29.04.2024 16:28:19 - dpa-AFX: POLITIK/ROUNDUP: AfD-naher Bundeswehr-Offizier gesteht Spionage für Russland

DÜSSELDORF (dpa-AFX) - Ein AfD-naher Offizier der Bundeswehr hat gestanden,
sich Russland mit militärischen Informationen als Spion angedient zu haben. Die
Angst vor einer nuklearen Eskalation des Ukraine-Kriegs habe ihn getrieben,
sagte der 54-Jährige am Montag am Düsseldorfer Oberlandesgericht aus.

Etwa im gleichen Zeitraum habe er Kontakt zur AfD aufgenommen und seine
Mitgliedschaft beantragt. Nach Angaben des Gerichts wurde sein Aufnahmeantrag im
Juli 2023 genehmigt. Der Angeklagte sagte aus, zuvor auch Kontakt zur Partei Die
Linke aufgenommen zu haben. Deren grundsätzliche Ablehnung der Bundeswehr habe
ihn aber abgestoßen.

Eine Nachricht "vermutlich auf Tiktok" habe bei ihm den Impuls ausgelöst,
sich im Mai 2023 an das russische Konsulat zu wenden. Der Hauptmann räumte ein,
damals bei Tiktok einem prorussischen, AfD-nahen Influencer gefolgt zu sein.
Welche Nachricht es genau gewesen sei, erinnere er aber nicht.

Es sei ihm darum gegangen, seine Familie noch rechtzeitig in Sicherheit
bringen zu können. Für die rechtzeitige Information, "wann es knallt", habe er
Kontakt zur russischen Seite gesucht. Er sei vom baldigen Einsatz taktischer
Atomwaffen ausgegangen.

"Ich habe nur diesen Weg gesehen." Heute bedauere er dies und sehe es
rückblickend als Fehler. Er sei damals in einer sehr schlechten psychischen
Verfassung gewesen - "Ich war am Allerwertesten" -, habe 18 Kilogramm
abgenommen, kaum geschlafen und sei von Ängsten geplagt gewesen.

Der Vorsitzende Richter sagte, für ihn sei die genannte Motivation "sehr
schwer nachvollziehbar". Es sei für den Angeklagten offenbar leichter gewesen,
sein Land zu verraten, als zum Arzt zu gehen. Rückblickend sei dies für ihn auch
nicht nachvollziehbar, sagte der 54-Jährige. "Ich hatte mein Leben nicht im
Griff."

Er habe lange den Weg zu einem Arzt oder Psychologen gescheut. Ihm sei
schließlich ein schwerer Burn-out mit Angststörungen und Panikattacken
attestiert worden. Das Wort Depression vermied er.

Er sei damals im vierten Jahr eines schweren Burn-outs gewesen, habe kaum
noch geschlafen und sich bei der Bundeswehr chronisch überarbeitet. Zudem habe
er durch die dritte Corona-Impfung schwere gesundheitliche Folgen davon
getragen.

Die Anklagevorwürfe der Bundesanwaltschaft räumte er überwiegend ein. "Das
meiste stimmt", sagte er. Allerdings bestritt er, eine CD mit heruntergeladenen
Dateien aus einem Bundeswehr-Laufwerk an das russische Konsulat weitergegeben zu
haben.

Zweifel an seinem Handeln seien ihm erst Ende Juli 2023 gekommen, als es ihm psychisch wieder besser gegangen sei. Inzwischen habe er seiner Lebensgefährtin
eine Vollmacht für seinen Parteiaustritt erteilt, wisse aber nicht, ob dieser
schon umgesetzt sei.

Der Berufssoldat steht wegen besonders schwerer Spionage zugunsten Russlands vor Gericht. Der 54-Jährige sei als Hauptmann der Bundeswehr für Systeme der
elektronischen Kampfführung zuständig gewesen, sagte ein Vertreter der
Bundesanwaltschaft am Montag.

Sein Ziel sei gewesen, "den russischen Streitkräften vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Lage einen Vorteil zu verschaffen".

Von einem Laufwerk der Bundeswehr habe er Informationen auf eine CD geladen
und diese in den Briefkasten des russischen Konsulats geworfen, so die
Bundesanwaltschaft. Mit seinem Handy habe er zudem Ausbildungsunterlagen der
Luftwaffe fotografiert.

Mehrfach habe der Hauptmann dann von sich aus ab Mai 2023 dem russischen
Konsulat in Bonn und der russischen Botschaft in Berlin vertrauliche
Informationen zukommen lassen mit dem Zusatz: "gerne mehr". Obwohl er keine
Reaktion erhalten habe, habe er es immer wieder versucht: per Posteinwurf, per
E-Mail, mit Telefonanrufen aus dem Internet und von einem Münzfernsprecher.

Mit den Worten, das Wissen, dass er zur Verfügung stellen könne, würde "ein
beträchtliches Plus für die russischen Streitkräfte und die Russische Föderation
bedeuten", habe er für sich als Agenten geworben. Ihm drohen bis zu zehn Jahre
Haft.

Beamte des Bundeskriminalamtes hatten den Hauptmann am 9. August in Koblenz
festgenommen. Seitdem ist er in Untersuchungshaft. Damals durchsuchten
Einsatzkräfte die Wohnung und den Arbeitsplatz des Beschuldigten. Der Senat
unter Vorsitz von Richter Lars Bachler hat für den Prozess bis 24. Juni sieben
Verhandlungstage angesetzt./fc/DP/jha

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