10.05.2024 06:30:04 - dpa-AFX: ROUNDUP: Selenskyj will baldige EU-Beitrittsgespräche - Die Nacht im Überblick

MOSKAU/KIEW (dpa-AFX) - Während Russland mit einer Militärparade
Erinnerungen an die Sowjetunion aufleben lässt, hat die ukrainische
Staatsführung am Europatag das Streben des Landes in die EU bekräftigt.
Präsident Wolodymyr Selenskyj warb einmal mehr für einen schnellen Beitritt der
Ukraine zur Europäischen Union. "Unser Staat, unser Volk haben es verdient, und
auch die Europäische Union braucht diesen Schritt ? nicht nur politisch", sagte
Selenskyj am Donnerstag in seiner täglichen Videoansprache. Die EU beziehe ihre
Kraft auch daraus, niemanden vor der Tür sitzen zu lassen, der an die
europäischen Werte glaube. Kiew baue darauf, dass im Juni die eigentlichen
Beitrittsverhandlungen beginnen werden. Es wird erwartet, dass die EU-Mitglieder
nach der Europawahl im Juni über einen möglichen Beginn der Gespräche
entscheiden.

Selenskyj bedankte sich in seiner Botschaft auch bei der Präsidentin des
Europaparlaments Roberta Metsola. Dass sie am Europatag nach Kiew gereist sei,
um ihre Unterstützung für das Land zu demonstrieren, sei ein wichtiges Signal.
Er habe mit Metsola über politische, aber auch militärische Hilfe für die
Ukraine gesprochen.

Dass die gemeinsame Pressekonferenz durch einen von Russland verschuldeten
Luftalarm unterbrochen werden musste, zeugt nach Darstellung Selenskyjs davon,
dass Moskau im Gegensatz zu Brüssel nur Gewalt anzubieten habe. Er deutete an,
dass Russland weitere militärische Vorstöße vorbereite. Die Ukraine werde aber
darauf antworten, kündigte er an.

Selenskyj will mit westlichen Waffen Initiative zurückerlangen

Seiner Einschätzung nach werde die Ukraine mit Ankunft der westlichen Waffen die Initiative an der Front zurückerlangen, sagte Selenskyj bei einer
Pressekonferenz mit Metsola in Kiew. Derzeit seien die russischen Streitkräfte
im Osten der Ukraine in der Offensive, das sei kein Geheimnis. "Sobald die
Waffenlieferungen ankommen, stoppen wir ihre Initiative", versprach Selenskyj.
Um die Oberhand zu gewinnen, brauche sein Militär "etwas Kräftiges". Die
Pressekonferenz im Freien vor dem Präsidialamt musste kurz darauf wegen des
Luftalarms abgebrochen werden.

Laut Selenskyj bereitet das russische Militär derzeit eine Großoffensive
vor. Dazu würden Kräfte im Norden und Osten der Front gesammelt. Trotzdem laufe
bei den Russen längst nicht alles so gut, wie sie glaubten. "Es ist nicht so,
dass ich damit Ihre Stimmung heben will. Das ist die Realität", versicherte
Selenskyj bei dem Auftritt.

Deutschland kauft in den USA Raketenartillerie für die Ukraine

Einer der wichtigsten Unterstützer der Ukraine - auch im militärischen
Bereich - ist Deutschland. Und Berlin legt nun noch einmal nach. Die
Bundesregierung werde die Lieferung von drei weiter reichenden
Raketenartilleriesystemen aus den USA an die Ukraine bezahlen, sagte
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) in Washington nach Gesprächen mit
seinem Amtskollegen Lloyd Austin. "Die stammen aus Beständen der US-Streitkräfte
und werden von uns bezahlt." Die Systeme kosten einen höheren zweistelligen
Millionenbetrag.

Russland hatte zuletzt verärgert auf die Waffenlieferungen und die
Unterstützungsbekundungen des Westens an die Ukraine reagiert. Präsident
Wladimir Putin ordnete eine Atom-Übung an, die - wie auch die Militärparade auf
dem Roten Platz - weithin als Machtdemonstration des Kremls wahrgenommen wurde.
Immer wieder wurden aus Moskau auch Drohungen laut, die Atomwaffen im Notfall
einzusetzen.

Der ukrainische Justizminister Denys Maljuska sagte am Rande eines
G7-Justizministertreffens in Venedig: "Dies sind leere Drohungen, die sich an
ein westliches Publikum richten, nicht an die Ukraine." Das Ganze habe keinen
militärischen Nutzen und wäre für Russland selbst zerstörerisch, weil es durch
einen Atomwaffeneinsatz einige Verbündete verlieren würde.

Selenskyj entlässt Chef der Leibgarde

Nach angeblich vereitelten Anschlagsplänen gegen ihn entließ Selenskyj den
Chef seiner Leibgarde, Serhij Rud. Das berichteten am Donnerstag mehrere
ukrainische Medien übereinstimmend unter Berufung auf ein Präsidentendekret. Der
Grund für die Entlassung wurde nicht genannt. Am Dienstag hatte allerdings der
ukrainische Geheimdienst SBU die Aufdeckung von russischen Anschlagsplänen gegen
Selenskyj bekannt gegeben. Dabei wurden auch zwei hochrangige Offiziere aus dem
Staatsschutz festgenommen. Das ist die Abteilung, die Rud führte.

Was am Freitag wichtig wird

In Moskau erwarten Beobachter am Freitag die Ernennung des Regierungschefs.
Nachdem Präsident Putin am Dienstag offiziell seine fünfte Amtszeit angetreten
hat, ist die Regierung erwartungsgemäß zurückgetreten, um dem Kremlchef freie
Hand bei der Neubesetzung des Kabinetts zu lassen. Die meisten Experten gehen
aber davon aus, dass Regierungschef Michail Mischustin seinen Posten
behält./bal/DP/stk

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