25.04.2024 15:59:37 - dpa-AFX: SPORT/ROUNDUP: Einer wie Klopp? Bo Henriksen ist der Muntermacher von Mainz

MAINZ/KÖLN (dpa-AFX) - Wie es im Abstiegskampf der Bundesliga gelaufen wäre,
wenn sich der 1. FC Köln damals für Bo Henriksen entschieden hätte? Diese
ketzerische Frage stellt sich spätestens an diesem Sonntag (17.30 Uhr/DAZN),
wenn der 49 Jahre alte Fußballtrainer mit dem FSV Mainz 05 im Tabellenkeller den
direkten Rivalen empfängt. Henriksen war im Januar auch in Köln im Gespräch.
Während der FC unter Trainer Timo Schultz als Nachfolger von Steffen Baumgart
immer noch tief im Schlamassel steckt, staunen in Mainz alle über den Aufschwung
unter Temperamentsbündel Henriksen.

"Der dänische Einpeitscher", so bezeichnete die "Frankfurter Rundschau"
diese Woche den Chefcoach der Nullfünfer. "Mutmacher, Muntermacher,
Bessermacher, Allesmacher." Mehr als "nur ein Motivator" sei Henriksen, schreibt
die "Allgemeine Zeitung". Und die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" erinnert gar
an den größten Fußballlehrer, den Mainz je hervorgebracht hatte: "Einen wie ihn
gab es im Club seit Jürgen Klopp nicht mehr."

Zumindest vom Habitus her erinnert Henriksen etwas an den heutigen
Liverpooler Starcoach Klopp. Gestenreich fordert der ehemalige Stürmer die
FSV-Fans im Stadion schon zur Unterstützung auf, wenn seine Profis sich noch
nicht einmal aufgewärmt haben. "Es ist wichtig für uns, dass wir die Fans im
Rücken haben. Wir fühlen das vor, während und nach dem Spiel. Die ganze Stadt
steht an unserer Seite. Das war seit meinem ersten Tag hier so und ist nicht
abgerissen", sagte Henriksen am Donnerstag.

An der Seitenlinie ist der Mainzer Coach derart engagiert, dass es zuletzt
in Freiburg selbst der SC-Bank um den bei Spielen wahrlich nicht emotionslosen
Christian Streich zu bunt wurde. Die Pressekonferenzen in Mainz sind - nach den
Henriksen-Vorgängern Bo Svensson (eher wortkarg) und Jan Siewert (extrem
vorsichtig) - inzwischen höchst unterhaltsam.

Der dabei freundliche Ex-Trainer des FC Zürich spricht manchmal Deutsch, am
liebsten aber Englisch und mitunter beides durcheinander: "For me it's egal -
das nächste Spiel ist das wichtigste." Genauso wichtig sei es ihm, "authentisch"
zu sein, deshalb fühle er sich mit Englisch sicherer.

Seine erste Aufgabe war, dass "die Mannschaft wieder mit dem Gedanken auf
den Platz geht, dass sie gewinnen kann. Und nicht, dass sie nicht verlieren
darf." Das ist ihm bestens gelungen: Aus einer völlig verunsicherten Gruppe hat
Henriksen ein Team geformt, das den Spaß und vor allem den Mut auf dem Platz
wiedergefunden hat und im Moment den Eindruck vermittelt, dass es in dieser Form
niemals absteigt. Seit 2009 spielt der FSV ununterbrochen im Oberhaus. "Die
Jungs glauben an sich selbst und ich glaube an sie", bekräftigte Henriksen.

Das war noch anders, als der Däne die Mainzer nach dem 21. Spieltag als
Schlusslicht übernahm. Damals hatte seine Mannschaft neun Punkte Rückstand auf
den 15. Platz - auf dem sie jetzt nach zuletzt fünf ungeschlagenen Spielen in
Serie steht. Bei seinem Amtsantritt lag Köln noch vier Punkte vor Mainz, jetzt
sind es fünf Punkte Rückstand. "Das ist das nächste Finale", sagte Henriksen
über die Bedeutung des Duells mit dem Tabellenvorletzten. "Wir gehen auf den
Platz, um zu gewinnen."

Für den Mainzer Sportvorstand Christian Heidel ist Henriksen ein
"Menschenfänger". Aber auch taktisch holt der Trainer gerade so ziemlich alles
raus, was in den Rheinhessen steckt. Auch wenn er in seiner Anfangsphase ein 1:8
beim FC Bayern einstecken musste - was er seinen Spielern schnell aus dem
Gedächtnis redete.

Wie einst Klopp wurde Henriksen am Rosenmontag als neuer Chefcoach
präsentiert. Dass bei jedem Coach in Mainz schnell Parallelen gesucht werden,
das kennt Heidel natürlich. "Man kann einen Trainer sehr leicht auf sein
Auftreten reduzieren. Das ging selbst Klopp lange Jahre so, obwohl er auch
inhaltlich genau wusste, was er tut." Der extrovertierte Henriksen ist kein Fan
von Vergleichen. "Ich bin einfach fantastisch darin, ich selbst zu sein", sagte
er kürzlich - wie es seine Art ist./ujo/DP/zb

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