30.04.2024 12:36:35 - dpa-AFX: POLITIK/ROUNDUP/Diakonie-Präsident will AfD-Wähler nicht als Mitarbeiter

BERLIN (dpa-AFX) - Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch will überzeugte
AfD-Wähler in den eigenen Reihen nicht dulden. "Wer die AfD aus Überzeugung
wählt, kann nicht in der Diakonie arbeiten", sagte Schuch den Zeitungen der
Funke Mediengruppe (Dienstag). "Diese Leute können sich im Grunde auch nicht
mehr zur Kirche zählen, denn das menschenfeindliche Weltbild der AfD
widerspricht dem christlichen Menschenbild."

Der evangelische Wohlfahrtsverband Diakonie Deutschland zählt zu den größten Arbeitgebern in Deutschland und beschäftigt nach eigenen Angaben mehr als 627
000 Menschen. Die beiden großen christlichen Kirchen hatten sich bereits im
Frühjahr scharf von der AfD abgegrenzt. Als Arbeitgeber sind viele von den
Kirchen getragene Institutionen sogenannte Tendenzbetriebe und haben
vergleichsweise große Entscheidungsfreiheit, wen sie beschäftigen.

Schuch sagte, zwar sollte zunächst mit betreffenden Mitarbeitenden
gesprochen und klargestellt werden, dass für menschenfeindliche Äußerungen in
den Einrichtungen der Diakonie kein Platz sei. "Aber wenn das nichts ändert,
muss es arbeitsrechtliche Konsequenzen geben", sagte Schuch. Er fügte hinzu:
"Wer sich für die AfD einsetzt, muss gehen."

AfD spricht von Hexenjagd

Die AfD reagierte empört. Die kirchenpolitische Sprecherin Nicole Höchst
sprach von einer "modernen Hexenjagd auf die AfD", die unchristlich und
menschenfeindlich sei. Die Äußerungen des Diakonie-Präsidenten seien "hohlen
Phrasen". "Die Diakonie muss sich den Vorwurf gefallen lassen, den Artikel vier
des Grundgesetzes zu verletzen", meinte Höchst. Artikel 4 garantiert die
Freiheit des Glaubens, des Gewissens und der Religion.

Die Lutherische Bischofskonferenz hatte bereits im März vor der AfD gewarnt
und erklärt: "Wer die AfD wählt, unterstützt eine Partei, die das christliche
Menschenbild mit Füßen tritt". Die Katholische Bischofskonferenz formulierte in
einem Beschluss vom Februar: "Wir sagen mit aller Klarheit: Völkischer
Nationalismus ist mit dem christlichen Gottes- und Menschenbild unvereinbar.
Rechtsextreme Parteien und solche, die am Rande dieser Ideologie wuchern, können
für Christinnen und Christen daher kein Ort ihrer politischen Betätigung sein
und sind auch nicht wählbar."

Der katholische Deutsche Caritasverband, der seinerseits knapp 696 000
Menschen in sozialen Einrichtungen beschäftigt, ist nach eigenen Angaben dabei
zu klären, was dies arbeitsrechtlich bedeutet. Der Verband lehne
"extremistische, fundamentalistische, rassistische, antisemitische,
demokratiefeindliche, nationalistische, ausländerfeindliche Positionen
entschieden ab", erklärte eine Sprecherin auf Anfrage.

Die "Grundordnung des kirchlichen Dienstes", die das Arbeitsrecht in der
katholischen Kirche regele, verweise auch explizit auf die Ablehnung von
kirchenfeindlichen Positionen. Über konkrete arbeitsrechtliche Fragen als
Konsequenz dieser Grundhaltung berate gerade eine Arbeitsgruppe. Eine
Handreichung mit konkreten Punkten solle zeitnah veröffentlicht werden, erklärte
die Sprecherin.

"Für den Erhalt der offenen Gesellschaft"

Als "Tendenzbetriebe" haben christliche Arbeitgeber besondere Rechte und
können ihren Arbeitnehmern bestimmte Vorgaben machen, um die "Glaubwürdigkeit
der Kirche" oder deren Sittenlehre zu wahren. In der Vergangenheit galten zum
Beispiel die Heirat mit einem geschiedenen Partner oder ein verschwiegener
Kirchenaustritt als Kündigungsgrund für Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter.

Diakonie-Präsident Schuch mahnte die Arbeitgeber in Deutschland, ihre
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Wählen aufzufordern. "Sie sollten auch
deutlich machen, dass es wichtig ist, mit ihrer Stimme nicht die Feinde der
Demokratie zu stärken." Die Demokratie sei kein Selbstläufer. Schuch fügte
hinzu: "Jedes Unternehmen in Deutschland sollte deswegen seine Haltung
überprüfen und sich fragen, ob es genug für den Erhalt der offenen Gesellschaft
tut."/hme/vsr/DP/ngu

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