01.05.2024 15:14:21 - dpa-AFX: ROUNDUP 2: DGB-Chefin kritisiert Tarifflucht von Unternehmen - Milliardenschaden

(neu: mehr Details und Hintergrund)

HANNOVER/BERLIN/ERFURT (dpa-AFX) - Am Tag der Arbeit haben die
Gewerkschaften in Deutschland für soziale Gerechtigkeit, faire Löhne und
Arbeitnehmerrechte gekämpft. Die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes,
Yasmin Fahimi, forderte bei der Hauptkundgebung in Hannover bessere Bedingungen
für Beschäftigte. Sie kritisierte die Tarifflucht von Arbeitgebern, die einen
volkswirtschaftlichen Schaden von 130 Milliarden Euro jährlich anrichte.
"Tarifverträge machen Beschäftigte zu freien Menschen in der Arbeitswelt." Mehr
Lohn, faire Bezahlung und geregelte Arbeitszeiten seien das gute Recht der
Beschäftigten, sagte Fahimi, die ein Bundestariftreuegesetz forderte.

Die Vorsitzende der IG Metall, Christiane Benner, nannte Investitionen "das
Gebot der Stunde". Gewerkschaften und ihre Mitglieder müssten sich immer
häufiger gegen die Verlagerung von Arbeitsplätzen und Abbaupläne wehren. Die
Investitions- und Strategielosigkeit der Unternehmen werde immer
offensichtlicher. "Kurzsichtige Abbaupläne und mangelndes Vertrauen in den
Industriestandort und seine Beschäftigten sind feige", sagte Benner in Erfurt.
"Das schwächt nicht nur die Beschäftigten und die Wirtschaft, sondern ist auch
gesamtgesellschaftlich ein fatales Signal."

Sozial- und Infrastrukturpolitik dürften nicht länger gegeneinander
ausgespielt werden, verlangte der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft
Verdi, Frank Werneke. Deswegen müsse auch die Schuldenbremse endlich ausgesetzt
oder zumindest grundlegend reformiert werden. "Die Schuldenbremse ist eine
Zukunftsbremse." Arbeitgeber und ihre Lobby versuchten, "mit ihrem ständigen
Jammern" über zu hohe Steuerbelastung und Abgaben die Einnahmen des Staates zu
vermindern. "Diese Verelendungsstrategie darf nicht länger aufgehen."

Der DGB feierte den Tag der Arbeit nach eigenen Angaben mit Hunderten
Kundgebungen und Veranstaltungen auf den Straßen und Plätzen in Deutschland. In
Hannover versammelten sich nach DGB-Angaben mehr 10 000 Menschen, die Polizei
sprach allerdings nur von 2500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. In Hamburg
folgten dem Aufruf rund 7000 Menschen. Zu Beginn des Zugs in Berlin durch die
Mitte der Hauptstadt schätzte die Polizei die Teilnehmerzahl auf 7500.

In einer Botschaft zum 1. Mai lehnte Bundeskanzler Olaf Scholz eine Anhebung des Renteneintrittsalters erneut klar ab. "Für mich ist es eine Frage des
Anstands, denen, die schon lange gearbeitet haben, nicht den verdienten
Ruhestand streitig zu machen", sagte der SPD-Politiker. "Und auch die Jüngeren,
die am Anfang ihres Berufslebens stehen, haben das Recht zu wissen, wie lange
sie arbeiten müssen."

Scholz betonte, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland hätten noch nie so viele Stunden gearbeitet wie im vergangenen Jahr. "Deshalb ärgert es
mich, wenn manche abschätzig vom "Freizeitpark Deutschland" reden." Mit über 46
Millionen Frauen und Männern gebe es mehr Erwerbstätige in Deutschland als je
zuvor.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) warnte zum Tag der Arbeit vor
Sozialkürzungen. "Der 1. Mai ist der Tag der Solidarität ? wir lassen uns nicht
auseinandertreiben", sagte der SPD-Politiker dem Berliner "Tagesspiegel".
"Gerade zum Tag der Arbeit kann man nicht genug betonen: Ich lasse es nicht zu,
dass Arbeitnehmerrechte rasiert und der Sozialstaat geschleift werden."

Ein Thema bei den Kundgebungen zum 1. Mai war auch die AfD. DGB-Chefin
Fahimi forderte in Hannover mit Blick auf die Europawahl am 9. Juni dazu auf,
demokratisch zu wählen. "Wir wollen ein Europa für die Menschen und ein gutes
und friedliches Miteinander", sagte sie. Ein Europa der Abschottung, wie es
Rechtspopulisten letztlich fordern, wäre hingegen gerade für Deutschland eine
wirtschaftliche Katastrophe.

Bei der DGB-Kundgebung in Dresden sagte Heil: "Die AfD ist keine Alternative für Deutschland, sie ist ein Albtraum für unser Land." Bei der Europawahl trete
die AfD mit einem Programm an, das am Ende des Tages den Austritt Deutschlands
aus der Europäischen Union anstrebe. "Europa ist nicht nur ein Friedensprojekt,
Europa ist eine Grundlage für unseren Wohlstand." Man dürfe sich Europa von
Rechtsradikalen nicht zerstören lassen und müsse Flagge zeigen./sk/DP/jha

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