16.04.2024 17:03:21 - dpa-AFX: ROUNDUP 2: IWF senkt Prognose für Deutschland - Weltwirtschaft widerstandsfähig

(neu: Nach Pk mit Gourinchas und mit Statement Lindner)

WASHINGTON (dpa-AFX) - Die Aussichten für die deutsche Wirtschaft
verschlechtern sich dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge weiter. Für
das laufende Jahr stellte der IWF am Dienstag in Washington ein
Wirtschaftswachstum von 0,2 Prozent in Aussicht. Im Januar hatte der IWF noch
ein Plus von 0,5 Prozent erwartet. Für die Weltwirtschaft insgesamt verbesserte
der Währungsfonds die Prognose hingegen leicht - von 3,1 Prozent auf nun 3,2
Prozent. "Die Weltwirtschaft ist nach wie vor bemerkenswert widerstandsfähig,
das Wachstum bleibt stabil, und die Inflation kehrt zum Zielwert zurück", heißt
es.

So blickt der IWF auf Deutschland

Für die Bundesrepublik prognostiziert der IWF für das laufende Jahr das
schwächste Wachstum aller führenden westlichen G7-Industriestaaten. Für 2025
rechnet der Fonds allerdings wieder mit einem Wachstum der deutschen Wirtschaft
von 1,3 Prozent. Schlusslicht der G7-Staaten wäre dann Italien mit nur 0,7
Prozent. Doch auch die Prognose für 2025 für die deutsche Wirtschaft hat der IWF
im Vergleich zu Januar um 0,3 Prozentpunkte gesenkt. Dies liege an der anhaltend
schwachen Verbraucherstimmung. Langfristig sorgt sich der Fonds mit Blick auf
Deutschland vor allem um strukturelle Probleme wie den Rückgang der arbeitenden
Bevölkerung und Hürden bei Investitionen.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sprach auf der Plattform X von
einer "Prognose, die auch den letzten davon überzeugen muss, dass wir in
Deutschland für einen Turnaround nunmehr an allen Stellschrauben drehen müssen -
von Arbeitsmarkt bis Steuern". Führende Wirtschaftsforschungsinstitute
prognostizieren für Deutschland für das laufende Jahr ein noch schlechteres
Wachstum von 0,1 Prozent. Für das kommende Jahr ist der Ausblick mit 1,4 Prozent
demnach etwas besser als der des Fonds.

IWF-Chefvolkswirt Pierre-Olivier Gourinchas sagte mit Blick auf die
Euro-Zone, 2025 werde erwartet, "dass sich die Geldpolitik zu lockern beginnt
und damit die finanziellen Rahmenbedingungen einfacher werden, und dass die
Kaufkraft der Haushalte und der Arbeitnehmer steigt, weil Lebenshaltungskosten
sinken, während die Reallöhne aufholen."

So blickt der IWF auf die Weltwirtschaft

Wie für das laufende Jahr prognostiziert der IWF für die Weltwirtschaft auch für 2025 ein Wachstum von 3,2 Prozent. Trotz vieler "düsterer Vorhersagen" sei
die Welt von einer Rezession verschont geblieben, so Gourinchas. Dabei habe es
in den vergangenen Jahren zahlreiche Herausforderungen gegeben: Unterbrechungen
der Lieferketten im Zuge der Coronapandemie, eine weltweite Energie- und
Nahrungsmittelkrise wegen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine, einen
beträchtlichen Anstieg der Inflation und als Reaktion eine straffe Geldpolitik
mit Zinsanhebungen.

Positiv sei, dass die hohe Inflation keine unkontrollierte
Lohn-Preis-Spirale ausgelöst habe, so der IWF. Dennoch sei das
Weltwirtschaftswachstum historisch schwach. Das gehe etwa auf kurzfristige
Faktoren wie die höheren Kosten für Kredite oder auch die weiter anhaltenden
Folgen des Kriegs in der Ukraine oder der Pandemie zurück. Angesichts der hohen
Staatsverschuldung in vielen Volkswirtschaften könnten Steuererhöhungen und
Ausgabenkürzungen die Wirtschaftstätigkeit allerdings weiter schwächen.

USA als "Überperformer"

Die Wirtschaft in der Industrienation USA entwickelt sich laut IWF deutlich
besser als erwartet. Die Wachstumsprognose für dieses Jahr wurde um 0,6
Prozentpunkte auf 2,7 Prozent nach oben korrigiert. Im kommenden Jahr soll die
größte Volkswirtschaft der Welt dann aber nur noch um 1,9 Prozent wachsen
(Januar: 1,7). Die USA und mehrere Schwellenländer zeigten eine
"Überperformance". Das liege etwa an einer großen privaten Nachfrage und einer
guten Lage auf den Arbeitsmärkten.

So sieht es in China und Russland aus

Chinas Wirtschaft werde durch den anhaltenden Abschwung im Immobiliensektor
weiter beeinträchtigt, urteilt der IWF. Die Inlandsnachfrage werde noch einige
Zeit schwach bleiben, wenn es keine weitreichenden Reformen gebe. Wie im Januar
rechnet der IWF in diesem Jahr mit einem Wachstum von 4,6 Prozent und für 2025
mit 4,1 Prozent.

Seine Prognose für Russland hat der Fonds nach oben korrigiert: Im laufenden Jahr sagt der IWF ein Wachstum von 3,2 Prozent (Januar: 2,6 Prozent) voraus,
kommendes Jahr sollen es nur noch 1,8 Prozent (Januar: 1,1 Prozent) sein. Dies
liege daran, dass "die Auswirkungen der hohen Investitionen und des robusten
privaten Verbrauchs, unterstützt durch Lohnzuwächse auf einem angespannten
Arbeitsmarkt, verblassen", so der IWF.

Zuletzt hatten Experten darauf verwiesen, dass die russische Wirtschaft von
einem hohen Anteil an Militärausgaben profitiere, was die Produktion anrege.
Zudem habe es Sozialtransfers gegeben, die den Konsum ankurbelten. Als
problematisch könnte sich aus Sicht von Ökonomen erweisen, dass Russland vom
internationalen Finanzsystem abgeschnitten sei und nur eingeschränkten Zugang zu
Technologien habe.

Wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hat der Westen
Russland mit weitreichenden Sanktionen belegt. Russisches Öl, das vorwiegend
nach China und Indien exportiert wird, wird aber oberhalb der von den G7-Staaten
und der Europäischen Union auferlegten Preisobergrenze von 60 US-Dollar
gehandelt. Russland setzt auf eine sogenannte Schattenflotte - also Schiffe, die
nicht in der Hand westlicher Reedereien oder auf westliche Versicherungen
angewiesen sind.

So entwickeln sich die Verbraucherpreise

Für 2024 rechnet der IWF weltweit mit einer Teuerungsrate von im Schnitt 5,9 Prozent, 0,1 Prozentpunkte mehr als noch im Januar prognostiziert. Im kommenden
Jahr soll sie dann bei 4,5 Prozent (Januar: 4,4 Prozent) liegen. Für die
Industrienationen hat der IWF deutlich positivere Aussichten mit einer
Inflationsrate vom im Schnitt 2 Prozent im kommenden Jahr. "Etwas
besorgniserregend ist, dass die Fortschritte bei der Erreichung der
Inflationsziele seit Anfang des Jahres etwas ins Stocken geraten sind", schreibt
Gourinchas. Dies könne ein vorübergehender Rückschlag sein, aber es gebe Gründe,
wachsam zu bleiben.

Das macht dem IWF Sorgen

Der Fonds sieht Risiken, die das Wachstum ausbremsen können. Neue
Preissteigerungen aufgrund geopolitischer Spannungen könnten zu dauerhaft
höheren Leitzinsen führen. Zentralbanken heben im Kampf gegen steigende
Verbraucherpreise die Zinsen an, um die Nachfrage auszubremsen. Steigen Zinsen,
müssen Privatleute und Wirtschaft mehr für Kredite ausgeben. Das Wachstum nimmt
ab, Unternehmen können höhere Preise nicht unbegrenzt weitergeben - und
idealerweise sinkt die Inflationsrate.

Der IWF warnt außerdem davor, dass eine zunehmende geopolitische
Fragmentierung mit Blick auf Lieferketten sowohl ein geringeres Wachstum als
auch eine höhere Inflation zur Folge haben könnten. Gerate das Wachstum in China
dauerhaft ins Stocken, könnte das dem Fonds zufolge auch Handelspartner
schwächen. Eine beunruhigende Entwicklung sei außerdem die wachsende Kluft
zwischen vielen ärmeren Ländern und dem Rest der Welt./nau/DP/nas

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