01.05.2024 22:04:41 - dpa-AFX: POLITIK/ROUNDUP 2: Mehr als 20 000 bei linken Demos - bisher wenig Vorfälle

(aktualisierte Fassung)

BERLIN/HAMBURG/STUTTGART (dpa-AFX) - Mehr als 20 000 Menschen haben sich am
1. Mai an linken und linksextremen Demonstrationen beteiligt, vor allem in
Berlin und Hamburg. Befürchtete Ausschreitungen und Krawalle blieben dort bis
zum Abend zunächst aus. Die Polizei stand jeweils mit einem Großaufgebot von
mehreren Tausend Einsatzkräften parat. In Stuttgart wurde nach Zwischenfällen
allerdings eine Demonstration aufgelöst. Daneben gab es am Tag der Arbeit die
traditionellen Demonstrationen der Gewerkschaften für mehr soziale
Gerechtigkeit.

In den vergangenen Jahren war es zwar auch bei den Demonstrationen der
linken Szene in Berlin und Hamburg überwiegend ruhig geblieben, jedenfalls im
Vergleich zu den Krawallen früherer Zeiten. Befürchtet wurde dieses Jahr aber,
dass es vor dem Hintergrund der Spannungen um den Gaza-Krieg propalästinensische
Aktionen geben könnte, mit möglicherweise verbotenen Slogans gegen Israel, die
in Gewalt ausarten könnten.

Berlin: Polizei entdeckte vorher Steindepots

In Berlin zogen bei der abendlichen sogenannten Revolutionären 1.-Mai-Demo
laut Polizei rund 11 600 Menschen durch die Stadtteile Kreuzberg und Neukölln.
Die linken und linksradikalen Veranstalter sprachen auf der Onlineplattform X
von 25 000 bis 30 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Auf die arabisch geprägte
Sonnenallee in Neukölln hatte die Polizei ein besonderes Augenmerk gerichtet,
nachdem es dort nach dem Terrorangriff der islamistischen Hamas auf Israel am 7.
Oktober 2023 Freudenkundgebungen und auch danach immer wieder
propalästinensische Aktionen gegeben hatte.

Bei der Demonstration waren dann auch Palästina-Fahnen und große
Anti-Israel-Plakate zu sehen. Unter anderem war zu lesen "Keine Waffen für
Israel" oder "Free Palestine". Auch aggressive Anti-Polizei-Sprechchöre waren zu
hören. Auf dem Dach eines Gebäudes und im Demonstrationszug wurde
Bengalo-Feuerwerk gezündet. Die Polizei hielt sich zurück. Sie hatte nach
Hinweisen von Anwohnern an der Strecke nachmittags bereits Steindepots entdeckt
und gesichert.

Im Vorfeld hatten Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und
Innensenatorin Iris Spranger (SPD) betont, dass die Polizei bei Straftaten
konsequent einschreite. Dazu zählen auch verbotene Slogans. "Das, was rechtlich
erlaubt ist, wird auch eingesetzt, um Straftaten zu unterbinden", hatte Wegner
gesagt.

Tagsüber waren in der Hauptstadt bereits mindestens 4000 Menschen dem
satirischen Aufruf zur "Razzia im Villenviertel" des Stadtteils Grunewald
gefolgt. Insgesamt gab es 19 Versammlungen. Die Polizei begleitete sie mit 5600
Kräften, auch aus anderen Bundesländern.

Berlin: Politisches Motiv bei mutmaßlichem Brandanschlag nicht
ausgeschlossen

Nach einem mutmaßlichen Brandanschlag auf Transporter eines großen
Versandhändlers in Berlin-Reinickendorf am frühen Morgen tauchte ein
Bekennerschreiben auf, wie die Polizei bestätigte. Ein politisches Tatmotiv sei
nicht ausgeschlossen. Zuvor hatte der "Tagesspiegel" berichtet. 16 Fahrzeuge
wurden durch Feuer oder Hitze beschädigt.

Hamburg: Polizei zieht positive Bilanz

In Hamburg gingen rund 9000 Menschen - und damit rund 4000 mehr als im
vergangenen Jahr - mit linken und linksextremen Gruppen auf die Straße.
Polizeisprecherin Sandra Levgrün resümierte: "Die Demonstrationen an diesem
sonnigen Tag zeichneten sich durch friedliche und verantwortungsvolle
Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus, sodass die Polizei Hamburg eine sehr
positive Bilanz zieht."

Als letzte von insgesamt drei linken und linksextremen Demonstrationen ging
am Abend die dortige Revolutionäre 1.-Mai-Demo des vom Verfassungsschutz als
gewaltorientiert eingestuften Roten Aufbaus zu Ende. In der Spitze nahmen daran
nach Polizeiangaben 1800 Menschen teil. Vereinzelt sei Pyrotechnik gezündet
worden, hieß es. Größere Zwischenfälle habe es aber nicht gegeben.

Die nach Polizeiangaben mit rund 6000 Teilnehmern größte Demonstration war
schon zuvor durch die Nobel-Stadtteile Pöseldorf und Harvestehude gezogen. Dazu
aufgerufen hatte das Umverteilungsbündnis "Wer hat, der gibt". Bereits am
Nachmittag zogen laut Polizei 1350 Menschen mit dem anarchistischen Bündnis
"Schwarz-Roter 1. Mai" durchs Schanzenviertel. Als der Zug am linksautonomen
Zentrum Rote Flora vorbeikam, wurden auf dem Dach Feuerwerkskörper und
Nebeltöpfe gezündet. Insgesamt sei der Aufzug aber friedlich verlaufen, sagte
ein Polizeisprecher.

In der Hansestadt waren 1800 Beamte im Einsatz. Wasserwerfer, Räumpanzer und die Reiterstaffel standen bereit. In der Luft kreisten Hubschrauber.

Stuttgart: Polizei löst Demonstration auf

In Stuttgart wurde eine Demonstration der linken Szene nach Angriffen auf
Einsatzkräfte beendet, wie die Polizei auf X mitteilte. Die Beamten hätten
Pfefferspray und Schlagstöcke eingesetzt. Die Demonstration richtete sich nach
Polizeiangaben "gegen Sozialabbau", setzte sich "für eine solidarische
Gesellschaft" ein und sei von einer Einzelperson angemeldet worden. Es sei zu
"massiven Straftaten und Auflagenverstößen" gekommen.

Queer-feministische Demos gegen Kapital und Patriarchat

Die linksextremen Aufzüge hatten in der Walpurgisnacht mit
queer-feministischen Demonstrationen sowohl in Berlin als auch Hamburg begonnen.
Unter dem Motto "Take back the Night" beteiligten sich laut Polizei in
Berlin-Friedrichshain bis zu 2800 vorwiegend weibliche Demonstrierende und in
Hamburg-St. Pauli rund 900. In Berlin wurden acht Menschen vorläufig
festgenommen. In Hamburg gab es keine größeren Zwischenfälle./lw/DP/he

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