23.04.2024 06:22:17 - dpa-AFX: POLITIK: Neue Regeln sollen mehr Nierenspenden ermöglichen

BERLIN (dpa-AFX) - Eine Organspende ist für viele Gesunde vor allem eine
Frage für die Zeit nach dem Tod. Doch manche Organe wie Nieren können schon zu
Lebzeiten entnommen werden und Schwerkranken ersehnte Rettung bringen. Ein
prominenter Spender war der heutige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der
seiner Frau Elke Büdenbender 2010 eine Niere gab. Doch dafür gelten bisher enge
Vorgaben, und nicht immer sind Organe dann auch passend. Für Nierenspenden
sollen deshalb erweiterte gesetzliche Regeln kommen, wie ein Entwurf des
Bundesgesundheitsministeriums von Ressortchef Karl Lauterbach (SPD) vorsieht.

Vor dem Hintergrund anhaltend niedriger Organspendezahlen bei Verstorbenen
und langer Wartezeiten von bis zu acht Jahren auf eine Nierentransplantation sei
eine Novellierung des Transplantationsgesetzes notwendig, heißt es in dem
Entwurf, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Zunächst berichtete der
"Stern" darüber. Zentrales Ziel ist es demnach, den Kreis der Spender und
Empfänger zu erweitern.

Das Problem: Seit langem reiche die Zahl der Spendernieren nicht, um den
Bedarf zu decken, wird im Referentenentwurf erläutert. So meldeten sich im
vergangenen Jahr mehr als 2600 Menschen auf der Warteliste an, 289 Patientinnen
und Patienten starben nach Angaben der Stiftung Eurotransplant noch während der
Wartezeit. Ohne neue Spenderniere benötigen Patienten aufwendige
Dialysebehandlungen.

Die bestehenden Regeln: Für Nierenspenden zu Lebzeiten gelten derzeit enge
Grenzen. Sie sind laut Gesetz nur zulässig an Verwandte ersten oder zweiten
Grades, Ehegatten, eingetragene Lebenspartner, Verlobte oder andere Personen,
die Spendern "in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahestehen".
Vorrang haben außerdem zuerst mögliche Spenderorgane von Verstorbenen.

Nicht passende Organe: Schwierig wird es, wenn Organspenden aus
medizinischen Gründen nicht möglich sind und die Niere abgestoßen werden könnte.
Denn für eine Transplantation müssen Faktoren übereinstimmen, wozu eine
kompatible Blutgruppe gehört. Bis zu 40 Prozent der Nierenspenderinnen und
-spender seien aber mit ihren vorgesehenen Empfängerinnen und Empfängern
inkompatibel, heißt es im Entwurf. Dann hätten Betroffene nur noch die Option,
sich auf Wartelisten zu setzen.

Neue Ausrichtung: Generell möglich werden sollen mit den Gesetzesplänen mehr Lebendspenden. Dafür soll zum einen die Vorgabe aufgehoben werden, dass sie nur
zulässig sind, wenn kein Organ eines Gestorbenen verfügbar ist. Abweichend von
den Vorgaben zum "Näheverhältnis" von Spender und Empfänger sollen Spenden
lebender Personen auch in zwei zusätzlichen Konstellationen ermöglicht werden.

Überkreuzspenden: Geregelt werden soll zum einen das Übertragen einer Niere, wenn es unter Organspendepaaren medizinisch nicht möglich ist. Dabei geht die
Niere nicht an die vorgesehene nahestehende Person, sondern "über Kreuz" an eine
passende Empfängerin oder einen passenden Empfänger, die mit einem geplanten
nahestehenden Spender ebenfalls nicht kompatibel sind. Im Gegenzug geht die
Spenderniere des anderen Paares an die Empfängerin oder den Empfänger des ersten
Paares. Solche Kombinationen können auch mehr als zwei Paare umfassen.

Anonyme Spende: Kommen soll als zweite neue Möglichkeit eine uneigennützige
Nierenspende, ohne dass die Person den Empfänger oder die Empfängerin kennt. Die
Niere kann dann an ein nicht passendes Organspendepaar gehen oder an jemanden
auf der Warteliste. Die Vermittlung richte sich nur nach medizinischen
Kriterien, heißt es im Entwurf. Das solle einer möglichen Kommerzialisierung
vorbeugen. Diese anonymen Spenden sollen einen geplanten nationalen "Pool"
ergänzen, der miteinander kompatible Spender und Empfänger ermitteln soll.

Schutz und Aufklärung: Geregelt werden sollen eine umfassende Aufklärung und Beratung der Spenderinnen und Spender vor einer Spende und eine individuelle
Betreuung im Transplantationszentrum über den gesamten Prozess. Dazu soll es in
den Zentren verpflichtend mindestens eine Vertrauensperson geben. Besonderer
Schutz sei geboten, da dies kein Heileingriff sei, sondern für Spender Risiken
und oft eine emotional belastende Lage bedeute. Spender sollen auch mit
Extrapunkten auf der Warteliste berücksichtigt werden, wenn sie selbst einmal
eine Niere brauchen./sam/DP/zb

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