19.04.2024 17:06:17 - dpa-AFX: ROUNDUP 2: Parlamentswahl in Indien angelaufen - Modi hofft auf dritte Amtszeit

(Aktualisierung: Wahlbeteiligung, Zwischenfälle, Einzelheiten zum Wahltag im
3. Absatz ergänzt)

NEU-DELHI (dpa-AFX) - In Indien hat die Parlamentswahl begonnen. Bei der
weltweit größten Abstimmung sind rund 970 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen,
in mehr als einer Million Wahllokalen über die Besetzung des mehr als 500 Sitze
zählenden Unterhauses (Lok Sabha) abzustimmen. Umfragen sagen einen Sieg der
hindunationalistischen Partei BJP von Premierminister Narendra Modi voraus.

Damit könnte der im Volk äußerst beliebte 73-Jährige nach zehn Jahren an der Macht weitere fünf Jahre regieren. Die Wahl dauert wegen der Größe des Landes -
Indien ist mit 1,4 Milliarden Einwohnern das bevölkerungsreichste Land der Erde
- sechs Wochen und findet in sieben Phasen statt.

Am Freitag begann zunächst die Stimmabgabe in 102 von insgesamt 543
Wahlbezirken, wie die Wahlkommission mitteilte. In der größten Demokratie der
Welt gibt es 36 Bundesstaaten und föderal verwaltete Gebiete. Die
Wahlbeteiligung lag an dem Tag demnach insgesamt bei rund 60 Prozent. In der
Nähe eines Wahllokals in einer Region im Chhattisgarh, wo maoistische Rebellen
stark sind, starb eine Sicherheitskraft bei einer Explosion, wie unter anderem
die örtliche Nachrichtenagentur PTI berichtete. Im Bundesstaat Manipur soll es
bei mehreren Wahllokalen Zwischenfälle gegeben haben, unter anderem mit
bewaffneten Männern und zerstörten Wahlmaschinen, wie die "Times of India"
schrieb. Bei Temperaturen von teils mehr als 40 Grad standen Wähler Schlange und
zeigten nach der Stimmabgabe stolz ihre mit unauslöschlicher Tinte markierten
Zeigefinger - von den Himalaja-Bergen über das umkämpfte Kaschmir-Tal bis hin zu
tropischen Inseln.

Modi und seine BJP geben sich siegesgewiss. Indien stieg unter ihm zur
fünftgrößten Wirtschaftsmacht auf, was Investoren anlockt. Modi lässt stark in
moderne Infrastruktur wie Straßen, Schnellzüge sowie Flughäfen investieren. Die
Opposition beklagt jedoch, dass das Wachstum nicht gleich verteilt sei. Reiche
würden begünstigt, während die Arbeitslosigkeit hoch und die Korruption
verbreitet sei. Hinzu kommt die Inflation. Kritiker werfen Modi zudem vor,
Behörden gezielt gegen die Opposition einzusetzen. Vor der Wahl wurden mehrere
Oppositionsführer unter anderem wegen Korruptionsvorwürfen festgenommen.

Modi profitiert nach Ansicht von Beobachtern zudem davon, dass die
Opposition schwach und zersplittert ist. "Die indische Opposition ist seit
nunmehr einem Jahrzehnt mit sich selbst beschäftigt und hat keine Strategie für
diese Wahl", sagt Elias Marini Schäfer von der Konrad-Adenauer-Stiftung in
Neu-Delhi.

Als Modis größter Herausforderer gilt Rahul Gandhi von der Kongresspartei,
die seit der Unabhängigkeit Indiens von Großbritannien im Jahr 1947 die meiste
Zeit regiert hatte - bis Modi sie mit seiner BJP 2014 von der Macht verdrängte.
Seither ist Indiens Gewicht auf der Weltbühne deutlich gestiegen. Westliche
Staaten wollen angesichts eines immer aggressiver auftretenden Chinas enger mit
ihm zusammenarbeiten.

Modi habe die Macht in seinem Amt zentralisiert, die Unabhängigkeit
öffentlicher Institutionen wie der Justiz und der Medien des Landes untergraben,
einen Personenkult um sich selbst aufgebaut und die ideologischen Ziele seiner
Partei mit rücksichtsloser Effizienz verfolgt, schrieb die Zeitschrift "Foreign
Affairs" im Vorfeld der Wahl. "Es gibt keine Demokratie mehr in Indien",
kommentierte kürzlich auch Kongress-Anführer Rahul Gandhi.

Seine Anhänger überzeugt Modi dagegen mit der Vision, den Subkontinent zu
einer reichen und weltweit geschätzten Nation zu machen, in der der Hinduismus
im Zentrum der nationalen Identität steht. Kritiker beklagen, dass religiöse
Minderheiten zunehmend zu Bürgern zweiter Klasse würden. Oppositionsführer
Gandhi befürchtet: "Sie möchten den demokratischen Prozess abschaffen, damit sie
alle anderen Ideen vernichten können." Zu diesem Zweck verfolge Modis Partei
eine Änderung der Verfassung. Dazu wäre aber eine Zweidrittelmehrheit im
Parlament nötig - was laut Beobachtern schwierig sein dürfte./asg/DP/he

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