18.04.2024 11:09:42 - dpa-AFX: POLITIK: Iran verschärft Kontrollen gegen Kopftuchverstöße

TEHERAN (dpa-AFX) - Irans berüchtigte Sittenwächter gehen wieder verschärft
gegen Kopftuchverstöße vor. Nach Beginn der landesweiten Polizeiaktion am
vergangenen Samstag berichteten zahlreiche Frauen von verstärkten Kontrollen in
den Metropolen. Videos in sozialen Medien zeigten Einheiten der Moralpolizei an
belebten Plätzen im Zentrum der Hauptstadt Teheran sowie die gefürchteten
Minibusse, mit denen junge Frauen nach Missachtung der islamischen
Kleidungsvorschriften abtransportiert werden.

Augenzeugen bestätigten die verschärften Kontrollen, die im Schatten der
jüngsten militärischen Spannungen in Nahost erfolgten. "Der Beginn des neuen
Plans hat Sorgen und Hass ausgelöst", sagt eine 27-Jährige in Teheran. Sie hält
die Kontrollen für symbolisch, um Angst zu schüren. Eine 22-Jährige sagte,
Frauen würden nun vielleicht vor den Sittenwächtern ihr Kopftuch tragen, "aber
es wird dazu führen, dass die Leute den Hidschab und das System hassen". Auch
eine religiöse Frau hielt die neue Polizeiaktion für falsch: "Dieser Plan wird
nur Spannungen und Konflikte verursachen. Niemand ist durch Zwang, Nötigung und
Drohung Muslim geworden, und auch nicht durch das Tragen des Kopftuchs."

Die Sittenwächter hatten seit den von Frauen angeführten Massenprotesten im
Herbst 2022 weniger streng kontrolliert - auch weil sie mehr Gegenwehr erlebten.
Stattdessen haben die Sicherheitsbehörden Verstöße mittels Videoüberwachung
verstärkt. So wurden etwa Autos von Frauen festgesetzt, die mehrfach ohne
Kopftuch am Steuer erwischt worden waren. Die Behörden verfolgten auch Verstöße
im Netz, darunter fallen in der Regel etwa Bilder von Frauen ohne Kopftuch auf
Instagram. Geschäfte und Restaurants, deren Kundschaft die Kleidungsregeln
missachtete, wurden auf Anordnung geschlossen.

Seit Herbst 2022 ignorieren immer mehr Iranerinnen die strengen
Kleidungsvorschriften. Religiöse Hardliner versuchen dagegen anzukämpfen. Ein
neues Gesetz sieht drakonische Strafen vor. Die Reform wurde bereits vom
Parlament verabschiedet, ist aber weiterhin nicht in Kraft getreten. In den
kommenden Wochen soll eine überarbeitete Version dem sogenannten Wächterrat,
einem erzkonservativen Kontrollgremium, erneut vorgelegt werden.

Ausgelöst wurden die Proteste vom Tod der jungen iranischen Kurdin Jina
Mahsa Amini. Sittenwächter hatten die junge Frau wegen eines angeblich schlecht
sitzenden Kopftuchs festgenommen. Eine Expertenkommission im Auftrag der UN kam
zu dem Schluss, dass körperliche Gewalt nach der Festnahme zu ihrem Tod
führte./arb/DP/mis

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