24.04.2024 16:47:01 - dpa-AFX: ROUNDUP: Abgeordneter ruft Verfassungsgericht wegen Klimaschutz-Reform an

KARLSRUHE/BERLIN (dpa-AFX) - Der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Heilmann
zieht gegen die Ampel-Reform des Klimaschutzgesetzes vor das
Bundesverfassungsgericht. Heilmann beantragte am Mittwoch in Karlsruhe eine
einstweilige Anordnung zum Stopp des Gesetzes. Er begründet den Schritt ähnlich
wie bei seinem erfolgreichen Verfahren gegen das Heizungsgesetz mit einer
"extrem verkürzte Beratungszeit" und zudem mit einer befürchteten Schwächung des
Klimaschutzes.

"Die Ampel weicht Klimaschutzziele nicht nur unzulässig auf, sondern führt
ein Verfahren, das bei keinem Kleingartenverein zulässig wäre", sagte Heilmann
der Deutschen Presse-Agentur. "Die Fehler sind massiver als beim sogenannten
Heizungsgesetz. Das Klimaschutzgesetz ist das Herzstück der deutschen
Klimagesetzgebung. Umso mehr müssen wir uns darum kümmern, dass es auch
verfassungskonform ist."

Heilmann will die für diesen Freitag geplante Verabschiedung der Reform des
Klimaschutzgesetzes im Bundestag verhindern. Heilmann hat eine Entscheidung bis
um 9.00 Uhr am Freitag beantragt. In der Hauptsache möchte Heilmann feststellen
lassen, dass sein Recht als Abgeordneter "auf Beratung sowie auf
gleichberechtigte Teilhabe als Abgeordneter an der parlamentarischen
Willensbildung" verletzt worden sei. Er schlägt vor, dies mit dem Verfahren zum
Heizungsgesetz zu verbinden.

Die geplante Reform

Die Reform des Klimaschutzgesetzes sieht grundlegende Änderungen vor. Bisher gilt: Wenn einzelne Sektoren wie der Verkehrs- oder Gebäudebereich gesetzliche
Vorgaben zum CO2-Ausstoß verfehlen, müssen die zuständigen Ministerien im
nachfolgenden Jahr Sofortprogramme vorlegen. Mit der Reform soll die Einhaltung
der Klimaziele nun nicht mehr rückwirkend nach Sektoren kontrolliert werden,
sondern in die Zukunft gerichtet, mehrjährig und sektorübergreifend. Wenn sich
in zwei aufeinander folgenden Jahren abzeichnet, dass die Bundesregierung bei
ihrem Klimaziel für das Jahr 2030 nicht auf Kurs ist, muss sie nachsteuern.

Bis 2030 muss Deutschland laut Gesetz seinen Treibhausgas-Ausstoß um
mindestens 65 Prozent im Vergleich zu 1990 senken. Bis 2040 sollen die
Treibhausgase um 88 Prozent sinken und bis 2045 soll Treibhausgasneutralität
erreicht werden - dann dürften also nicht mehr Treibhausgase ausgestoßen werden
als auch wieder gebunden werden können.

Die Kritik am Gesetz

Aus Heilmanns Sicht sind weitreichende Änderungen geplant, weshalb die
Abgeordneten Zeit zur Prüfung bräuchten. Umweltverbände hatten die Reform als
Verwässerung der geltenden Regeln kritisiert. Auch Heilmann befürchtet in seinem
Antrag "eine Abschwächung der Klimaziele für das laufende Jahrzehnt und eine
Verschiebung von CO2-Reduzierungslasten gerade im Verkehr und von Gebäuden in
das Folgejahrzehnt". Die Bundesregierung müsse mit der Reform zwar ständig
Berichte vorlegen, aber erst sehr spät konkrete Pläne, falls mehr Anstrengungen
beim Klimaschutz nötig würden. "Es geht um massive Grundrechtsfragen", betonte
Heilmann. "Was verschlampen wir heute, was morgen gemacht werden muss?" Er sehe
eine große Gefahr, dass sowohl der Europäische Menschenrechtsgerichtshof wie
auch das Bundesverfassungsgericht das Gesetz für verfassungswidrig erklären
könnten.

Ampel-Fraktionen weisen Bedenken zurück

Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Katja Mast,
erklärte: "Der Änderungsantrag, der am Freitagmittag verschickt wurde, hat im
wesentlichen drei Änderungen auf 3,5 Seiten. Diese verändern die Systematik des
Gesetzes nicht."

Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Irene Mihalic,
betonte, alle üblichen Fristen der Bundestags-Geschäftsordnung seien eingehalten
worden. Es sei nicht zu beanstanden, dass es nach einer Anhörung noch eine
Änderung gegeben habe, außerdem seien die Änderungen nicht besonders
umfangreich. "Die Abgeordneten des Bundestages hatten und haben die Gelegenheit,
den Gesetzentwurf und den Änderungsantrag eingehend zu lesen und sich vor der
abschließenden Beratung eine Meinung dazu zu bilden."

FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler äußerte sich ähnlich. "Die Koalition hat die
Reform des Klimaschutzgesetzes durch die regulären parlamentarischen Prozesse
geführt, ohne Sondersitzungen oder unnötige Eile", erklärte er. "Dass Heilmann
das planwirtschaftliche Klimaschutzgesetz auch in der Sache nicht verändern
will, zeigt wieder mal, dass die CDU ihren marktwirtschaftlichen Kompass
verloren hat."

Das Kabinett hatte die Reform bereits im Juni vergangenen Jahres beschossen. Die Ampel-Fraktionen SPD, Grüne und FDP einigten sich nach langem Ringen am 14.
April auf die Details der Reform verständigt und gaben dies einen Tag später
bekannt. Die Änderungsanträge lagen laut Heilmanns Antrag ab dem Mittag des 19.
April vor, allerdings nur in vorläufiger Fassung.

Blaupause ist das Verfahren gegen das Heizungsgesetz

Das Bundesverfassungsgericht hatte im vergangenen Sommer die Verabschiedung
des Heizungsgesetzes (Gebäudeenergiegesetz) gestoppt, bei dem Heilmann ebenfalls
den engen Zeitplan bemängelt hatte. Das Gesetz wurde dann im September vom
Bundestag verabschiedet. "Die Verfahrensfehler halte ich für noch gravierender
als sie beim Heizungsgesetz waren", erklärte Heilmann nun. Zwar sei der
Gesetzestext viel weniger umfangreich, die Komplexität der Fragen, die sich aus
der Reform für den Klimaschutz ergebe, sei aber deutlich höher./hrz/DP/ngu

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