19.12.2023 08:15:04 - dpa-AFX: HINTERGRUND: Hotels in Deutschland - Krise ohne Ende?

IMMENSTAAD (dpa-AFX) - Normalerweise ist Michael Heinzler ein sehr
optimistischer Mensch. Doch das kommende Jahr besorgt den Hotelbesitzer aus
Immenstaad am Bodensee. Der 51-Jährige wird die Preise in seinem Hotel um 16 bis
18 Prozent erhöhen. Die Inflation, gestiegene Betriebskosten und die Rückkehr in
der Gastronomie zu einer Mehrwertsteuer von 19 statt 7 Prozent würden die Preise
in die Höhe treiben.

Wie die Gäste auf die Preissteigerungen ab dem 1. Januar reagieren würden,
könne er nicht sagen. "Die Situation gab es noch nie", sagt Heinzler, der in
seinem Haus mit 34 Zimmern und Suiten am Seeufer ein Angebot für große und
kleinere Geldbeutel liefern will.

"Herausfordernde Zeiten"

So wie dem Hotelier am Bodensee geht es gerade vielen in Deutschland. "Es
sind herausfordernde Zeiten", sagt Tobias Warnecke, Geschäftsführer des
Hotelverbandes Deutschland. In der Pandemie habe die Branche in den Abgrund
geschaut. Langsam sei es aufwärtsgegangen, doch dann sei der Ukraine-Krieg
gekommen. "Wir sind von der einen Krise in die nächste gerutscht."

Nach heftigen Einbrüchen 2020 und 2021 hinkt die Branche bei den Umsätzen
noch immer dem Vor-Krisen-Niveau hinterher. Hotels und andere
Beherbergungsunternehmen verzeichneten nach Angaben des Statistischen Bundesamts
in den ersten drei Quartalen des Jahres preisbereinigt im Vergleich zum
Vorkrisenzeitraum ein Minus von 6,7 Prozent. Bei den Gästeübernachtungen
näherten sich die Betriebe in diesem Jahr dem Vor-Corona-Niveau wieder an. Im
Mai und September lag die Branche sogar über den Werten von 2019. Die
Rentabilität in der Hotellerie sei schon immer relativ gering gewesen, sagt
Warnecke. "Es blieb nie wirklich viel über."

Stephanie Zarges-Vogel vom Hotelberatungsunternehmen Zarges von Freyberg
sagt, es sei durchaus möglich, schwarze Zahlen zu schreiben. Aber man müsse sich
daran gewöhnen, dass trotz gestiegener Umsätze beim Ergebnis nicht unbedingt
viel mehr herauskommt. Die Marge habe sich wegen der deutlich gestiegenen Kosten
deutlich nach unten verschoben.

"Noch nie so schwer planbar"

Die Hotellerie sei stark von Unsicherheit und schwerer Planbarkeit geprägt,
sagt Zarges-Vogel. "Ich glaube, es war noch nie so schwer planbar." Schwierig
hätten es künftig Hotels ohne klares Konzept und ohne starke Positionierung.
Auch für Hotels im mittleren Bereich werde es schwierig. "Günstig und sehr teuer
funktioniert, aber die Mitte ist schwierig darstellbar", sagt Zarges-Vogel.

Das Preis-Leistungs-Verhältnis sei in Deutschland schon immer sehr gut
gewesen, heißt es vom Geschäftsführer des Hotelverbands. Es sei schon immer
schwierig gewesen, angemessene Preise zu erzielen, weil Deutsche sehr
preissensibel seien. Für sinkende Preise sehe er momentan keine Spielräume.

Beraterin Zarges-Vogel argumentiert: "Eine gewisse Leistung hat einfach
ihren Preis." Es müsse im Bewusstsein der Gäste noch besser verankert werden,
dass sie "nicht auf dem Ramschmarkt" unterwegs sein könnten, wenn sie eine
gewisse Leistung erwarteten. "Im Konsumgüterbereich ist das ganz
selbstverständlich und bei Reisen, glaube ich, werden wir uns daran gewöhnen
müssen."

Preissensible Gäste

Die Bedürfnisse der Gäste stiegen, und mit den höheren Preisen würden diese
auch sensibler, sagt die Beraterin. Individualität sei deshalb ganz wichtig. Das
beginne bei den kleinen Dingen am Frühstücksbuffet, etwa mit regionalen
Produkten. Aber auch beim Design oder der Ausstattung des Hotels, indem man sich
Dinge überlege, die der Gast nicht überall finde. Oder beim Service etwa mit
einer persönlichen Atmosphäre. "So kann man Alleinstellungsmerkmale aufbauen,
die Hotelketten niemals haben werden."

Hotelier Heinzler profitiert von seiner Lage in der Tourismus- und
Ferienregion Bodensee. Die Stadt- und Geschäftshotellerie leide stärker unter
den Corona-Folgen als die Ferien-Hotellerie, sagt Verbandsgeschäftsführer
Warnecke. Die touristische Nachfrage habe sehr viel schneller wieder angezogen.

Schwierige Nachfolgersuche

Ein weiteres Problem: Viele Hotelbesitzer sind laut Warnecke nicht mehr die
Jüngsten und finden keinen Nachfolger. In die entstehende Lücke drängten
Hotelketten. Wenn ein Platz frei werde, verdrängten diese die Privathotellerie.
Hotelier Heinzler hofft hingegen, dass sein Familienbetrieb in vierter
Generation von den eigenen Kindern übernommen wird.

Was die Suche nach einem Nachfolger erschwert: Hoteliers müssen sich laut
Warnecke mit viel lästiger Bürokratie beschäftigen. Große Hotelgesellschaften
hätten entsprechende Strukturen oder ganze Abteilungen, die alles regelten.
Andererseits seien kleine Privathotels schneller und könnten viel besser auf
neue Marktgegebenheiten reagieren.

Heinzler blickt derweil auf den grauen Bodensee hinaus. Seine Stimmung sei
nicht ganz so trüb. Er und viele seiner Kollegen seien aber verunsichert. Der
Standort lasse ihn hoffen. "Der Bodensee hat sich in den letzten Jahren super
entwickelt", sagt er mit Blick auf die Übernachtungszahlen. Er wäre schon
zufrieden, wenn er trotz der Preissteigerungen das Niveau halten könne.

Eine Prognose des Hotelverbands könnte ihm Hoffnung machen: Der Verband geht davon aus, im kommenden Jahr etwa die Gästezahlen und Umsätze von 2023 zu
erreichen./bak/DP/stk
Name WKN Börse Kurs Datum/Zeit Diff. Diff. % Geld Brief Erster Schluss
ACCOR SA INH. EO 3 860206 Xetra 41,920 15.05.24 17:35:55 +0,510 +1,23% 41,790 41,930 41,370 41,920
MARRIOTT INTL A DL-,01 913070 Frankfurt 216,050 16.05.24 08:03:39 -0,950 -0,44% 216,300 217,850 216,050 217,000
NH HOTEL GROUP SA NOM.EO2 853615 Frankfurt 4,290 16.05.24 08:20:12 +0,095 +2,26% 4,300 4,340 4,290 4,195
HYATT HOTELS CL. A DL-,01 A0YAKV Frankfurt 137,000 16.05.24 08:03:39 -1,900 -1,37% 137,150 137,350 137,000 138,900
HILTON WORLD.HDGS DL -,01 A2DH1A Frankfurt 186,550 16.05.24 08:15:14 -1,550 -0,82% 186,550 189,750 186,550 188,100

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