23.04.2024 06:25:07 - dpa-AFX: VERMISCHTES/75 Jahre Commonwealth: Doch wer will Charles noch als König?

LONDON (dpa-AFX) - Es ist ein Geburtstag mit Nebengeräuschen. 75 Jahre wird
der Staatenbund Commonwealth in seiner modernen Form an diesem Freitag (26.
April) - und ist damit so alt wie sein Oberhaupt König Charles III. Der
britische Monarch ist noch immer offiziell der Staatschef von einem guten
Dutzend der 56 Mitglieder. Doch in mehreren Ländern steigt der Wunsch, die Bande
zum Königshaus zu kappen - ausgerechnet wenn der König wegen seiner
Krebserkrankung weniger in Erscheinung treten kann.

Bei der Commonwealth-Feier im März wandte sich Charles per Videobotschaft an die Mitglieder und warb um Einheit. Sein Sohn und Thronfolger Prinz William (41)
hatte bereits vor Längerem deutlich gemacht, dass die Krone nicht zwingend auf
Dauer die Führungsrolle beansprucht und einen Republik-Kurs von Mitgliedern
unterstützen würde. Seit dem Tod von Queen Elizabeth II., die nach Ansicht von
Experten als einigende Figur gesehen wurde, legen vielerorts die
Monarchie-Gegner in den Umfragen zu - auch im Vereinigten Königreich selbst.

Jamaika will Referendum vor nächster Parlamentswahl

Kritisch ist die Lage für die Krone vor allem in der Karibik, wo Charles das Oberhaupt von gleich acht Ländern ist. Am deutlichsten wird dies in Jamaika. Als
Prinz Harry, der jüngere Sohn von Charles, und seine Ehefrau Herzogin Meghan im
Januar in der jamaikanischen Hauptstadt Kingston bei der Premiere des Spielfilms
"Bob Marley: One Love" waren und dort mit Premierminister Andrew Holness
fotografiert wurden, kamen Vorwürfe fehlender Sensibilität in der britischen
Presse auf. Denn Holness hatte im März 2022 bei einem Besuch von Harrys Bruder
William und dessen Frau Prinzessin Kate, der als PR-Desaster für die Royals
endete, eine Abkehr von der Monarchie angedeutet.

Die Vorbereitungen für ein Referendum über eine entsprechende
Verfassungsänderung laufen noch in dem Inselstaat, der durch Sklavenarbeit auf
Zuckerrohrplantagen früher eine äußerst lukrative Kolonie war und 1962
unabhängig wurde. Jamaikas Regierung will den Prozess vor der Parlamentswahl im
kommenden Jahr abschließen. Die Regierungen mehrerer weiterer karibischer
Commonwealth-Mitglieder erklärten ihre Absicht, ebenfalls Schritte einzuleiten,
um Republiken zu werden - darunter die Bahamas sowie Antigua und Barbuda. Weit
fortgeschritten sind diese Pläne dort bislang jedoch nicht.

Allerdings gab in einer Umfrage des britischen Meinungsforschers Lord
Ashcroft kurz vor der Krönung von Charles im Mai 2023 eine Mehrheit in drei
Karibikländern an, eine Abschaffung der Monarchie zu befürworten. Für Sklaverei
und Apartheid in der Kolonialzeit fordert die karibische Gemeinschaft Caricom
Wiedergutmachung und eine Entschuldigung.

Künftig keine Royals mehr auf Geldscheinen in Australien

In Australien steht mit Premierminister Anthony Albanese ein erklärter
Republikaner an der Regierungsspitze, der grundsätzlich für eine Abschaffung der
konstitutionellen Monarchie in dem Commonwealth-Land eintritt. Albanese hatte in
der Vergangenheit ein neues Referendum angedeutet. 1999 hatten sich die
Australier mehrheitlich für die Krone ausgesprochen. Doch zuletzt ließ sich die
Regierung nicht mehr festlegen. Die Frage habe keine Priorität, es gebe keinen
Zeitplan, sagte das zuständige Kabinettsmitglied Matt Thistlethwaite zu
Jahresbeginn. Umfragen deuten auf ein sehr knappes Ergebnis, sollte es noch
einmal zu einem Votum kommen.

Das Thema flammt immer wieder auf - so zuletzt nach dem Tod von Queen
Elizabeth II. im September 2022. Anlässlich eines nationalen Trauertags zu ihren
Ehren protestierten damals Tausende. Fahnen wurden verbrannt, eine Hommage an
die Queen in den Farben der Flagge der Ureinwohner übermalt. Denn gerade
Aborigines bringen die Monarchie mit der Kolonialisierung und Unterdrückung
indigener Völker in Verbindung.

Im vergangenen Jahr wurde dann bekannt, dass König Charles als neues
Staatsoberhaupt nicht auf dem australischen Fünf-Dollar-Schein zu sehen sein
wird. Das bisherige Porträt der Queen wird mit einem Design ersetzt, das die
Kultur und Geschichte der Ureinwohner würdigt. Damit sind die Royals künftig auf
keinem australischen Geldschein mehr vertreten - lediglich auf Münzen. Der König
plant trotz seiner Krebserkrankung noch in diesem Jahr einen Besuch in Down
Under - und will auch an einem Treffen der Commonwealth-Regierungschefs im
Pazifik-Inselstaat Tonga teilnehmen.

"God Save the King" in Kanada

In Kanada gab es zuletzt positive Signale für die Royals. Ein Antrag, die
Parlamentarier von ihrem Eid auf den König zu entbinden, scheiterte - woraufhin
den Royals freundlich gesonnene Abgeordnete spontan "God Save the King"
anstimmten. Doch in Umfragen sprechen sich regelmäßig mehr Kanadier für ein
gewähltes Staatsoberhaupt aus als für die Monarchie. Die Umsetzung dürfte aber
schwierig werden, denn die Verfassung sieht sehr hohe Hürden für eine Änderung
der Staatsform vor.

Doch für den König gibt es eine Baustelle, mit der bis vor Kurzem kaum zu
rechnen war - direkt vor seiner Haustür. Im Vereinigten Königreich steigt
langsam die Zahl derjenigen, die die Monarchie abschaffen wollen. Seit dem Tod
der Queen treten die Gegner der Institution zudem sichtbarer auf, kaum ein
royaler Termin, an dem nicht die gelben "Not my King"-Fahnen der Organisation
Republic zu sehen sind.

Auch vor der Westminster Abbey am Commonwealth Day, als Charles' Ehefrau
Königin Camilla und Sohn William die Feierlichkeiten anführten, schwenkten sie
die Fahnen mit der Aufschrift "Nicht mein König". Die Royals nutzten das
Commonwealth nur als Vehikel für ihre eigene PR, kritisierte Republic-Chef
Graham Smith. "Die Plattitüden, die wir von Charles und Camilla hören, dienen
nur dazu, ernsthafte Bedenken über Menschenrechtsverletzungen und einen Mangel
an Demokratie in vielen Commonwealth-Ländern zu überdecken."/bvi/DP/zb

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