25.04.2024 09:44:23 - dpa-AFX: ROUNDUP 2: Aufatmen bei Fahrgästen - Einigung in ÖPNV-Tarifstreit

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STUTTGART (dpa-AFX) - Zahlreiche Fahrgäste des Nahverkehrs in
Baden-Württemberg können aufatmen: Der Tarifkonflikt bei sieben kommunalen
Verkehrsunternehmen ist gelöst. In der fünften Verhandlungsrunde in der Nacht
zum Donnerstag sei ein Ergebnis erzielt worden, teilten die Gewerkschaft Verdi
und der Kommunale Arbeitgeberverband (KAV) am Morgen unabhängig voneinander in
Stuttgart mit. Weitere Streiks in der Landeshauptstadt sowie in Karlsruhe,
Heilbronn, Freiburg, Baden-Baden, Esslingen und Konstanz sind damit vom Tisch.
Die Verdi-Mitglieder müssen in einer zweiten Urabstimmung aber noch über die
Annahme des Ergebnisses entscheiden.

Die Einigung umfasst mehrere Punkte: Die Arbeitszeit der rund 6500
Beschäftigten soll den Angaben nach in drei Schritten von 39 auf 37,5
Wochenstunden mit Lohnausgleich gesenkt werden. Die Arbeitszeit wird zu Beginn
der Jahren 2025, 2026 und 2027 je um eine halbe Stunde reduziert. Freiwillig
können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch danach noch 39 Stunden die Woche
arbeiten. Dafür gibt es entsprechend mehr Geld.

Die Beschäftigten erhalten von Juli an eine neu geschaffene
Nahverkehrszulage in Höhe von 150 Euro im Monat. Zudem gebe es Verbesserungen
bei Verspätungen, Zuschlägen und Urlaubsgeld. Ein Beschäftigter im Fahrdienst
erhält rund 300 Euro mehr im Monat, wie die Gewerkschaft vorrechnet. Zusammen
mit der Senkung der Wochenarbeitszeit in drei Schritten entspreche das einem
Volumen von mehr als zwölf Prozent. Der neue Manteltarifvertrag läuft bis Ende
2025, die Regelungen zur Arbeitszeit bis Ende 2027.

Mit dem Rückenwind der Streikenden habe man die Blockade der Arbeitgeber
durchbrochen, teilte Verdi-Verhandlungsführer Jan Bleckert mit. Die
Arbeitszeitverkürzung setze zusätzlich neue Maßstäbe für den öffentlichen Dienst
im Land. "Damit werden die Jobs im kommunalen Nahverkehr im Land deutlich
attraktiver, die Beschäftigten erfahren eine Entlastung und der ÖPNV wird
nachhaltig gestärkt."

Arbeitgeber: Schmerzhafter und teurer Kompromiss

Der Arbeitgeberverband bezeichnete den Kompromiss als schmerzhaft und
kostenintensiv. Viele Kommunen hätten jetzt schon Probleme mit der Finanzierung
des Nahverkehrs. "Die Arbeitgeber haben mit diesem Kompromiss die
Belastungsgrenze maximal ausgereizt", teilte KAV-Hauptgeschäftsführern Sylvana
Donath mit. Auch mit der Arbeitszeitreduzierung sei man über den eigenen
Schatten gesprungen. Gleichzeitig erkenne man an, dass auch Verdi von
Maximalforderungen Abstand genommen habe.

Kürzere Arbeitszeiten erhöhten aber den Personalbedarf: "Wir hoffen, dass
wir mit dieser Entlastung der Beschäftigten die Attraktivität der
Nahverkehrsbranche wirklich steigern", sagte Donath. Aufgrund des Mangels an
Fachkräften bleibe es eine der zentralen Aufgaben der nächsten Jahre,
zusätzliche Mitarbeiter zu gewinnen.

Verdi und KAV hatten im Südwesten seit Ende Januar miteinander verhandelt.
Gegenstand waren wie in anderen Bundesländern die Arbeitsbedingungen. Die
Gespräche hatten sich aber in die Länge gezogen, die Fronten schienen zunehmend
verhärtet. Nach vier Runden und einem zeitweisen Abbruch hatte die Gewerkschaft
die Verhandlungen letztlich am 11. März für gescheitert erklärt. In einer
Urabstimmung sprachen sich anschließend rund 93 Prozent der Verdi-Mitglieder in
den Betrieben für die Möglichkeit unbefristeter Streiks aus.

Fünf Ausstände in allen Städten seit Februar

Die Folgen der zähen Verhandlungen bekamen vor allem Fährgäste zu spüren: In Teilen des Landes war der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) mehrmals
weitgehend lahmgelegt worden. Bus- und Straßenbahnfahrer in den sieben Städten
waren an fünf Tagen zeitgleich in den Ausstand getreten. Hinzu kamen einzelne
Arbeitskämpfe in verschiedenen Städten.

Zehntausende Pendlerinnen und Pendler mussten sich deshalb seit Anfang
Februar immer wieder Alternativen zu Bus und Bahn suchen. Von den Ausständen
betroffen waren zuletzt auch Abiturienten, denn die zwei Streiktage in der
vergangenen Woche fielen auf den Beginn der schriftlichen Abschlussprüfungen. An
den allgemeinbildenden Gymnasien waren unter anderem die Fächer Biologie und
Geschichte (bilingual Französisch) betroffen, an den Berufsgymnasien die
Mathematik-Prüfung./jwe/DP/zb

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