16.04.2024 06:30:15 - dpa-AFX: ROUNDUP: Israel wägt nach Irans Angriff Optionen ab - Die Nacht im Überblick

TEL AVIV (dpa-AFX) - Israel will den Iran für dessen Drohnen- und
Raketenangriff bestrafen, ohne internationalen Rückhalt zu verlieren. Man wäge
die weiteren Schritte ab, sagte der israelische Generalstabschef Herzi Halevi am
Montag. Auf einen Angriff mit so vielen Raketen auf Israel werde eine Reaktion
folgen. Zugleich fügte Halevi hinzu: "Der Angriff des Irans hat neue
Möglichkeiten für die Zusammenarbeit im Nahen Osten geschaffen. Wir bewerten die
Lage und halten uns auf höchstem Niveau bereit."

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu betonte einem Bericht des
israelischen Rundfunksenders Kan zufolge bei einem Treffen mit Ministern seiner
Likud-Partei, auf den Angriff des Irans müsse eine kluge Reaktion folgen. Der
Iran solle nervös warten müssen, wann die Gegenreaktion erfolge, so wie es
Israel vor dem Angriff am späten Samstagabend ergangen sei.

USA wollen sich zu möglichem Gegenschlag Israels nicht äußern

Am Montag war erneut das israelische Kriegskabinett zusammengetreten. Eine
offizielle Stellungnahme zu Ergebnissen des Treffens gab es zunächst nicht. Der
Fernsehsender Channel 12 berichtete ohne Angabe von Quellen, es seien
verschiedene Szenarien erörtert worden, wie auf den iranischen Großangriff
reagiert werden könne. Israels Ziel ist es demnach, dem Iran zu schaden, ohne
einen umfassenden Krieg auszulösen.

Die US-Regierung wollte sich nicht öffentlich zu einem möglichen Gegenschlag Israels äußern. "Wir werden den Israelis das Wort überlassen", sagte der
Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, am Montag.
Die USA seien nicht an dem Entscheidungsprozess beteiligt.

Israels Militär hatte bei der erfolgreichen Abwehr des iranischen Angriffs
Unterstützung der USA, Großbritanniens, Frankreichs und Jordaniens bekommen. Die
USA bekräftigten nach dem Angriff auch ihr "eisernes Bekenntnis" zu Israels
Sicherheit. Allerdings will sich Washington an einem möglichen Vergeltungsschlag
nicht beteiligen und dringt wie andere Verbündete auf eine Deeskalation. Auf die
Frage, ob die USA besorgt seien, dass ein israelischer Vergeltungsschlag
amerikanische Streitkräfte in der Region gefährden könne und die USA sich
deshalb nicht beteiligen wollten, erklärte Pentagon-Sprecher Pat Ryder am
Montag, es liege an Israel, zu entscheiden, ob es auf den Angriff reagieren
werde oder nicht.

Israels Verteidigungsminister diskutiert weiteres Vorgehen in Rafah

Der iranische Angriff habe gezeigt, wie wichtig Israels Beziehungen zu den
USA wie auch zu anderen Partnern seien, schrieb das "Wall Street Journal" am
Montag. Analysten zufolge werde dies wahrscheinlich ein wichtiger Aspekt sein,
wenn Israel - das vorher wegen seines harten Vorgehens im Gaza-Krieg zunehmend
isoliert war - seinen nächsten Schritt abwäge. Auch die Kriegsziele im Kampf
gegen die mit dem Iran verbündete Hamas im Gazastreifen dürften demnach Teil der
Kalkulationen Israels sein, einschließlich der geplanten Offensive gegen die mit
Flüchtlingen überfüllte Stadt Rafah im Süden des abgeriegelten Küstengebiets.

Israels Verteidigungsminister Joav Galant erörterte am Montagabend mit
Vertretern seines Ministeriums und der für Kontakte mit den Palästinensern und
humanitäre Hilfe zuständigen Cogat-Behörde das weitere Vorgehen in Rafah. Nach
Angaben der Regierungspressestelle ging es bei dem Treffen vor allem um die
Evakuierung von Zivilisten aus der Stadt und die Ausweitung von Lebensmittel-
und Medikamentenlieferungen. Vor dem iranischen Großangriff auf Israel hatte
Regierungschef Netanjahu verkündet, es gebe schon einen Termin für eine
Offensive. Galant widersprach dem jedoch kurz darauf.

EU könnte Iran mit neuen Sanktionen belegen

In der EU werden unterdessen mögliche neue Sanktionen gegen den Iran
erwogen. Wie mehrere Diplomaten am Montagabend nach Gesprächen von Vertretern
der Mitgliedstaaten in Brüssel sagten, dürfte das Thema an diesem Dienstag bei
einer Videoschalte der Außenminister auf den Tisch kommen. Neue Strafmaßnahmen
könnten demnach über eine Sanktionsregelung verhängt werden, die nach dem Beginn
der iranischen Unterstützung des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine
durch Drohnenlieferungen eingerichtet wurde. Über sie wurde bislang unter
anderem die Ausfuhr von Bauteilen in den Iran verboten, die für den Bau und die
Produktion von Drohnen verwendet werden. Zudem sind auch Personen und
Organisationen von Strafmaßnahmen betroffen.

Gegen neue scharfe Sanktionen könnte laut Diplomaten allerdings das Risiko
einer Eskalation sprechen. So will der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell weiter
versuchen, den Iran dazu bewegen, wieder ein Abkommen zur Einschränkung seines
Nuklearprogramms einzuhalten. Es soll verhindern, dass der Iran eine Atombombe
baut. Bei der wegen des iranischen Angriffs auf Israel einberufenen
Videokonferenz am Dienstag soll grundsätzlich darüber gesprochen werden, wie die
Europäische Union zu einer Deeskalation in der Region beitragen kann.

Erdogan spricht mit Emir von Katar über Gaza-Krieg

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan telefonierte nach Angaben
seines Büros mit dem Emir von Katar und forderte angesichts des Gaza-Krieges
eine verstärkte Zusammenarbeit islamischer Länder. Diese müssten ihre Bemühungen
verstärken, um Israels "brutale Angriffe" im Gazastreifen zu stoppen und das
Land für "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" zur Rechenschaft zu ziehen, hieß
es am Montag in einer Mitteilung des Präsidialamts. Es sei entscheidend, zügelnd
auf Israel einzuwirken und mit gesundem Menschenverstand zu handeln, um eine
Ausbreitung der Spannungen in der Region zu verhindern. Der iranische Angriff
auf Israel wurde nicht explizit erwähnt./ln/DP/zb

© 2000-2024 DZ BANK AG. Bitte beachten Sie die Nutzungsbedingungen | Impressum
2024 Infront Financial Technology GmbH