19.04.2024 11:43:16 - dpa-AFX: ROUNDUP 2: Mutmaßlich israelischer Angriff im Iran - keine Schäden berichtet

TEHERAN (dpa-AFX) - Israel hat trotz internationaler Warnungen als Reaktion
auf einen Großangriff vom vergangenen Wochenende eine Vergeltungsaktion gegen
den Iran ausgeführt. Die "New York Times" berief sich dabei auf zwei israelische
und drei iranische, namentlich nicht genannte Regierungsmitarbeiter. Aus Sorge
vor einem neuen großen Krieg in Nahost hatten die USA, Großbritannien,
Deutschland und andere Staaten in den vergangenen Tagen versucht, Druck auf
Israels Regierung auszuüben, damit sie wegen einer drohenden Eskalationsgefahr
auf einen Angriff auf iranischen Boden verzichtet.

Wie die Sender CNN, ABC News, Fox News und weitere Medien berichteten,
führte Israel in der Nacht zum Freitag eine Militäroperation im Iran aus. Eine
oder mehrere israelische Raketen hätten ein Ziel im Iran angegriffen. Berichte
über Schäden gab es zunächst nicht. Israel und das US-Verteidigungsministerium
äußerten sich bisher nicht.

Irans Staatsmedien wiesen Berichte über Raketenangriffe zurück. Es habe sich um keine breit angelegte Attacke gehandelt, berichtete die staatliche
Nachrichtenagentur Irna am Freitagmorgen. "Vor ein paar Stunden wurden mehrere
kleine Flugobjekte am Himmel von Isfahan gesichtet und getroffen", sagte eine
Reporterin in einer Live-Schalte des Staatsfernsehens. Der kurzzeitig
unterbrochene Luftverkehr sei wieder aufgenommen worden. Die iranische Regierung
wies zugleich Berichte zurück, wonach der Sicherheitsrat des Landes zu einer
Notsitzung zusammengekommen sei.

Es wird sich zeigen, ob und wie der Iran jetzt reagieren wird und ob die
Feindseligkeiten weiter eskalieren oder die Zeichen auf Deeskalation stehen.
Irans Militärführung kündigte zunächst eine Untersuchung an. Nach
US-Medienberichten versucht die iranische Führung, den Angriff
herunterzuspielen.

Der Iran hatte am Wochenende erstmals mit mehr als 300 Raketen und Drohnen
Israel direkt angegriffen. Hintergrund der iranischen Raketen- und
Drohnenangriffe war ein mutmaßlich von Israel geführter Angriff auf das
iranische Botschaftsgelände in der syrischen Hauptstadt Damaskus, bei dem Anfang
April zwei Generäle der iranischen Revolutionsgarden getötet wurden. Irans
Staatsführung kündigte daraufhin Vergeltung an. In den vergangenen Tagen drohte
Irans Militärführung mit einer entschiedenen Antwort, sollte Israel den Iran
angreifen. Noch nie standen die verfeindeten Länder so nah an einem Krieg.

Israel hat mit dem mutmaßlichen Luftschlag im Iran einem US-Medienbericht
zufolge Teheran zeigen wollen, dass es Ziele im Land angreifen kann. Das
israelische Militär habe den Angriff als Vergeltung für Teherans Drohnen- und
Raketenbeschuss am vergangenen Wochenende ausgeführt, berichtete die "Washington
Post" unter Berufung auf einen namentlich nicht genannten israelischen
Regierungsbeamten.

Nach Einschätzung des US-Militärexperten Cedric Leighton hat Israel mit dem
Vorgehen, das "ganz klar eine direkte Reaktion auf die iranischen Angriffe vom
Wochenende gewesen sei", bewiesen, dass das iranische Luftabwehrsystem nicht
annähernd die Fähigkeiten des israelischen Luftabwehrsystems habe.

Der CNN-Militärexperte Mark MacCarley sagte: "Die Israelis mussten
Vergeltung üben, aber diese Vergeltung enthielt auch eine Botschaft, nämlich:
Ja, wir können es schaffen. Macht das nicht noch einmal. Wenn ihr es noch einmal
tut, dann wird Chaos ausbrechen."

CNN berichtete weiter, Atomanlagen seien kein Ziel der Angriffe gewesen.
Auch die Internationale Atomenergiebehörde gab Entwarnung. Es seien keine
iranischen Atomanlagen beschädigt worden, meldete die Organisation in Wien.
IAEA-Chef Rafael Grossi rufe weiterhin "alle zu äußerster Zurückhaltung auf",
hieß es in einer Stellungnahme auf X, vormals Twitter. Nukleare Anlagen sollten
nie Ziele in militärischen Konflikten sein, betonte er.

Laut der israelischen Zeitung "Jerusalem Post" galt der Angriff einer
Luftwaffenbasis in Isfahan, unweit iranischer Atomanlagen. Die Botschaft sei
unmissverständlich gewesen: "Wir haben uns entschieden, eure Atomanlagen diesmal
nicht zu treffen, aber wir hätten hier Schlimmeres tun können", erklärten nicht
näher genannte Quellen der Zeitung.

Am Himmel über der iranischen Provinz Isfahan wurden in der Nacht
Staatsmedien zufolge mehrere kleine Flugobjekte beschossen. Zuvor war über eine
Explosion nahe der gleichnamigen Millionenstadt Isfahan berichtet worden, die
laut den Staatsmedien von der Luftabwehr ausgelöst wurde. Berichten zufolge
ereignete sich die Explosion unweit eines Militärstützpunktes. Ein General
sagte, der Grund für die Explosion sei die Luftabwehr gewesen. "Wir hatten keine
Schäden oder Vorfälle", erklärte der Offizier.

In Isfahan befinden sich wichtige Einrichtungen der iranischen
Rüstungsindustrie, unter anderem Fabriken zur Raketenherstellung. Auch das
größte nukleare Forschungszentrum des Landes ist in der Kulturstadt mit ihren
rund zwei Millionen Einwohnern angesiedelt. Laut dem Rundfunk bestand für die
dortigen Atomeinrichtungen keine Gefahr. Ende Januar 2023 war im Iran eine
Munitionsfabrik des Verteidigungsministeriums nahe der Metropole Isfahan mit
mehreren kleinen Fluggeräten angegriffen worden. Der Iran hatte damals seinen
Erzfeind Israel als Drahtzieher für die Attacke verantwortlich gemacht.

In den vergangenen Monaten nach Beginn des Gaza-Kriegs hat sich der
jahrzehntealte Konflikt zwischen Israel und der Islamischen Republik Iran
dramatisch zugespitzt. Der jüdische Staat sieht sich nach Angriffen von Milizen
im Libanon, in Syrien, im Irak und im Jemen, die mit dem Iran verbündet sind, an
mehreren Fronten unter Beschuss. Seit der Revolution von 1979 gelten die USA und
Israel als Erzfeinde der Islamischen Republik. Netanjahu bezeichnete den Iran in
der Vergangenheit ebenfalls als "wichtigsten Feind".

Israel sieht in dem umstrittenen Atomprogramm sowie dem massiven Raketen-
und Drohnenarsenal des Irans die größte Bedrohung seiner Existenz. Die USA haben
Teheran immer wieder unterstellt, nach Nuklearwaffen zu streben. Der Iran
bestreitet die Vorwürfe und beteuert, sein Atomprogramm rein zivil zu nutzen.
Ein religiöses Rechtsgutachten durch Chamenei hatte Massenvernichtungswaffen als
unvereinbar mit dem Islam verboten./arb/DP/stw

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