01.05.2024 06:30:03 - dpa-AFX: ROUNDUP: Israel geht für Geisel-Deal auf Hamas zu - Die Nacht im Überblick

KAIRO/TEL AVIV/GAZA (dpa-AFX) - Israel hat bei den erneuten Verhandlungen im
Gaza-Krieg Medienberichten zufolge weitgehende Zugeständnisse an die
islamistische Hamas gemacht und unter anderem die Möglichkeit einer Feuerpause
von bis zu einem Jahr angeboten. Wie das "Wall Street Journal" am Dienstag
(Ortszeit) unter Berufung auf ägyptische Beamte berichtete, sieht der Vorschlag
für ein Abkommen - an dessen Ausarbeitung Israel beteiligt gewesen sei, dem es
aber noch zustimmen müsse - zwei Stufen vor. Die erste Stufe würde demnach die
Freilassung von mindestens 20 Geiseln innerhalb einer Feuerpause von drei Wochen
im Austausch gegen eine nicht näher bezeichnete Anzahl palästinensischer
Häftlinge beinhalten. Die Dauer der Feuerpause könne für jede weitere Geisel um
einen Tag verlängert werden, hieß es. Eine zweite Stufe würde eine zehnwöchige
Waffenruhe umfassen, in der sich die Hamas und Israel auf eine umfangreichere
Freilassung von Geiseln und eine längere Kampfpause einigen könnten, die bis zu
einem Jahr dauern könnte.

Israel erwartet Antwort der Hamas

Die israelische Regierung erwarte am Mittwochabend eine Antwort der Hamas
auf das jüngste Angebot, zitierte die Zeitung "Times of Israel" einen
israelischen Beamten. Israel sei bereit, in den kommenden Tagen eine Delegation
zu den indirekten Verhandlungen nach Kairo zu entsenden, zitierte das "Wall
Street Journal" israelische und ägyptische Beamte. Der jüngste Vorschlag werde
in Jerusalem als "letzte Chance" gesehen.

Denkbar wäre, dass Israel im Falle einer Einigung zunächst von der
angekündigten Bodenoffensive in Rafah im Süden Gazas absieht, wo Hunderttausende
Zivilisten Schutz gesucht haben. "Zeit ist von entscheidender Bedeutung, ich
kann hier aber keine Frist setzen", sagte der Kommunikationsdirektor des
Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby, am Dienstag.

Blinken erneut in Israel

Unterdessen traf US-Außenminister Antony Blinken zu Gesprächen in Israel
ein. Er werde am Mittwochmorgen in Tel Aviv zunächst mit Präsident Isaac Herzog
zusammentreffen, berichtete die "Times of Israel" unter Berufung auf das Büro
des Präsidenten. Anschließend sei ein Treffen mit dem israelischen
Regierungschef Benjamin Netanjahu in Jerusalem geplant. Der US-Spitzendiplomat
werde zudem mit Verteidigungsminister Joav Galant und Israels nationalem
Sicherheitsberater Tzachi Hanegbi zusammenkommen. Blinken hatte von einem "sehr,
sehr großzügigen" Vorschlag Israels für einen Deal mit der Hamas gesprochen.

"Israel hat sich mehr als nur flexibel gezeigt, um eine Einigung zu
erzielen", zitierte die Zeitung "Times of Israel" einen israelischen Beamten.
Man habe die Zahl der in einem ersten Schritt von der Hamas freizulassenden
Geiseln gesenkt. Außerdem sei die israelische Seite offen für die Möglichkeit,
dass die vor den Kämpfen in den Süden des abgeriegelten Gazastreifens
geflüchteten Palästinenser ohne israelische Sicherheitskontrollen in den Norden
zurückkehren, hieß es. Eine der Möglichkeiten, die derzeit geprüft werde, sei,
dass Ägypten die Sicherheitskontrollen übernehme.

UN-Generalsekretär: Ohne Deal droht Eskalation

Die Hamas sollte den Vorschlag annehmen, sagte Kirby. Auch Ägypten und Katar drängen die Islamistenorganisation Medienberichten zufolge dazu, die Bedingungen
für eine Feuerpause nun zu akzeptieren. Die Hamas bestand bislang jedoch auf ein
Ende des Krieges, was Israel ablehnt. Beide Seiten verhandeln nicht direkt,
sondern über die Vermittler Ägypten, Katar und USA. "Die Hoffnungen steigen und
schwinden, und (...) wir werden einfach weiter am Ball bleiben und sehen, ob wir
es schaffen können", sagte Kirby über die laufenden Verhandlungen.

"Im Interesse der Menschen in Gaza, im Interesse der Geiseln und ihrer
Familien in Israel und im Interesse der Region und der ganzen Welt ermutige ich
die Regierung Israels und die Hamas-Führung nachdrücklich, jetzt eine Einigung
zu erzielen", sagte UN-Generalsekretär António Guterres am Dienstag in New York.
Ohne Einigung könne sich der Krieg "mit all seinen Folgen vor allem im
Gazastreifen und in der gesamten Region exponentiell verschlimmern". Ein Angriff
Israels auf Rafah wäre "eine unerträgliche Eskalation", sagte der UN-Chef.

Die Nerven der Menschen in Rafah seien aus Angst vor Israels
Militäroffensive bis aufs Äußerste gespannt, sagte der Chef des
UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA, Philippe Lazzarini. Bis Dienstag habe das
israelische Militär die Menschen dort noch nicht aufgefordert, das Gebiet zu
verlassen, aber damit werde jeden Moment gerechnet, sagte er. Vieles hänge nun
von den laufenden Verhandlungen in Karo über eine Feuerpause ab.

Netanjahu: Offensive in Rafah geht mit oder ohne Geisel-Deal voran

Israels Regierungschef Netanjahu stellte allerdings am selben Tag klar, dass die angekündigte Offensive auf Rafah in jedem Fall erfolgen werde. "Wir werden
nach Rafah hineingehen und die Bataillone der Hamas dort zerschlagen - mit Deal
oder ohne Deal", sagte Netanjahu nach Angaben seines Büros bei einem Treffen mit
Angehörigen israelischer Geiseln und gefallener Soldaten. "Die Idee, dass wir
den Krieg stoppen, bevor alle seine Ziele erreicht sind, kommt nicht in Frage."
Sein rechtsextremer Finanzminister Bezalel Smotrich drohte mit einem Ende der
Regierung, sollte der jetzt vorgeschlagene Geisel-Deal umgesetzt und der
angekündigte Militäreinsatz in Rafah gestoppt werden. Netanjahus politisches
Überleben hängt von seinen rechtsextremen Koalitionspartnern ab./ln/DP/zb

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