29.04.2024 06:35:03 - dpa-AFX: ROUNDUP/Gaza-Krieg: Neue Gespräche in Saudi-Arabien - Die Nacht im Überblick

TEL AVIV/RIAD/GAZA (dpa-AFX) - Bei einem Treffen mehrerer Außenminister
westlicher und arabischer Staaten in Riad soll an diesem Montag über Bemühungen
für eine Waffenruhe im Gaza-Krieg und die Freilassung von Geiseln aus der Gewalt
der Hamas gesprochen werden. US-Außenminister Antony Blinken, der auf dem
Rückweg eines Besuchs in China nach Saudi-Arabien reist, will nach Darstellung
seines Büros mit regionalen Partnern über den Konflikt beraten. Erwartet werden
unter anderem Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und ihre Amtskollegen aus
Saudi-Arabien, Ägypten, Jordanien und den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Die Minister treffen sich in Riad am Rande des Open Forums, einer
Wirtschaftskonferenz des Weltwirtschaftsforums (WEF), bei der es unter anderem
um Umwelt, Gesundheit und Finanzen geht. Israel sollte laut dem WEF-Präsidenten
Børge Brende nicht teilnehmen.

Ebenfalls am Montag will voraussichtlich eine Delegation der Hamas nach
Kairo reisen, um in der ägyptischen Hauptstadt über Details eines neuen
Vorschlags für einen Kompromiss mit Israel zu sprechen, wie ein
Hamas-Repräsentant der Deutschen Presse-Agentur sagte. Hoffnungen auf eine
Einigung bei den indirekten Verhandlungen zwischen internationalen Vermittlern -
Israels Regierung und die Hamas führen aus Prinzip keine direkten Gespräche -
haben sich allerdings bisher immer wieder zerschlagen. Der Schwerpunkt der
Gespräche war zuletzt aus Katar nach Ägypten verlegt worden.

Kann Offensive in Rafah noch abgewendet werden?

Ein hochrangiger Hamas-Funktionär kündigte bei Telegram an, die
Islamistenorganisation werde einen israelischen Vorschlag prüfen und eine
Antwort geben. Israels Regierung erwartet diese nach Angaben des israelischen
Fernsehens bis Montag. Außenminister Israel Katz erklärte demnach, Israel sei
bereit, den Militäreinsatz in der Stadt Rafah zu verschieben, sollte ein Deal
zur Freilassung von Geiseln in der Gewalt der Hamas zustande kommen.

Die USA haben die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu
wiederholt vor einer großangelegten Offensive in Rafah gewarnt. Die Stadt an der
Grenze zu Ägypten ist mit Hunderttausenden Flüchtlingen überfüllt. US-Präsident
Biden habe seinen klaren Standpunkt in einem Gespräch mit Netanjahu bekräftigt,
teilte das Weiße Haus am Sonntag mit.

Bei dem aktuellen Entwurf für einen Deal geht es israelischen Medien zufolge zunächst um ein begrenztes Abkommen, das erst einmal nur die Freilassung
weiblicher, älterer und kranker Geiseln vorsehe. Die Hamas hat zuletzt einen
dauerhaften Waffenstillstand gefordert, was Israel ablehnt. Es wird befürchtet,
dass von den noch immer im Gazastreifen vermuteten 133 Geiseln inzwischen viele
nicht mehr am Leben sind.

Israelischer Minister droht Ende der Regierung

Der israelische Generalstabschef Herzi Halevi hat nach Militärangaben Pläne
zur Fortsetzung des Gaza-Kriegs mit den führenden Offizieren des Südkommandos
erörtert und gebilligt. Weitere Einzelheiten wurden nicht genannt. Halevi hatte
bereits zuvor weitere Schritte zur Fortsetzung des Gaza-Krieges genehmigt.
Israelische Medien werteten die Entscheidung auch als Billigung der geplanten
Offensive in Rafah.

Israels rechtsextremer Finanzminister Bezalel Smotrich hatte zuvor mit einem Koalitionsbruch gedroht, sollte ein Militäreinsatz in Rafah zugunsten eines
Geisel-Deals gestoppt werden. Dies wäre eine "demütigende Kapitulation" und ein
"Todesurteil für die Geiseln und unmittelbare existenzielle Gefahr für den Staat
Israel", sagte Smotrich in einer Video-Botschaft an Netanjahu.

Netanjahu soll Haftbefehle des Strafgerichtshofs befürchten

Der israelische Ministerpräsident befürchtet Medienberichten zufolge, der
Internationale Strafgerichtshof in Den Haag könnte Haftbefehle gegen ihn und
andere israelische Führungspersönlichkeiten erlassen. Die Regierung gehe davon
aus, dass Chefankläger Karim Khan noch in dieser Woche internationale
Haftbefehle für Netanjahu, Verteidigungsminister Joav Galant und
Generalstabschef Herzi Halevi ausstellen könnte, berichteten israelische Medien.
Aus Den Haag gab es dazu keine Stellungnahme.

Der Strafgerichtshof ermittelt bereits seit 2021 gegen die Hamas und Israel
wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen im Gazastreifen. Auch zu Gewalt israelischer
Siedler im Westjordanland laufen Untersuchungen.

Israels Außenminister Katz wies am Sonntag im Zusammenhang mit den Berichten über mögliche Haftbefehle alle israelischen Auslandsvertretungen an, sich sofort
auf eine "schlimme antisemitische, antijüdische und antiisraelische Welle auf
der Welt vorzubereiten". Auch Sicherheitsmaßnahmen rund um jüdische
Einrichtungen sollten erhöht werden, so ein Sprecher des Ministeriums zu der
Anweisung an die Botschaften.

Israels Armee greift weiter Ziele im Gazastreifen an

Die israelische Armee flog am Wochenende weitere Luftangriffe gegen die
Hamas im Gazastreifen. Im zentralen Teil des Küstengebiets sei ein Fahrzeug mit
acht Hamas-Terroristen getroffen worden, teilte die Armee am Samstag mit.
Außerdem seien Terror-Infrastruktur, Beobachtungsposten und
Raketen-Abschussrampen angegriffen worden.

Auslöser des Krieges war das beispiellose Massaker mit mehr als 1200 Toten,
das Terroristen der Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober vergangenen Jahres
in Israel verübt hatten. Die von der Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde gab
die Zahl der seit Kriegsbeginn getöteten Menschen im Gazastreifen am Sonntag mit
34 454 an. Die von ihr veröffentlichten Zahlen machen keinen Unterschied
zwischen Zivilisten und Bewaffneten und lassen sich unabhängig kaum überprüfen.

Humanitäre Hilfe

Israels Armeesprecher Daniel Hagari kündigte am Sonntagabend eine Ausweitung der Hilfslieferungen nach Gaza an. Hierzu sollten unter anderem die Öffnung des
israelischen Hafens Aschdod und ein neuer Übergang für humanitäre Transporte im
Norden des Gazastreifens beitragen, sagte er am Sonntagabend. Zusammen mit dem
US-Militär werde auch an einem vorübergehenden Pier gearbeitet, um
Hilfslieferungen von Schiffen an Land bringen zu können. "Es ist eine
Top-Priorität, Hilfe zu den Menschen in Gaza zu bringen, denn unser Krieg ist
gegen die Hamas, nicht gegen die Menschen in Gaza", sagte Hagari.

Kritiker werfen Israel seit Monaten vor, Hilfslieferungen gezielt zu
behindern und damit eine Verschärfung der humanitären Notlage im Gazastreifen
billigend in Kauf zu nehmen. US-Präsident Biden habe in seinem Telefonat mit
Netanjahu betont, dass die jüngsten Fortschritte bei den Hilfslieferungen in
voller Abstimmung mit den humanitären Organisationen fortgesetzt und verstärkt
werden müssten, teilte das Weiße Haus am Sonntag mit.

Die Hilfsorganisation World Central Kitchen (WCK) will ihre Arbeit in Gaza
am Montag wieder aufnehmen. Anfang April waren sieben Helfer bei einem
Luftangriff getötet worden, als ihr Konvoi aus drei Fahrzeugen ein Warenlager in
Deir al-Balah im Zentrum des Gazastreifens verließ. Die israelische Armee
bezeichnete den Angriff später als "schweren Fehler", die Fahrzeuge seien nicht
korrekt identifiziert worden./czy/DP/zb

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