09.04.2024 10:50:11 - dpa-AFX: HINTERGRUND 2/EU-Transparenzdatenbank: Online-Netzwerke löschen millionenfach

(neu: Facebook-Zahlen im 4. Absatz)

BRÜSSEL (dpa-AFX) - Kinderpornografie, Hassrede oder Terrorpropaganda: Mehr
als 960 Millionen solcher oder anderer fragwürdiger Inhalte haben Amazon
, Facebook, YouTube, Instagram, Pinterest , TikTok
und X (vormals Twitter) im vergangenen halben Jahr gelöscht oder eingeschränkt.
Das geht aus einer EU-Datenbank hervor, die von der EU-Kommission geschaffen
wurde. Hintergrund ist ein EU-Gesetz über digitale Dienste (Digital Service Act,
DSA), wonach große Online-Plattformen und Suchmaschinen solche Inhalte schneller
löschen und die Gründe dafür transparent machen müssen.

Konkret geben die Plattformen in der Datenbank an, welche Inhalte sie aus
welchem Grund gelöscht oder in der Sichtbarkeit eingeschränkt haben. Die Daten
können nach Kategorien wie Hassrede, Gewalt oder Pornografie gefiltert und
ausgewertet werden. Insgesamt waren im April mehr als 16 Milliarden Einträge von
16 großen Plattformen in der Datenbank zu finden. Neben großen sozialen
Netzwerken müssen auch Anbieter wie Zalando , Booking.com sowie
verschiedene Google -Dienste gelöschte oder eingeschränkte Inhalte
melden.

Plattformen melden sehr unterschiedlich

Dabei zeigt sich ein stark unterschiedliches Meldeverhalten der einzelnen
Plattformen. So entfallen mit mehr als 14 Milliarden Meldungen mit Abstand die
meisten auf Google Shopping. Das sind knapp 94 Prozent aller seit Ende September
gemeldeten Beiträge. Bei der Suchmaschine werde sehr umfassend gemeldet, sagt
Kommunikationsforscher Jakob Ohme vom Weizenbaum Institut, der umfassend zu
Desinformation forscht. "Die Kommission hat schon gesagt, dass sie diesen
Überhang korrigieren will."

Aber auch sonst zeigen sich Differenzen. Bei der Social-Media-Plattform
TikTok wurden seit der Einführung der Meldepflicht knapp 508 Millionen Beiträge
gemeldet und mehr als 348 Millionen Beiträge gelöscht. Das sind fast 70 Prozent
aller von TikTok gemeldeten Inhalte. Instagram meldete im ersten halben Jahr
rund 19 Millionen Beiträge. Komplett gelöscht wurden davon etwas mehr als 6,6
Millionen, knapp 35 Prozent. Bei der Online-Plattform X wurden im gleichen
Zeitraum laut Datenbank lediglich etwas mehr als 832 000 Inhalte gemeldet.
Gelöscht wurden davon - Stand Anfang April - nur 24 Beiträge. Bei Facebook
wurden bisher mehr als 148 Millionen Beiträge gemeldet. Davon wurde mit knapp 54
Millionen etwas mehr als ein Drittel gelöscht.

Spielraum bei Meldungen für Plattformen

Für Ohme hat das abweichende Meldeverhalten der Netzwerke mehrere Gründe:
"Erstens: Plattformen sind unterschiedlich aktiv bei der Inhaltsmoderation.
Zweitens: Plattformen nehmen die Meldepflicht unterschiedlich ernst." So befinde
sich die Plattform X gerade in einem Umbruch und sei "nicht dafür bekannt, sich
an Regulierungen zu halten, die nicht auch strikt durchgesetzt werden". TikTok
wiederum versuche "eine gute Figur zu machen".

Verbesserungsbedarf sieht auch Digitalisierung-Expertin Julia Kloiber, die
für das Tech-Think-Tank Superrr Lab arbeitet: "Aktuell gibt es einiges an
Spielraum, was Umfang, Genauigkeit und die Interpretation der Vorgaben angeht."
Dieser Spielraum erschwere die Vergleiche zwischen den Diensten. Zudem basiere
die Datensammlung nur auf Selbstauskünften der Plattformen. "Die Unternehmen
können in ihren Transparenzberichten viel behaupten. Wichtig ist, dass es auch
eine gründliche Prüfung der Angaben gibt."

EU-Kommission untersucht Einhaltung

Die gibt es laut EU-Kommission. Es liege zwar in der Verantwortung der
Plattformen, alle Entscheidungen zur Inhaltsmoderation unverzüglich zu
übermitteln. Die EU-Kommission könne bei dem Verdacht eines Verstoßes aber
Zugang zu Daten beantragen, um die Einhaltung der Transparenzvorschriften zu
überprüfen, hieß es auf Nachfrage von der Brüsseler Behörde. Schwankungen bei
gemeldeten Inhalten lägen an verschiedenen Strategien und unterschiedlichen
Inhalten auf den Plattformen.

Grundsätzlich laufen auf Grundlage des DSA bereits Untersuchungen, ob sich
unter anderem X und Tiktok an die DSA-Vorschriften halten und genug gegen die
Verbreitung illegaler Inhalte tun. Eine Entscheidung und damit auch mögliche
Strafen gibt es aber bisher nicht. Sollte die Kommission zu dem endgültigen
Schluss kommen, dass Anbieter gegen den DSA verstoßen, können Geldbußen von bis
zu sechs Prozent des weltweiten Jahresumsatzes verhängt werden.

Wichtige Entscheidungen für Demokratie und Gesellschaft

Kloiber bewertet die Datenbank insgesamt als "wichtigen Meilenstein", der
"Licht in die Black Box der online Dienste" bringt. "Wir haben in den letzten
Jahren gesehen, welche Auswirkungen die Moderation von Inhalten auf unsere
Demokratie und Gesellschaft hat - im Vorfeld von Wahlen muss sichergestellt
werden, dass Desinformation und gemeldete Inhalte gut und schnell moderiert
werden", fordert Kloiber. Auch bei der anstehenden Europawahl vom 6. bis 9. Juni
2024 ist die Beeinflussung auf Online-Plattformen eine Gefahr, wie das
Europäische Parlament bereits im vergangenen Jahr warnte.

Kloiber wünscht sich, "dass durch die Transparenz ein Wetteifern zwischen
den Plattformen beginnt, welche Plattform die höchsten Standards und die beste
Qualität bei der Moderation von Inhalten hat." Ohme hofft, "dass in einem Jahr
schon eine genauere und auch besser durchgesetzte Datenlage existiert, die
weitere Analysen und Aussagen erlaubt".

Klar ist, dass die Datenmenge künftig weiter wachsen wird. Seit 17. Februar
müssen alle Anbieter von Online-Plattformen, Suchmaschinen und Online-Diensten
mit Ausnahme kleiner Unternehmen Daten über ihre Entscheidungen zur
Inhaltsmoderation vorlegen. Noch fließen diese Daten nicht in die
Transparenzdatenbank. Doch auch diese sollen nach den Plänen der EU-Kommission
künftig auf der Website der DSA-Transparenzdatenbank verfügbar sein, wenn die
technischen Voraussetzungen geschaffen seien, sagte ein
Kommissionssprecher./jgl/DP/nas
Name WKN Börse Kurs Datum/Zeit Diff. Diff. % Geld Brief Erster Schluss
Amazon.com 906866 NASDAQ 180,705 29.04.24 21:52:26 +1,085 +0,60% 180,700 180,710 182,750 179,620
Meta Platforms A1JWVX NASDAQ 431,490 29.04.24 21:52:26 -11,800 -2,66% 431,430 431,550 439,560 443,290
ZALANDO SE ZAL111 Xetra 25,530 29.04.24 17:35:15 +0,230 +0,91% 0,000 0,000 25,560 25,300
Alphabet A14Y6H NASDAQ 168,010 29.04.24 21:52:26 -5,680 -3,27% 168,000 168,010 170,770 173,690
Pinterest A2PGMG NYSE 33,770 29.04.24 21:52:23 -0,190 -0,56% 33,760 33,770 33,820 33,960

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