10.05.2024 06:28:41 - dpa-AFX: ROUNDUP: Israel setzt Kämpfe in Rafah fort - Die Nacht im Überblick

WASHINGTON/TEL AVIV/GAZA (dpa-AFX) - Israel will sich auch durch wachsenden
Druck seines engsten Verbündeten USA nicht von seinem Kriegskurs im Gazastreifen
abbringen lassen. "Wenn wir für uns alleine stehen müssen, dann werden wir für
uns alleine stehen", sagte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu in einer am
Donnerstag veröffentlichten Videobotschaft. Sein Armeesprecher Daniel Hagari
sagte, man verfüge über genügend Waffen und Munition, um den Einsatz in der
Stadt Rafah fortzusetzen. Die US-Regierung hatte gedroht, Waffenlieferungen im
Falle einer großangelegten Invasion in der mit Flüchtlingen überfüllten Stadt
einzuschränken. Nun appellierte sie erneut an Israel, von einer umfassenden
Bodenoffensive in der an Ägypten grenzenden Stadt im Süden Gazas abzusehen und
so auch eine Beschränkung amerikanischer Waffenlieferungen abzuwenden.

Palästinenser wollen Rückhalt für UN-Mitgliedschaft sichern

Die Vollversammlung der Vereinten Nationen soll unterdessen an diesem
Freitag über eine Stärkung der Rechte der Palästinenser innerhalb des größten
UN-Gremiums abstimmen. Der Resolutionsentwurf räumt dem bisherigen
Beobachterstaat Palästina eine aktive Teilnahme an den Sitzungen der
Vollversammlung ein, gibt ihm aber kein reguläres Stimmrecht. Die Palästinenser
wollen sich mit der Beschlussvorlage gleichzeitig weltweiten Rückhalt für eine
UN-Vollmitgliedschaft sichern. Vor dem Hintergrund des Gaza-Krieges handelt es
sich bei dem Vorstoß in der UN-Vollversammlung mit ihren 193 Mitgliedstaaten in
New York auch um ein internationales Stimmungsbild zum Nahostkonflikt.
Diplomatinnen und Diplomaten gehen davon aus, dass die Resolution die notwendige
Mehrheit von zwei Dritteln aller abgegebenen Stimmen locker erreicht - und das
Ergebnis auch internationale Rückendeckung für die Palästinenser angesichts der
jüngsten Eskalation im Nahostkonflikt widerspiegeln dürfte.

Israels Armee fliegt nach Beschuss Luftangriffe im Libanon

Derweil hat das israelische Militär nach wiederholten Drohnenangriffen auf
den Norden Israels nach eigenen Angaben Stellungen der proiranischen
Hisbollah-Miliz im Süden des Libanons attackiert. Wie die israelische Armee in
der Nacht zum Freitag mitteilte, griffen Kampfflugzeuge dort militärische
Gebäude und "terroristische Infrastruktur" an. Die Angaben der Armee konnten
nicht unabhängig überprüft werden. Seit Beginn des Gaza-Krieges kommt es in dem
Grenzgebiet täglich zu militärischen Konfrontationen mit der Hisbollah und
anderen Gruppierungen. Todesopfer gab es auf beiden Seiten. In Ortschaften
beidseits der Grenze hat der gegenseitige Beschuss schwere Zerstörungen
angerichtet. Rund 150 000 Menschen wurden evakuiert oder verließen die
Kampfzone.

Einsatz in Rafah geht weiter

Währenddessen dauert Israels Einsatz in Rafah an. Seit Beginn des
Vormarsches im östlichen Teil der Stadt in der Nacht zum Dienstag seien etwa 50
bewaffnete Männer von Israels Truppen getötet worden, berichtete die "Times of
Israel". Das Militär bestätigte den Bericht. Nach Armee-Schätzungen wurden etwa
150 000 Menschen aus dem Ostteil Rafahs evakuiert. Der Einsatz in Rafah zielt
nach Angaben Netanjahus darauf ab, die verbliebenen Geiseln zu befreien und die
letzten Bataillone der Hamas in der Stadt zu zerschlagen. Der Einsatz befeuerte
jedoch Sorgen, dass dies der Beginn einer Großoffensive sein könnte. In Rafah
sollen sich noch mehr als eine Million Binnenflüchtlinge aufhalten. Die "Times
of Israel" berichtete indes, dass die Armee angesichts der laufenden
Geisel-Verhandlungen derzeit nicht vorhabe, den Aufruf zur Evakuierung auf
andere Gebiete von Rafah auszuweiten.

Verhandlungen über Waffenruhe sollen weitergehen

Die in Kairo laufenden indirekten Verhandlungen über eine Waffenruhe und
eine Freilassung von Geiseln wurden am Donnerstag unterbrochen. Die Zeitung "New
York Times" sprach von einem Rückschlag, nachdem es zuletzt Anzeichen für eine
mögliche baldige Einigung gegeben habe. Nach Aussagen eines Beamten soll es
unter Teilnehmern der Gespräche wütende Reaktionen auf den Vorstoß der
israelischen Armee in Rafah gegeben haben. Gleichwohl gingen die Unterhändler
davon aus, dass weder die islamistische Hamas noch Israel die über die
Vermittler Ägypten, Katar und die USA laufenden Verhandlungen abbrechen werden.
Auch nach Angaben der US-Regierung gehen die Gespräche weiter. Der Chef des
US-Auslandsgeheimdienstes CIA, William Burns, sei zwar abgereist. Das sei jedoch
so geplant gewesen. Auch das Team der Hamas verließ Kairo nach eigenen Angaben
Richtung Katar.

Temporärer Hafen vor Gaza-Küste fast fertig

Unterdessen hat das US-Militär den Bau eines temporären Hafens zur Lieferung von Hilfsgütern vor der Küste des Gazastreifens nach eigenen Angaben fast
abgeschlossen. Eine schwimmende Anlegestelle und ein weiterer Damm seien
fertiggestellt worden, sagte der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, Pat
Ryder, am Donnerstag. Beide Teile würden "in naher Zukunft" in Stellung
gebracht, sofern die Sicherheitslage und das Wetter es zuließen. Ein US-Frachter
mit Hunderten Tonnen Hilfsgütern war zuvor aus dem Hafen von Larnaka auf Zypern
ausgelaufen. Laut Ryder soll die Fracht nahe der israelischen Hafenstadt Aschdod
auf ein anderes Schiff verladen und mit diesem zum schwimmenden Pier gebracht
werden, sobald der in Betrieb sei.

UN-Palästinenserhilfswerk schließt Sitz in Jerusalem

Derweil sollen israelische Bewohner von Ost-Jerusalem am Donnerstagabend
nach UN-Angaben zweimal Feuer auf dem Gelände des UN-Palästinenserhilfswerks
(UNRWA) gelegt haben. "Angesichts dieses zweiten entsetzlichen Vorfalls in
weniger als einer Woche habe ich beschlossen, unser Gelände zu schließen, bis
die Sicherheit wiederhergestellt ist", schrieb der Chef des UN-Hilfswerks,
Philippe Lazzarini, auf der Online-Plattform X. Es sei niemand verletzt worden,
das Feuer habe aber erhebliche Schäden im Außenbereich verursacht. Es habe eine
Weile gedauert, bis die israelische Feuerwehr eingetroffen sei. Lazzarini
bezeichnete den Vorfall als "ungeheuerliche Entwicklung". Die Angaben ließen
sich nicht unabhängig überprüfen.

Die israelische Regierung kritisiert das UN-Palästinenserhilfswerk seit
geraumer Zeit scharf und wirft ihm vor, im Gazastreifen von der Hamas
unterwandert zu sein. Im Januar geriet UNRWA in die Schlagzeilen, weil Israel
behauptete, dass zwölf Mitarbeiter in die verheerenden Terrorakte der Hamas vom
7. Oktober verwickelt gewesen seien. Ein Untersuchungsbericht unabhängiger
Experten kam kürzlich zum Schluss, das Hilfswerk habe eine Reihe "robuster"
Mechanismen etabliert, um die Wahrung des Neutralitätsgrundsatzes zu
gewährleisten. Allerdings gebe es Verbesserungsbedarf./ln/DP/stk

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