28.04.2024 16:06:57 - dpa-AFX: ROUNDUP/Medien: Netanjahu befürchtet Haftbefehl durch Strafgerichtshof

TEL AVIV (dpa-AFX) - Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu
befürchtet Medienberichten zufolge, der Internationale Strafgerichtshof (IStGH)
in Den Haag könnte Haftbefehle gegen ihn und andere Israelis erlassen. Die
israelische Regierung gehe davon aus, dass Chefankläger Karim Khan noch in
dieser Woche internationale Haftbefehle für Netanjahu, Verteidigungsminister
Joav Galant sowie den Generalstabschef Herzi Halevi ausstellen könnte,
berichteten israelische Medien am Sonntag.

Der Strafgerichtshof ermittelt bereits seit 2021 gegen die Hamas und Israel
wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen im Gazastreifen. Auch zu Gewalt israelischer
Siedler im Westjordanland laufen Untersuchungen.

Netanjahu sei wegen möglicher Festnahmen, die eine dramatische
Verschlechterung des internationalen Ansehens Israels bedeuten würden, äußerst
besorgt, hieß es in den Berichten.

Netanjahu schrieb am Freitag bei X, vormals Twitter, Israel werde unter
seiner Führung "niemals irgendeinen Versuch des Strafgerichtshofs akzeptieren,
sein inhärentes Recht auf Selbstverteidigung zu untergraben". Der Regierungschef
schrieb zudem: "Die Drohung, Soldaten und Repräsentanten der einzigen Demokratie
im Nahen Osten und des einzigen jüdischen Staates der Welt zu fassen, ist
empörend." Israel werde "den gerechten Krieg gegen Terroristen, die auf
Völkermord aus sind, bis zum Sieg fortsetzen".

Eine solche Entscheidung des Strafgerichtshofs würde zwar nicht Israels
Vorgehen beeinflussen, wäre aber "ein gefährlicher Präzedenzfall, der die
Soldaten und Repräsentanten aller Demokratien bedroht, die gegen brutalen
Terrorismus und rücksichtslose Aggression kämpfen", schrieb Netanjahu.

Israels Außenminister Israel Katz wies am Sonntag alle israelischen
Vertretungen an, sich sofort auf eine "schlimme antisemitische, antijüdische und
antiisraelische Welle auf der Welt vorzubereiten". Auch Sicherheitsmaßnahmen
rund um jüdische Einrichtungen sollten erhöht werden, so ein Sprecher des
Ministeriums zu der Anweisung an die Botschaften.

Juristisch würde ein Haftbefehl des IStGH gegen Netanjahu und andere
israelische Bürger bedeuten, dass Staaten, die die Statuten des IStGH
unterzeichnet haben, verpflichtet wären, diese Personen festzunehmen und an den
Gerichtshof zu überstellen - sofern diese sich auf das Hoheitsgebiet dieser
Staaten begeben.

Chefankläger Karim Khan hat bereits vier internationale Haftbefehle gegen
hochrangige Russen erlassen wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen, darunter auch
gegen Präsident Wladimir Putin.

Der Internationale Strafgerichtshof verfolgt Individuen wegen mutmaßlicher
Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord. Israel
erkennt das Gericht nicht an. Aber die palästinensischen Gebiete sind
Vertragsstaat. Daher darf der Ankläger auch ermitteln.

Dagegen soll der Internationale Gerichtshof, ebenfalls mit Sitz in Den Haag, Konflikte zwischen Staaten lösen. Dieses höchste UN-Gericht hatte kürzlich
Israel ermahnt, alles zu tun, um möglichen Völkermord in Gazastreifen zu
verhindern.

Angehörige von Geiseln der islamistischen Hamas hatten den Strafgerichtshof
im Februar dazu aufgerufen, gegen die Führer der Terrororganisation zu ermitteln
und Haftbefehle zu erlassen. Sie forderten strafrechtliche Ermittlungen wegen
Geiselnahme, sexueller Gewaltverbrechen, Folter und Mord.

Bei den Attacken der Hamas im israelischen Grenzgebiet am 7. Oktober waren
rund 1200 Menschen getötet und mehr als 250 als Geiseln in den Gazastreifen
verschleppt worden. Die Angriffe waren Auslöser für die militärische Offensive
Israels im Gazastreifen, bei der nach Angaben der von der Hamas kontrollierten
Gesundheitsbehörde bisher mehr als 34 400 Menschen getötet worden
sind./pau/DP/he

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