19.09.2024 16:51:20 - dpa-AFX: ROUNDUP: Hohe Strompreise, kriselnde Firmen: Habeck auf Problem-Tour

PAPENBURG/GEORGSMARIENHÜTTE (dpa-AFX) - Es ist eine riesige Halle, es wird
geschweißt, das nächste neue Kreuzfahrtschiff soll im nächsten Jahr fertig sein.
Die Auftragsbücher der Meyer Werft sind voll, dennoch geriet sie in eine
finanzielle Schieflage - und wurde vom Bund und dem Land Niedersachsen mit
Staatsgeldern gerettet.

Am Rande der Halle in Papenburg steht Bundeswirtschaftsminister Robert
Habeck mit einem weißen Helm. Er ist zu Gast auf einer Betriebsversammlung und
sagt, die Rettung habe Bedeutung für ganz Deutschland. "Im Kreuzfahrtschiffbau,
da ist Deutschland, da ist Europa mit den Standorten noch Weltführer. Einer der
wenigen Bereiche, wo wir nicht von der asiatischen Konkurrenz bisher abgehängt
wurden." Habeck witzelt, er und Olaf seien nun Eigentümer - mit Olaf ist Olaf
Lies gemeint, Niedersachsens Wirtschaftsminister. Lies spricht von einer
Aufbruchstimmung.

Wo die Hitze ist

Aufbruchstimmung aber herrscht in weiten Teilen der Wirtschaft nicht, ganz
im Gegenteil. Die Stimmung wird von Verbänden als schlecht beschrieben, Firmen
halten sich mit Investitionen zurück. Die Gründe: Konjunkturflaute, hohe
Energiepreise, zu viel Bürokratie, Arbeitskräftemangel, Unzufriedenheit über die
Ampel-Koalition.

Er wolle sich nicht "wegducken", sagt Habeck nach einem Gespräch mit
Mittelständlern in Rheine im nördlichen Nordrhein-Westfalen zu seiner
zweitägigen "Nordwest-Tour".

Die Reise sei so gebaut, dass er bewusst zu Unternehmen oder Branchen fahre, "wo es wirklich gerade brennt", sagt Habeck - er wolle dahingehen, wo die "Hitze
ist" und Beiträge zur Lösung von Problemen leisten. "Das ist anders, wenn man
vor Ort ist - mit den Leuten, mit den Betriebsräten, mit den Leuten, die da
arbeiten, redet, ihnen in die Augen guckt, sieht, wie so eine Halle aussieht,
riecht, wie es sich anfühlt, dort zu sein." Für die Meyer Werft sei nun eine
Lösung gefunden worden.

Hohe Netzkosten belasten Firmen

Aber es bleiben große Herausforderungen. Am Morgen ist Habeck beim
Stahlhersteller Georgsmarienhütte Holding GmbH (GMH). Das Thema dort: die hohen
Strompreise. Auf einem Plakat auf dem Werksgelände steht: "Zieht uns nicht den
Stecker." Die Streichung von staatlichen Zuschüssen zu Netzentgelten "hat uns
den Teppich unter den Füßen weggezogen", sagt GMH-Chef Alexander Becker. Ein
Drittel der geplanten Investitionen in diesem Jahr habe nicht umgesetzt werden
können. "Wir brauchen unbedingt Unterstützung bei den Netzentgelten, sonst
werden wir weiterhin Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland verlieren", sagte
Becker.

Schwieriger Wandel für Industrie

Die Unternehmensgruppe betreibt unter anderem drei Elektrostahlwerke in
Georgsmarienhütte, im Saarland und Sachsen und hat ehrgeizige Ziele, um
CO2-Emissionen zu senken. Die Stahlproduzenten gehören zu den größten
CO2-Emittenten. Der klimafreundliche Umbau weg von Kohle und Erdgas hin zu
Wasserstoff und Grünstrom aber kostet viel Geld. Der Wandel wird vom Staat mit
mehreren Milliarden Euro gefördert. Die deutsche Stahlindustrie kämpft aber mit
einer schwachen Konjunktur, Billigimporte vor allem aus Asien und hohen
Energiepreisen.

Rund ein Fünftel der industriellen Wertschöpfung sei bedroht, ergab eine vor Kurzem vorgestellte Studie im Auftrag des Bundesverbands der Deutschen
Industrie. Das Risiko einer "De-Industrialisierung" nehme kontinuierlich zu und
sei teils schon eingetreten.

Habeck will Entlastung

Deutschland soll Industrieland bleiben, das ist auch das Ziel Habecks. Er
spricht sich dafür aus, die Industrie von hohen Netzentgelten und damit bei den
Strompreisen zu entlasten. Dafür werbe und kämpfe er. Der Minister bringt
staatliche Zuschüsse in Milliardenhöhe ins Spiel. Netzentgelte sind Bestandteil
des Strompreises, sie sind unter anderem durch Kosten für den Bau neuer
Stromleitungen gestiegen.

Zuschuss weggefallen

Habeck verweist darauf, dass für dieses Jahr eigentlich ein Bundeszuschuss
zur anteiligen Finanzierung der Übertragungsnetzkosten von bis zu 5,5 Milliarden
Euro geplant gewesen war. Das Geld sollte aus dem
Wirtschaftsstabilisierungsfonds kommen - als Folge eines Haushaltsurteils des
Bundesverfassungsgerichts musste die Bundesregierung diesen Sondertopf aber
auflösen. Habeck nennt Zuschüsse zu den Netzkosten eine sinnvolle Maßnahme.

Autoindustrie in Krise

Nicht nur die staatlichen Zuschüsse zu den Netzentgelten hat die
Bundesregierung aus Haushaltszwängen gestrichen - auch die staatliche Förderung
zum Kauf von Elektroautos. Seitdem sind die Neuzulassungen von E-Autos auf
Talfahrt. Das gilt als ein Grund, warum die deutsche Autoindustrie in der Krise
ist. Diese ist einer der wichtigsten Kunden zum Beispiel von Stahlherstellern.
Die GMH-Gruppe zum Beispiel ist zu 80 Prozent abhängig von Umsätzen mit
Autobauern wie Volkswagen und will sich nun breiter aufstellen.

Bei Volkswagen herrscht gerade große Unruhe. Europas größter Autobauer hat
angekündigt, dass im Rahmen eines Sparprogramms bei der Kernmarke VW
Werkschließungen und betriebsbedingte Kündigungen nicht länger
ausgeschlossen sind. Das trifft auf erbitterten Widerstand von Betriebsrat und
IG Metall. Am Freitag will sich Habeck ein Bild von der Lage machen - bei einem
Werksbesuch bei VW Emden./hoe/DP/jha
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