28.04.2024 14:32:31 - dpa-AFX: POLITIK/Mit Elefant im Raum: AfD startet Europa-Wahlkampf ohne Spitzenkandidat

DONAUESCHINGEN (dpa-AFX) - Drinnen in der Halle steht ein Elefant im Raum,
und die AfD-Spitzenleute versuchen, auf verschiedene Art mit ihm umzugehen -
draußen legen Demonstranten den Finger genüsslich in die Wunde, die im
Europawahlkampf der Partei klafft. "Alternative für Diktatoren" steht auf einer
großen Leinwand, die beim AfD-Wahlkampfauftakt auf einem Transporter vor der
Halle im baden-württembergischen Donaueschingen angebracht ist. Darunter prangt
das Konterfei von Maximilian Krah, in der Hand hält er eine russische und eine
chinesische Fahne.

Vom Spitzenkandidaten selbst ist beim Wahlkampfauftakt am Samstag nichts zu
sehen: Wahlplakate mit seinem Gesicht sucht man in den Donauhallen vergeblich,
in den Spots zum Wahlprogramm ist er ebenfalls nicht zu entdecken.

Eigentlich hätte Krah gemeinsam mit den Parteichefs Alice Weidel und Tino
Chrupalla die heiße Phase des Wahlkampfs für die Abstimmung am 9. Juni eröffnen
sollen - stünde er nicht seit Wochen wegen Berichten über mögliche Verbindungen
zu prorussischen Netzwerken und zu China in den Schlagzeilen. Nach einem
Krisentreffen Weidels und Chrupallas mit Krah teilte die Partei am Mittwoch mit,
Krah verzichte auf einen Auftritt in Donaueschingen, "um den Wahlkampf sowie das
Ansehen der Partei nicht zu belasten". Andere Auftritte wurden teils ebenfalls
gestrichen, auch Wahlwerbespots mit Krah soll es nicht geben.

Spott von der Konkurrenz

Statt Spots gibt es nun Spott. "Erst vom Vorstand gedeckt, dann vom Vorstand versteckt - wie wäre es, wenn die AfD endlich mal mit der Wahrheit
herauskommt?", sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) am
Sonntag beim NRW-Tag der Jungen Union in Aachen. Und auch inhaltlich griff sie
die Rechtspopulisten an. Kein Mitgliedsstaat profitiere mehr vom europäischen
Binnenmarkt als Deutschland. Ein von der AfD ins Spiel gebrachter EU-Austritt
würde Deutschland etwa zehn Prozent Wirtschaftsleistung und 2,2 Millionen Jobs
kosten, sagte sie. "Das AfD-Europaprogramm ist ein
Arbeitsplatzvernichtungsprogramm."

In der Halle ist Krah trotz seiner Abwesenheit irgendwie Thema. Die beiden
Parteichefs gehen mit diesem Umstand unterschiedlich um.

Attacken der Parteispitze

Chrupalla dankt Krah, dass er auf den Auftritt verzichtet hat - und ruft
dazu auf, die Reihen zu schließen. "Es ist mittlerweile abenteuerlich, mit
welchen Mitteln unsere Partei zersetzt werden soll, wie man unsere Partei
beschädigen will, wie man Unruhe stiften will und Misstrauen", sagt Chrupalla.
Dem müsse und werde man widerstehen. "Wir werden mit dem Wahlkampf zeigen, dass
man uns nicht so schnell unterkriegen kann und dass wir geschlossen
zusammenstehen."

Co-Chefin Weidel nennt Krahs Namen nicht ein einziges Mal und hält sich
stattdessen an das Motto: Angriff ist die beste Verteidigung. Ihre Rede ist eine
Aneinanderreihung bewährter AfD-Klassiker: Sie schimpft auf Politiker der
Ampel-Parteien, spricht von "geballter Inkompetenz". Sie machten gezielt Politik
gegen die eigene Bevölkerung, sagt Weidel. Und wer die Ukraine unterstützen
wolle, der solle bitte selbst dorthin gehen. Der Saal tobt nach ihrer Rede, fast
alle springen von den Stühlen auf.

Ein Problem hat die AfD aber nicht nur mit ihrem Europa-Spitzenkandidaten
Krah. Auch gegen den Bundestagsabgeordneten Petr Bystron, der auf Platz zwei der
Liste steht, gibt es Vorwürfe zu Russland-Verbindungen. Staatsanwaltschaften
prüfen nach Medienberichten über mögliche Geldzahlungen bei beiden, ob
Ermittlungen aufgenommen werden - bei Krah zudem, ob es Ermittlungen wegen
möglicher chinesischer Zahlungen geben soll. Einer seiner Mitarbeiter wurde
wegen mutmaßlicher Spionage für China verhaftet. Der sächsische AfD-Politiker
selbst ist nach Aussagen kritischer Parteikollegen immer wieder mit
pro-chinesischen Äußerungen und Aktivitäten aufgefallen. Beide Politiker haben
gegenüber der AfD-Spitze versichert, kein Geld genommen zu haben.

Sollten sich die Vorwürfe trotzdem bewahrheiten, drohen ihnen Konsequenzen,
macht Chrupalla am Samstag erneut deutlich. Wer nachweislich käuflich sei, der
müsse gehen. "Aber es muss bewiesen und nachgewiesen werden."

Verunsicherung bei manchen Sympathisanten

Doch ein Teil der AfD-Sympathisanten scheint bereits verunsichert zu sein.
In einer Umfrage des Insa-Instituts zur Europawahl für die "Bild am Sonntag"
rutscht die Partei um zwei Punkte auf 17 Prozent im Vergleich zu einer
Insa-Befragung vor zwei Wochen. Damit liegt sie weit hinter der Union (29
Prozent) und nur noch knapp vor der SPD (16)./dna/DP/he

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