06.05.2024 06:00:03 - dpa-AFX: ROUNDUP: Drei Soldaten bei Hamas-Angriff getötet - Nacht im Überblick

TEL AVIV/GAZA (dpa-AFX) - Während die Verhandlungen für eine Waffenruhe
stocken, hat die Islamistenorganisation Hamas bei einem Raketenangriff auf einen
Grenzübergang zum Gazastreifen drei israelische Soldaten getötet. Elf weitere
Angehörige der Streitkräfte erlitten im südisraelischen Kerem Shalom
Verletzungen, erklärte ein Sprecher des Militärs am Sonntagabend.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock verurteilte den Raketenangriff scharf.
Derweil will CIA-Chef William Burns im Bemühen um eine Waffenruhe an diesem
Montag Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu treffen. Das Treffen diene
dazu, den Druck der USA vor allem auf Netanjahu zu erhöhen, schrieb die
israelische Zeitung "Haaretz".

Der militärische Arm der Terrororganisation Hamas reklamierte den
Raketenangriff für sich. Ziel seien israelische Truppen gewesen, hieß es in
einer Mitteilung der Kassam-Brigaden. Auf den gleichnamigen Grenzübergang waren
demnach zehn Raketen aus dem Gazastreifen abgefeuert worden. Kerem Schalom ist
der wichtigste Grenzübergang für die Lieferung von Hilfsgütern aus Israel in den
Gazastreifen. Die Armee schloss ihn nach dem Raketenangriff vorübergehend für
humanitäre Transporte. Das Militär bombardierte im Anschluss nach eigenen
Angaben im Gazastreifen den Ort in der Nähe des Grenzübergangs Rafah zu Ägypten,
von dem der Angriff ausgegangen war.

Im Rahmen der Militäreinsätze im Gazastreifen sind israelischen
Medienberichten zufolge seit Kriegsbeginn inzwischen 266 Soldatinnen und
Soldaten getötet worden. Der Angriff vom Sonntag stach jedoch heraus, weil es
der Hamas gelungen war, einen folgenschweren Angriff gegen das Militär auf
israelischem Boden durchzuführen.

Baerbock: Hamas zeigt ihr wahres Gesicht

Bundesaußenministerin Baerbock sagte am Montag während ihres Besuchs im
pazifischen Inselstaat Fidschi: "Der Beschuss eines der wichtigsten Zugänge für
humanitäre Hilfe zeigt erneut, dass die humanitäre Versorgung der Menschen in
Gaza den Terroristen der Hamas vollkommen egal ist." Die Islamistenorganisation
zeige damit erneut ihr wahres Gesicht. Es sei ihr nie um die Menschen in Gaza
gegangen. "Das Schicksal der Menschen in Gaza ist den Terroristen vollkommen
egal." Für Deutschland gelte das Gegenteil. Der Angriff mache zudem deutlich: Je
mehr humanitäre Hilfe nach Gaza reinkomme, desto mehr werde die Hamas
demaskiert.

Indirekte Verhandlungen ohne greifbare Ergebnisse

Am Sonntag war eine weitere Runde der indirekten Verhandlungen über eine
Waffenruhe zwischen Delegierten der islamistischen Hamas sowie ägyptischen und
katarischen Vermittlern in Kairo ohne greifbare Ergebnisse zu Ende gegangen.
CIA-Direktor Burns hatte die Gespräche begleitet. Ägypten, Katar und die USA
treten bei den Bemühungen um eine Beendigung des Gaza-Kriegs als Vermittler auf.

Die Hamas teilte am Sonntag über ihren Telegram-Kanal mit, ihre Delegation
habe eine Antwort auf die Vorschläge der Vermittler überbracht und sie mit den
Vertretern Ägyptens und Katars erörtert. Die Delegierten reisten am Sonntagabend
aus Kairo ab und wollten sich mit den Führern der Organisation in Katar beraten.
Auf dem Tisch liegt ein Vorschlag der Vermittler, der eine mehrstufige Abmachung
zwischen Israel und der Hamas vorsieht. Diese soll zur Freilassung der
israelischen Geiseln, die in der Gewalt der Hamas sind, der Freilassung
palästinensischer Häftlinge aus israelischen Gefängnissen sowie zu einer
Beendigung des Gaza-Kriegs führen.

Auslöser des Gaza-Kriegs war das beispiellose Massaker mit mehr als 1200
Toten, das Terroristen der Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober in Israel
verübt hatten. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und einer
Bodenoffensive. Wegen der hohen Zahl ziviler Opfer und der katastrophalen Lage
im Gazastreifen steht Israel international in der Kritik.

Verhärtete Fronten

Die Hamas betonte in ihrer Mitteilung vom Sonntag, dass sie die
Verhandlungen "im positiven Geist und verantwortungsvoll" führe. Allerdings sind
die Fronten verhärtet. Die Islamisten beharren auf einem Abkommen, in dem sich
Israel von vornherein zur Beendigung des Krieges und zum vollständigen Abzug
seiner Truppen aus dem Gazastreifen verpflichtet. Israel lehnt aber eine
derartige Verpflichtung ab und möchte sich weitere militärische
Handlungsmöglichkeiten vorbehalten.

Netanjahu hatte am Wochenende mehrere Erklärungen abgegeben, in denen er
sich kompromisslos zeigte. So sagte er, Israel werde selbst dann die Stadt Rafah
im Süden des Gazastreifens angreifen, wenn ein Geisel-Deal zustande käme. Die
USA, Israels wichtigster Verbündeter, lehnen eine Offensive in dem Ort an der
Grenze zu Ägypten ab, solange Israel nicht plausibel darstellen kann, wie es
zuvor Hunderttausende Binnenflüchtlinge in Sicherheit bringt, die sich dort
drängen. Das machte auch US-Verteidigungsminister Lloyd Austin in einem
Telefonat am Sonntag mit seinem israelischen Kollegen Joav Galant erneut
deutlich. Darüber hinaus betonte er die Verpflichtung der USA, Israels
Verteidigung zu unterstützen.

Netanjahu sagte aus Anlass des Holocaust-Gedenktages am Montag weiter:
"Während des furchtbaren Holocausts gab es wichtige Staatenlenker, die abseits
standen. Die erste Lektion aus dem Holocaust ist deshalb: wenn wir uns nicht
selbst verteidigen, wird uns niemand anders verteidigen. Und wenn wir für uns
alleine stehen müssen, dann werden wir für uns alleine stehen."

Al-Dschasira-Verbot in Israel

Unterdessen schloss Israel den arabischen TV-Sender Al-Dschasira im Land.
Inspektoren des Kommunikationsministeriums und Polizisten durchsuchten am
Sonntag das Al-Dschasira-Büro im Hotel Ambassador in Ost-Jerusalem. Dabei seien
Fernsehausrüstungen beschlagnahmt worden, bestätigte das Ministerium. Die
israelischen Kabel- und Satellitennetzanbieter nahmen zudem den Sender demnach
aus ihren Angeboten, der Zugriff auf seine Internet-Seiten wurde gesperrt. Zuvor
hatte die Regierung einstimmig beschlossen, die Tätigkeit der Fernsehanstalt in
Israel zu untersagen, wie das Regierungspresseamt mitteilte.
"Al-Dschasira-Korrespondenten haben der Sicherheit Israels geschadet und gegen
israelische Soldaten gehetzt", sagte Netanjahu der Mitteilung zufolge. Es sei an
der Zeit, "das Sprachrohr der Hamas aus dem Land zu werfen".

Israel wirft Sender Voreingenommenheit vor

Al-Dschasira berichtete seit Beginn des Krieges ausführlich über die
katastrophale Lage im Gazastreifen und zeigte Bilder von Tod und Zerstörung, die
in israelischen TV-Sendern kaum zu sehen sind. Der Sender zeigt auch regelmäßig
Videos des militärischen Arms der Hamas von Angriffen auf israelische Soldaten.
Die Vorwürfe der Voreingenommenheit wies der Sender zurück. Man werde mit allen
Mitteln gegen den Schritt vorgehen. Al-Dschasira wurde 1996 in Doha gegründet
und galt als einer der ersten arabischen TV-Sender, der auch kritische Berichte
über die Region veröffentlichte.

Die Vereinten Nationen betonten angesichts der Schließung die Bedeutung der
Pressefreiheit. "Wir stehen fest gegen jede Entscheidung, die Pressefreiheit
zurückzufahren", sagte ein UN-Sprecher am Sonntag in New York. "Die freie Presse
leistet einen Dienst von unschätzbarem Wert, um sicherzustellen, dass die
Öffentlichkeit informiert und engagiert ist."/edr/le/gm/DP/zb

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