28.03.2024 21:04:58 - dpa-AFX: ROUNDUP 3: Enttarnte prorussische Plattform nährt Sorge in Deutschland

(Aktualisierung: Faeser im 2. und 6. Absatz)

PRAG/BERLIN (dpa-AFX) - Die Enttarnung eines prorussischen Netzwerks in
Europa schürt Sorgen vor Kreml-Propaganda in Deutschland. "Auch die
Bundesrepublik Deutschland bleibt weiterhin ein wichtiges Ziel russischer
Einflussbemühungen", erklärte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums am
Donnerstag auf Anfrage. Die tschechische Regierung hatte zuvor Sanktionen gegen
die Betreiber der Internetseite "Voice of Europe" verhängt, weil diese Teil
einer russischen Einflussoperation sei. Deren Ziel sei es, die territoriale
Unversehrtheit, Souveränität und Freiheit der Ukraine infrage zu stellen.

"Wieder sehen wir das massive Ausmaß der Lügen und der Desinformation, mit
dem Putins Regime das Vertrauen in unsere Demokratie erschüttern, Wut schüren
und die öffentliche Meinung manipulieren will", sagte Bundesinnenministerin
Nancy Faeser (SPD) dem "Spiegel" am Donnerstag. "Diese Versuche der
Einflussnahme zielen gerade auch auf Deutschland." Die Ministerin sprach von
einem "wichtigen Schlag gegen den russischen Propaganda-Apparat". Es sei
"wichtig, dass diese Einflussoperation vor der Europawahl aufgedeckt wurde",
sagte die SPD-Politikerin.

Auch in Polen gab es Durchsuchungen in Zusammenhang mit der Enttarnung eines prorussischen Netzwerks. Wie der Inlandsgeheimdienst ABW am Donnerstag
mitteilte, wurden bei der Aktion am Vortag in Warschau und der schlesischen
Stadt Tychy 48 500 Euro und 36 000 Dollar (33 303 Euro) sichergestellt. Es gehe
um Aktivitäten zur Organisation prorussischer Initiativen und Medienkampagnen in
EU-Ländern. Zweck dieser Kampagne war es demnach, die außenpolitischen Ziele des
Kremls umzusetzen.

Von den tschechischen Sanktionen betroffen ist unter anderem der Oligarch
Wiktor Medwedtschuk, der als Vertrauter des russischen Präsidenten Wladimir
Putin gilt. Die Zeitung "Denik N" berichtete unter Berufung auf
Geheimdienstkreise, über das Einfluss-Netzwerk seien bei Besuchen in Prag auch
Gelder in bar an Politiker aus Deutschland, Frankreich, Polen, Belgien, den
Niederlanden und Ungarn gezahlt worden.

Zu Zahlungen an deutsche Politiker äußerte sich das Bundesinnenministerium
nicht. Die Sprecherin bestätigte nur, dass länderübergreifende Zusammenarbeit
der europäischen Sicherheitsbehörden "eine russische Einflussoperation gegen das
Europäische Parlament aufgedeckt" habe. Das Netzwerk um den ebenfalls mit
tschechischen Sanktionen belegten ukrainischen Staatsangehörigen Artjom
Machewskyj übe "im Auftrag Russlands illegitimen Einfluss auf das Europäische
Parlament aus. Dazu benutzt es Politikerinnen und Politiker aus mehreren
europäischen Ländern und stellt erhebliche Geldmittel zur Verfügung."

Das Portal hatte unter anderem Interviews mit den AfD-Politikern Maximilian
Krah und Petr Bystron verbreitet, die Platz eins und zwei auf der AfD-Liste zur
Europawahl einnehmen. Faeser sagte dazu: "Dass selbst führende AfD-Politiker
immer wieder auf dem Desinformationsportal auftauchten, zeigt: Die Putin-Freunde
der AfD lassen sich hier immer wieder einspannen und zum Teil des russischen
Propaganda-Apparats machen."

Krah teilte dem "Spiegel" mit, er habe "Voice of Europe" zwei Interviews
gegeben, eines davon in Prag. "Geld habe ich dafür selbstverständlich keines
bekommen, weder für mich, noch für die Partei." Auch das Hotel habe er selbst
bezahlt. Medwedtschuk und Machewskyj kenne er aus unterschiedlichen Kontexten,
erklärte Krah laut "Spiegel" weiter. Auch von ihnen habe er "nie Geld oder
geldwerte Leistungen angenommen".

Krahs Büroleiter Jörg Sobolewski bestätigte der Deutschen Presse-Agentur die Aussagen, dass Krah kein Geld für die Interviews bekommen habe. Bei
Interviewanfragen behandele man alle Medien gleich: Die Gespräche würden
gemacht, sofern Zeit dafür sei, unabhängig von der politischen Ausrichtung des
Mediums. Sobolewski bestätigte auch, dass Krah und Medwedtschuk miteinander
bekannt seien.

Bystron antwortete auf konkrete Fragen der dpa zu seinem Interview auf dem
Portal nicht. Er schrieb jedoch in einer E-Mail: "Der Angriff auf 'Voice of
Europe' ist ein Angriff auf die Pressefreiheit, den ich verurteile. Eine
regierungskritische Stimme soll zum Schweigen gebracht werden. Im aufziehenden
EU-Wahlkampf sollen Politiker, die gegen die Fortsetzung des Ukraine-Krieges
sind, sowie Journalisten als Agenten Moskaus diffamiert werden."

Das Bundesinnenministerium erklärte indes: "Dieser Fall ist ein weiteres
Beispiel für die umfangreichen und breit gefächerten Einflussaktivitäten
Russlands. Russland hat in den vergangenen Jahren ein komplexes Netzwerk aus
Einflussakteuren und -instrumenten aufgebaut, auf das es zurückgreifen kann. Es
ist davon auszugehen, dass die Einflussaktivitäten vor allem darauf abzielen,
Vertrauen in die Handlungsfähigkeit und Kompetenz europäischer Institutionen zu
untergraben und vorhandene Spaltungspotenziale in der Gesellschaft zu
vertiefen." Die deutschen Sicherheitsbehörden würden weiter alles unternehmen,
um die Einflussoperationen aufzuklären und zu unterbinden./vsr/DP/he

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