19.04.2024 06:20:20 - dpa-AFX: VERMISCHTES: Weiter Ärger um die 110 - Notrufortung nach wie vor nicht möglich

STUTTGART (dpa-AFX) - Mehr als vier Wochen nach der Ankündigung eines
bundesweiten Pilotbetriebs können Notrufe unter der Nummer 110 nach wie vor
bundesweit nicht rasch zurückverfolgt werden. Das bestätigte eine Sprecherin des
baden-württembergischen Innenministeriums der Deutschen Presse-Agentur auf
Nachfrage. Man arbeite mit Hochdruck an der Umsetzung des Pilotbetriebs. Aber
neben den rechtlichen Problemen kommen nun technische Schwierigkeiten hinzu:
Aufgrund der riesigen Datenmengen der anzubindenden Leitstellen sei die
Umsetzung nur schrittweise möglich, sagte die Sprecherin. "Das ist nicht ganz
einfach." Man müsse gewährleisten, dass ein stabiler Betrieb funktioniere.

Hintergrund: Wer mit einem Handy irgendwo in Deutschland mit der 112
Feuerwehr und Rettung ruft, kann über ein technisches Verfahren schnell und
präzise geortet werden. Beim Polizeinotruf 110 ist das bislang nicht möglich -
aufgrund rechtlicher Hürden in Baden-Württemberg. Denn im Schwarzwald laufen
alle Ortungsdaten aus ganz Deutschland auf einem Server zusammen. Dort dürfen
sie aber nicht abgerufen und weitergegeben werden, weil der
Datenschutzbeauftragte im Südwesten rechtliche Bedenken hat.

Heißt: Wer in Not gerät, die 110 wählt und dabei vielleicht nicht mehr in
der Lage ist, seinen Standort durchzugeben, den können die Beamten deshalb nicht
so schnell finden, wie es eigentlich möglich wäre. Aus Sicht der Datenschützer
braucht es für die automatische Übermittlung eine Rechtsgrundlage, die
klarstellt, was mit den Daten genau gemacht werden dürfe.

Nach Medienberichten hatten sich das Innenministerium und der
Datenschutzbeauftragten des Landes aber vor mehr als einem Monat darauf
verständigt, das Problem zu lösen und die Weitergabe der Standortdaten in einem
"vorläufigen bundesweiten Pilotbetrieb" zu erlauben - sofern diese "nur zur
Hilfe und nicht zur Strafverfolgung" genutzt würden. Parallel dazu wollte man
daran arbeiten, für die Erhebung, Speicherung und Weitergabe der Daten eine
Rechtsgrundlage zu schaffen. Doch Wochen später liegt weder eine Rechtsgrundlage
vor noch ein Pilotbetrieb.

"Menschen in Deutschland, die in Gefahr sind und die 110 wählen, könnte zum
Verhängnis werden, dass die zentrale Leitstelle in Baden-Württemberg liegt: Dass
es keine sichere Rechtsgrundlage zur Speicherung von Notrufdaten gibt, ist nicht
hinnehmbar", kritisierte SPD-Innenpolitiker Sascha Binder. "Datenschutz darf
nicht in dieser Tragweite zur Gefährdung der Bevölkerung führen."

Immerhin: Geht es um eine konkrete Gefahr für Leib und Leben, könnten die
Beamten laut Innenministerium bereits jetzt Verletzte und Vermisste orten - über
die sogenannte Funkzellenabfrage. Das sei aber aufwendiger und dauere
länger./poi/DP/zb

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