25.04.2024 06:28:05 - dpa-AFX: VERMISCHTES/Grimme-Institut in Finanznot: Preis-Gala mit Currywurst

MARL (dpa-AFX) - Roter Teppich und Star-Glamour mit Live-Übertragung: Die
Verleihung der begehrten Grimme-Preise für besonders gelungene TV-Produktionen
soll auch in diesem Jahr wieder ein Branchentreffen mit glücklichen Gesichtern
werden - allerdings ein Treffen ohne Grimme-Chefin Frauke Gerlach.

Hinter den Kulissen des Grimme-Instituts im nordrhein-westfälischen Marl,
das die Preise vergibt, rumort es ausgerechnet im 60. Jubiläumsjahr des Preises
gewaltig: Die nach rund zehn Jahren ausscheidende Gerlach fehlt
krankheitsbedingt, wie sie in einem Abschiedsbrief an die Mitarbeiter
angekündigt hat. Ihr Büro hat sie schon vor mehr als einem Monat leer geräumt.
Eine Nachfolge wurde noch nicht gefunden. Um die Lücke zu überbrücken, soll vom
Mai an ein Interims-Geschäftsführer aus dem Kreis der Grimme-Gesellschafter
kommissarisch die Führung übernehmen, hieß es auf Nachfrage seitens der
Gesellschafter.

Das Institut war durch den immensen Anstieg bei Tarifen, Energie- und
Veranstaltungskosten in die roten Zahlen gerutscht, ein drohendes Loch von über
400 000 Euro für 2024 konnte nur mit einem strikten Sparkurs und Lohnverzicht
der Angestellten geschlossen werden.

NRW-Medienminister Nathanael Liminski (CDU) äußert öffentlich auch
inhaltliche Kritik: Das Institut habe jenseits seines Kernauftrags weitere
Felder wie die Elternbildung und Medienkompetenzförderung übernommen, für die
andere Institutionen eher berufen seien, sagte er vor einigen Wochen in einem
Interview mit dem KNA-Mediendienst. Das Institut müsse sich wieder stärker auf
den "Output" konzentrieren.

"Grundlegend für die Zukunftssicherung des Grimme-Instituts sind neben einer soliden Finanzierung vor allem eine klare Strategie, eine zukunftsgerichtete
inhaltliche Positionierung und eine Fokussierung auf die Verleihung der Preise
und den Mediendiskurs als Kernkompetenzen", erklärte ein Sprecher des
NRW-Medienministeriums auf Anfrage.

Es ist noch unklar, ob angesichts der Sparzwänge der zweite große Wettbewerb des Instituts, der Grimme-Online-Award, in diesem Jahr nicht ganz ausfallen
wird. "Ich weiß es nicht", sagte der Institutssprecher auf Nachfrage. "Derzeit
gibt es keine konkreten Planungen für den Grimme-Online-Award 2024", sagte der
Ministeriumssprecher.

Auffällig ist die Stellenausschreibung für den neuen Grimme-Chef, in der
wirtschaftliche Kompetenz betont wird. Die Gesellschafter suchen nach der
Juristin Gerlach eine Person mit betriebswirtschaftlichem oder gleichwertigem
Hochschulabschluss. Erfahrungen des neuen Chefs oder der Chefin unter anderem im
Marketing und Budget-Management sollten dem Institut "Stabilität" verschaffen
und es für Kooperationspartner zunehmend attraktiv machen, heißt es in der
Ausschreibung.

Auch wenn für das laufende Jahr das Finanzloch geschlossen ist - die Lage
bleibt schwierig: Das Land bleibe ein verlässlicher Unterstützer des Instituts,
betont der Ministeriumssprecher. "Alle Gesellschafter prüfen derzeit weitere
Möglichkeiten der Finanzierung."

Anteilseigner sind das Land NRW und der Deutsche Volkshochschulverband (DVV) sowie der WDR und das ZDF, die Landesmedienanstalt sowie die Medienstiftung NRW
und die Stadt Marl. Das Land trägt mit 80 Prozent den Großteil des Jahresetats
gut drei Millionen Euro des Medieninstituts.

Passend zur Finanzlage sind die Planungen für die traditionelle Feier nach
der Verleihung der Grimme-Preise an diesem Freitag: Gefeiert wird nicht im
Theater, sondern mit begrenzter Teilnehmerzahl im nahegelegenen eigenen
Institutsgebäude. Auf große Küche können die Stars dabei nicht hoffen: Als
Mitternachts-Snack gibt es Currywurst.

Erst Ende November vergangenen Jahres hatten zahlreiche prominente
Schauspieler und TV-Persönlichkeiten sich in der aufkommenden Spardiskussion
noch in einem Brief für das Institut eingesetzt.

Das Grimme-Institut gebe dem Publikum seit vielen Jahren wertvolle
Orientierungshilfe, hieß es darin. "Diese traditionsreiche Medieninstanz muss
geschützt werden." Unterzeichnet hatten Schauspielerinnen, Moderatoren und
TV-Schaffende wie Hannes Jaenicke, Maren Kroymann, Carolin Kebekus, Anke
Engelke, Joko Winterscheidt, Klaas Heufer-Umlauf, Charly Hübner und Veronica
Ferres./rs/DP/zb

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