28.03.2024 17:50:14 - dpa-AFX: ROUNDUP 2: Schröder verteidigt Freundschaft zu Putin - Kreml reagiert erfreut

(neu: Reaktion Strack-Zimmermann)

HANNOVER/MOSKAU (dpa-AFX) - Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) kann sich
weiterhin vorstellen, dass seine Freundschaft zum russischen Präsidenten
Wladimir Putin zu einer Beendigung des Ukraine-Kriegs beitragen kann. "Wir haben
über lange Jahre vernünftig zusammengearbeitet. Vielleicht kann das immer noch
helfen, eine Verhandlungslösung zu finden, eine andere sehe ich nicht", sagte
Schröder in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur.

Der Kreml in Moskau begrüßte die Äußerungen Schröders. Gute, konstruktive
Beziehungen auf persönlicher Ebene wie zwischen Putin und Schröder könnten bei
der Lösung von Problemen helfen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Donnerstag
russischen Nachrichtenagenturen zufolge. Putin und Schröder hätten dies zu der
Zeit, als Schröder im Amt war, wiederholt gezeigt. "Das hat dabei geholfen, die
schwierigsten Fragen zu lösen und die schrittweise Entwicklung in den
bilateralen Entwicklungen zu gewährleisten."

Strack-Zimmermann: Schröder ist "falsch gewickelt"

Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes
Strack-Zimmermann (FDP), sagte dagegen bei "Welt TV", Schröder sei "falsch
gewickelt". "Ernsthaft zu glauben, dass Gerhard Schröder einen Einfluss auf
Putin hat, also ich weiß nicht. Wir sollten aufpassen, uns nicht alle selbst zu
überschätzen, und ich glaube, dazu gehört auch Herr Schröder."

Schröder ist seit seiner Kanzlerschaft von 1998 bis 2005 mit Putin
befreundet und weiterhin für die mehrheitlich russischen Gesellschaften der
Nord-Stream-Pipelines durch die Ostsee tätig. Er hat den russischen Angriff auf
die Ukraine zwar als "fatale Fehlentscheidung" bezeichnet, sich aber dennoch
nicht von Putin losgesagt. Die SPD-Spitze grenzt ihn deshalb aus, ein
Parteiausschlussverfahren gegen ihn scheiterte aber.

Schröder will "positive Ereignisse" mit Putin nicht vergessen machen

Auf die Frage, warum er trotz Zehntausender Toter und russischer
Kriegsverbrechen im Ukraine-Krieg an der Freundschaft mit dem russischen
Präsidenten festhalte, antwortete Schröder im dpa-Interview: "Es ist ja so, dass
das eine Dimension ist, die eine andere ist." Es habe schon einmal so
ausgesehen, als könnte diese persönliche Beziehung auch mal hilfreich sein, um
ein politisch außerordentlich schwieriges Problem zu lösen. "Und deswegen hielte
ich es für völlig falsch, alles vergessen zu machen, was es auch an positiven
Ereignissen zwischen uns in der Politik in der Vergangenheit gegeben hat. Das
ist nicht meine Art und das tue ich auch nicht."

Schröder spielt damit offensichtlich auf seine Vermittlungsmission im März
2022 kurz nach dem russischen Angriff auf die Ukraine an. Damals traf er nach
eigenen Angaben zunächst den damaligen ukrainischen Parlamentarier und heutigen
Verteidigungsminister Rustem Umerow in Istanbul und reiste zu Gesprächen mit
Putin nach Moskau weiter. Die Initiative scheiterte aber.

Altkanzler nennt Spekulationen über Atomschlag Putins "Quatsch"

Heute plädiert Schröder für einen neuen Vermittlungsversuch auf
Regierungsebene. "Frankreich und Deutschland müssten dazu die Initiative
ergreifen. Dass der Krieg nicht mit einer totalen Niederlage der einen oder
anderen Seite enden kann, das liegt doch auf der Hand."

Die Spekulationen, Putin könnte einen Atomkrieg anzetteln oder ein Nato-Land an der Ostflanke angreifen, bezeichnete Schröder als "Quatsch". Um eine
Eskalation hin zu solchen Szenarien im Keim zu ersticken und die Beunruhigung
der Bevölkerung nicht größer werden zu lassen, müsse neben der Unterstützung für
die Ukraine ernsthaft über eine Lösung des Konflikts nachgedacht werden, betonte
er.

Scholz: "Putin muss nur seinen barbarischen Feldzug abbrechen"

Bundeskanzler Olaf Scholz hat seit Dezember 2022 nicht mehr mit Putin
telefoniert. In einem am Donnerstag veröffentlichten Interview der "Märkischen
Allgemeinen" wies er aber darauf hin, dass es immer wieder Gespräche mit Moskau
etwa über das Abkommen über den Export ukrainischen Getreides, die Sicherheit am
Atomkraftwerk Saporischschja oder über den Austausch von Gefangenen gegeben
habe. "Gerade sind eine Reihe von Ländern dabei, auch die Ukraine, auf Ebene der
Sicherheitsberater zu diskutieren, wie etwas aussehen könnte, was zu einem
Friedensprozess führt", sagte er. "Lassen Sie mich aber eines ganz klar sagen:
Frieden ist jederzeit möglich. Putin muss nur seinen barbarischen Feldzug
abbrechen und Truppen zurückziehen."

Kremlsprecher Peskow machte deutlich, dass Moskau bei den heute politischen
Handelnden in Deutschland keinen Willen sehe, den Konflikt zu beenden.
Deutschland sei unter Kanzler Scholz (SPD) massiv in den Krieg verwickelt. In
Europa dominiere ein Ansatz, "die Ukraine dazu zu provozieren, bis zum letzten
Ukrainer zu kämpfen". Moskau beobachte zwar die verschiedenen Standpunkte in
Europa, sehe aber keine Änderung der Lage./mfi/gö/mau/DP/ngu

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