30.04.2024 22:21:41 - dpa-AFX: POLITIK: Polizei in Georgien setzt Tränengas gegen Demonstranten ein

TIFLIS (dpa-AFX) - In Georgien im Südkaukasus ist die Polizei am
Dienstagabend mit Gewalt gegen eine Menschenmenge friedlicher Demonstranten
vorgegangen. Die seit Wochen andauernden Proteste richten sich gegen Pläne der
Regierung, den angeblichen ausländischen Einfluss auf die Zivilgesellschaft zu
unterbinden. Mit Tränengas und Wasserwerfern drängten die Einsatzkräfte die
Demonstranten vom Parlament in der Hauptstadt Tiflis ab und räumten die
Hauptstraße Rustaweli-Prospekt. Georgische Medien berichteten, mehrere Menschen
seien verletzt worden. Die Polizei sprach davon, dass die Kundgebung nicht mehr
friedlich gewesen sei. Die öffentliche Ordnung müsse wiederhergestellt werden.

Im Parlament debattierten die Abgeordneten in zweiter und damit vorletzter
Lesung über das umstrittene Gesetz, das nach Auffassung seiner Gegner wie in
Russland zur Kontrolle der Zivilgesellschaft eingesetzt werden soll. Eine
Abstimmung wird am Mittwoch erwartet.

Der Entwurf sieht vor, dass Nichtregierungsorganisationen ausländische
Geldquellen offenlegen müssen. Die Regierungspartei Georgischer Traum will nach
eigenen Angaben auf diese Weise für mehr Transparenz sorgen und ausländische
Einflussnahme kontrollieren. Viele Projekte zur Demokratieförderung in Georgien
werden vom Westen finanziert, auch aus der EU und den USA. Kritiker befürchten,
dass dieses Gesetz nach Moskauer Vorbild missbraucht werden soll, um Geldflüsse
zu stoppen und prowestliche Kräfte zu verfolgen.

Die Proteste in der Ex-Sowjetrepublik, die EU-Beitrittskandidat ist, dauern
schon seit Wochen an. Im Herbst steht eine Parlamentswahl an. Am Montag brachte
die Regierungspartei ihrerseits etwa 100 000 Anhänger zu einer Kundgebung in
Tiflis zusammen. Der starke Mann der Partei, der Milliardär Bidsina
Iwanischwili, hielt dabei eine Rede, die einen deutlich autoritären Kurs
ankündigte.

Vor der Regierungszeit seiner Partei ab 2012 sei Georgien von ausländischen
Einflussagenten geführt worden, sagte er. Iwanischwili bezeichnete die
oppositionelle Nationale Bewegung als "eine einzige kriminelle und verräterische
Gruppe" und drohte damit, sie nach der Wahl zur Rechenschaft zu ziehen. Dem
Westen warf der Ex-Regierungschef vor, Georgien wie die Ukraine als
Kanonenfutter im Kampf gegen Moskau zu missbrauchen.

Die EU und viele ihrer Mitgliedsstaaten haben das geplante Gesetz über
sogenannte Auslandsagenten scharf kritisiert. Vergangenes Jahr hatte die Führung
in Tiflis den Entwurf angesichts von Massenprotesten auf Eis gelegt. Bei dem
neuen Anlauf sind Iwanischwili und Ministerpräsident Irakli Kobachidse aber
entschlossen, das Gesetz einzuführen. Präsidentin Salome Surabischwili steht
aufseiten der meist jungen, proeuropäischen Demonstranten./fko/DP/he

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