29.04.2024 16:45:30 - dpa-AFX: ROUNDUP 2: Abwärtstrend ausgebremst - Teuerung verharrt bei 2,2 Prozent

WIESBADEN (dpa-AFX) - Der Rückgang der Teuerungsrate in Deutschland ist im
April ins Stocken geraten. Die Verbraucherpreise lagen wie schon im März um 2,2
Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats, wie das Statistische Bundesamt am
Montag auf vorläufiger Basis mitteilte. Das ist zwar immer noch der niedrigste
Wert seit April 2021 mit damals 2,0 Prozent. Doch Volkswirte erwarten wieder
steigende Raten in den nächsten Monaten.

Unter anderem die Preisplanungen vieler Unternehmen und tendenziell
steigende Löhne ließen diesen Trend erwarten. "Es sieht so aus, als würde sich
die Hartnäckigkeit fortsetzen, und die Gesamtinflation in Deutschland könnte im
nächsten Monat wieder auf 3 Prozent ansteigen", prognostizierte
ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. Höhere Teuerungsraten schwächen die Kaufkraft
von Verbraucherinnen und Verbrauchern.

Wieder 19 Prozent Mehrwertsteuer auf Erdgas und Fernwärme

Auch die Energiepreise könnten anziehen. Denn seit dem 1. April gilt für
Erdgas und Fernwärme wieder der reguläre Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent. Um
die hohen Energiepreise als Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine
abzufedern, hatte die Politik die Mehrwertsteuer auf diese beiden Güter vom 1.
Oktober 2022 bis zum 31. März 2024 auf 7 Prozent gesenkt. Im April verbilligte
sich Haushaltsenergie mit durchschnittlich 1,2 Prozent schon nicht mehr so stark
wie im März mit minus 2,7 Prozent.

In einigen Bundesländern stiegen zum Beispiel die Preise für Fernwärme im
April im Jahresvergleich deutlich, wie aus den Statistiken mehrerer Landesämter
hervorgeht. Zudem mussten die Menschen beim Besuch der Gaststätte oder der
Übernachtung im Hotel in vielen Bundesländern im April des laufenden Jahres
tiefer in die Tasche greifen.

Für Nahrungsmittel zahlten Verbraucherinnen und Verbraucher nach Angaben des Bundesamtes in diesem April 0,5 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, im März waren
die Lebensmittelpreise noch um 0,7 Prozent gesunken. Insgesamt erhöhten sich die
Verbraucherpreise in Deutschland von März auf April 2024 um 0,5 Prozent.

Positive Entwicklung bei Rate ohne Energie- und Nahrungsmittelpreise

Rechnet man die schwankungsanfälligen Preise für Energie und Nahrungsmittel
heraus, ergibt sich für April den Berechnungen der Wiesbadener Statistiker
zufolge eine Kerninflation von 3,0 Prozent nach 3,3 Prozent im März 2024 sowie
3,4 Prozent im Januar und Februar.

"Aus Verbrauchersicht bleibt die Inflation im grünen Bereich", folgerte der
Chefvolkswirt der Dekabank, Ulrich Kater. Die extrem hohen Inflationsraten aus
den vergangenen zwei Jahren seien Geschichte. "Solange es nicht wieder zu neuen
geopolitischen Spannungen kommt, welche die internationalen Lieferketten
bedrohen, bleibt das Inflationsumfeld entspannt."

Die weitere Beruhigung bei der Kernrate in Europas größter Volkswirtschaft
Deutschland mache für die Europäische Zentralbank (EZB) den Weg für eine
Zinssenkung im Juni frei, meint Kater. Die Euro-Währungshüter streben für den
Euroraum mittelfristig Preisstabilität bei einer Teuerungsrate von zwei Prozent
an. Angesichts der schwächelnden Konjunktur hatten sich in den vergangenen
Monaten Forderungen gemehrt, die Zinsen nach der beispiellosen Serie von
Erhöhungen im Kampf gegen die zeitweise extrem hohe Inflation wieder zu senken.

Weniger Inflation im Jahresschnitt erwartet

Für Deutschland erwarten führende Wirtschaftsforschungsinstitute im
Jahresschnitt 2024 eine deutliche Abschwächung der Inflation auf 2,3 Prozent
nach 5,9 Prozent im vergangenen Jahr. Allerdings könnte der Weg dorthin mühsamer
werden als erhofft: Die aktuellen Preispläne von Unternehmen hierzulande deuten
nach Einschätzung des Münchner Ifo-Instituts auf eine Pause beim Rückgang der
Inflation hin. Teurer werden dürfte es für die Kundschaft vor allem in der
Gastronomie, beim Kauf von Spielwaren und Drogerieartikeln.

Niedrigere Inflationsraten können die Konsumlust ankurbeln. Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftlichen
Hans-Böckler-Stiftung machte auf Basis einer Umfrage mit 9600 Teilnehmern
Indizien für eine "bevorstehende Konsumwende" aus - vor allem, "wenn im
Jahresverlauf die Inflationsrate weiter sinkt und mit steigenden Nominallöhnen
auch die Reallöhne nach mehreren Jahren des Rückgangs wieder steigen".

Auch die jüngsten Daten der Konsumforscher der Nürnberger GfK zeigen, dass
die Aussicht auf steigende Löhne für bessere Stimmung sorgt: Die Kauflaune der
Menschen hierzulande sei weiterhin schlecht, aber sie erhole sich leicht. Der
Privatkonsum ist eine wichtige Stütze der Konjunktur in Deutschland, die seit
Monaten nicht recht in Fahrt kommt. Wie die deutsche Wirtschaft sich im ersten
Quartal 2024 geschlagen hat, dazu veröffentlicht das Statistische Bundesamt an
diesem Dienstag (30.4.) erste Daten./ben/DP/la

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