30.04.2024 06:30:02 - dpa-AFX: ROUNDUP: USA drängen Hamas zu Gaza-Abkommen - Nacht im Überblick

KAIRO/TEL AVIV/WASHINGTON (dpa-AFX) - Beim erneuten Anlauf für eine
Waffenruhe im Gaza-Krieg hoffen die Verhandlungspartner mit Blick auf die
drohende Offensive Israels in Rafah auf ein Einlenken der islamistischen Hamas.
US-Präsident Joe Biden habe den ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi und
den katarischen Emir Tamim bin Hamad al-Thani am Telefon dazu angehalten, "alle
Anstrengungen zu unternehmen, um die Freilassung der von der Hamas
festgehaltenen Geiseln zu erreichen", teilte das Weiße Haus am Montagabend
(Ortszeit) mit. Dies sei das einzige Hindernis für eine Feuerpause.

Der Hamas lag nach Worten des britischen Außenministers David Cameron ein
Angebot für eine 40-tägige Waffenruhe vor. Nach Gesprächen in Kairo verließ die
Delegation der Hamas Medienberichten zufolge den Verhandlungsort und wollte mit
einer Antwort zurückkehren. Laut der "Times of Israel" dürfte eine israelische
Delegation am Dienstag nach Kairo kommen.

Weißes Haus: Hamas muss Geisel-Deal annehmen

US-Außenminister Antony Blinken, der aktuell wieder in der Region unterwegs
ist, sprach von einem "sehr, sehr großzügigen" Vorschlag Israels. Bidens
Sprecherin Karine Jean-Pierre forderte die Hamas auf, diesem zuzustimmen. "In
den vergangenen Tagen gab es neue Fortschritte bei den Gesprächen, und derzeit
liegt die Pflicht tatsächlich bei der Hamas. Es liegt ein Angebot auf dem Tisch,
und sie müssen es annehmen", sagte sie. Israelische Medien hatten zuvor
berichtet, der Vorschlag sehe eine Freilassung von 33 Geiseln aus der Gewalt der
Hamas vor. Im Gegenzug beabsichtige Israel, mehrere Hundert palästinensische
Häftlinge aus Gefängnissen zu entlassen. Cameron sprach am Montag sogar davon,
dass "möglicherweise Tausende" Palästinenser bei einem Deal freigelassen werden
könnten.

Auf die Frage, ob mögliche Haftbefehle des Internationalen Strafgerichtshofs gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu die Verhandlungen
über eine Feuerpause torpedieren könnten, reagierte das Weiße Haus ausweichend.
Man unterstütze die Ermittlungen nicht und sei außerdem überzeugt, dass der -
von den USA nicht anerkannte - Strafgerichtshof in Den Haag keine rechtliche
Zuständigkeit habe, sagte die Sprecherin Jean-Pierre und beließ es dabei. Zuvor
hatten israelische Medien berichtet, Netanjahu befürchte, dass Chefankläger
Karim Khan noch in dieser Woche internationale Haftbefehle für ihn, seinen
Verteidigungsminister Joav Galant sowie den Generalstabschef Herzi Halevi
ausstellen könnte. Der Strafgerichtshof ermittelt bereits seit 2021 gegen die
Hamas wie auch gegen Israel wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen im Gazastreifen.

Erneut Proteste in Israel

Unterdessen demonstrierten in Israel am Montagabend mehrere Tausend Menschen in Tel Aviv für eine Verhandlungslösung zur Freilassung der israelischen Geiseln
in der Gewalt der Hamas. "Rafah kann warten - sie nicht", stand israelischen
Medienberichten zufolge auf einem Banner der Kundgebung. Auch Angehörige von
Geiseln sprachen auf der Demonstration und appellierten an die Regierung, eine
Waffenruhe zu erreichen und die Geiseln zurückzubringen. Am Rande kam es laut
Medienberichten zu Zusammenstößen mit der Polizei. Ein Wasserwerfer sei im
Einsatz gewesen, es habe fünf Festnahmen gegeben. Gegner eines Deals mit der
Hamas drohten dagegen laut der "Times of Israel" mit einem Hungerstreik, solange
die Armee nicht wie seit Monaten angekündigt in der Stadt Rafah einmarschiert.

Vom Ausgang der gegenwärtig in Kairo geführten Verhandlungen hängt ab,
inwieweit Israel seine Angriffe in Rafah fortsetzt und zu einer großangelegten
Offensive ausweitet. Trotz wiederholter Warnungen von Verbündeten wegen
Hunderttausender Binnenflüchtlinge in der an Ägypten grenzenden Stadt will
Israel in Rafah die dort verbliebenen Hamas-Bataillone zerschlagen. Israels
rechtsextremer Finanzminister Bezalel Smotrich hatte am Sonntag mit einem Ende
der Regierung Netanjahus gedroht, sollte der gegenwärtig verhandelte Geisel-Deal
umgesetzt und ein Militäreinsatz in Rafah gestoppt werden. Netanjahus
politisches Überleben hängt von seinen rechtsextremen Koalitionspartnern ab.

Sorge in Israel wegen Ermittlungen des Strafgerichtshofs

Sollte der Strafgerichtshof in Den Haag Haftbefehle gegen Netanjahu und
andere Israelis erlassen, werde dies zu einer "Welle des Antisemitismus in der
ganzen Welt" führen, die ein mögliches Geisel-Abkommen zunichtemachen könnte,
zitierte die "Times of Israel" unterdessen einen nicht genannten israelischen
Beamten. Dies sei keine Drohung, aus den Gesprächen über einen Geisel-Deal
auszusteigen. Internationaler Druck auf Israel verringere aber den Druck auf die
Hamas, Kompromisse einzugehen.

Juristisch würden Haftbefehle des Strafgerichtshofs bedeuten, dass Staaten,
die die Statuten des Gerichtshofs unterzeichnet haben, verpflichtet wären, diese
Personen festzunehmen und nach Den Haag zu überstellen - sofern diese sich im
Hoheitsgebiet dieser Staaten befinden. So wie die USA erkennt auch Israel den
Strafgerichtshof nicht an. Aber die palästinensischen Gebiete sind
Vertragsstaat.

Vorentscheidung in Klageverfahren gegen Deutschland

Im Verfahren um die Klage Nicaraguas gegen Deutschland wegen angeblicher
Beihilfe zum Völkermord im Gazastreifen wird der Internationale Gerichtshof an
diesem Dienstag eine Vorentscheidung treffen. Das höchste Gericht der Vereinten
Nationen in Den Haag entscheidet zunächst nur über einen Eilantrag Nicaraguas,
das unter anderem einen Stopp der Rüstungslieferungen gefordert hatte. Das Land
argumentiert, dass durch die deutschen Rüstungsexporte an Israel ein Völkermord
ermöglicht werde. Deutschland hat die Klage als haltlos zurückgewiesen. Die
Richter entscheiden jetzt noch nicht über die eigentliche Klage wegen Beihilfe
zum Völkermord. Darum wird es erst im Hauptverfahren gehen, das sich über Jahre
hinziehen könnte. Entscheidungen des Gerichts sind bindend./ln/DP/zb

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