gebührenbescheide.
"In Hessen sind derzeit keine Gebührenbescheide bei Hochrisikospielen
beabsichtigt. Wir verfolgen insoweit die Mehrheitsposition der Bundesländer",
heißt es in einer Stellungnahme aus dem Innenministerium in Wiesbaden.

In Rheinland-Pfalz ist das zum Beispiel anders. "Wie sich bereits aus dem
Koalitionsvertrag ergibt, ist das Land Rheinland-Pfalz grundsätzlich gewillt,
die Schaffung einer Gebührenregelung für Hochrisiko-Veranstaltungen zu
unterstützen", sagt eine Sprecherin. "Dabei macht es jedoch nur Sinn, ein
gemeinsames, ländereinheitliches Vorgehen zu verfolgen, um eine einheitliche und
faire Regelung zu gewährleisten. Daher bleibt zunächst das Urteil des
Bundesverfassungsgerichts abzuwarten." Daniela Behrens, Innenministerin von
Niedersachsen (SPD), sieht das Urteil "wegweisend für alle" und sagt: "Ich kann
Gebühren als letztes Instrument natürlich nicht ausschließen. Aber wichtiger ist
mir: mehr Sicherheit im Stadion. Das müssen die Vereine erledigen, denn das ist
der Job der Vereine und nicht der Polizei."/jml/ujo/DP/ngu

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