09.05.2024 10:30:03 - dpa-AFX: HINTERGRUND: Lobbyisten beeinflussen Politik - Mehr Transparenz gefordert

STUTTGART (dpa-AFX) - Seit drei Jahren ist das Lobbyregister in
Baden-Württemberg in Kraft. Nachdem der Bundestag zuletzt strengere Regeln für
Lobbyarbeit beschlossen hat, fordern Experten nun auch für den Südwesten weitere
Vorgaben. "Nach der Reform im Bund muss auch im Südwesten nachgeschärft werden",
sagt Timo Lange, Sprecher von Transparency International. Dass nur knapp 400
Organisatoren, Firmen und Verbände im Lobbyregister des baden-württembergischen
Landtags vermerkt sind, könne nicht der Realität entsprechen.

Der Bundestag hatte sein Lobbyregister im Oktober vergangenen Jahres
nachgeschärft und die Auskunftspflichten von Interessenvertretern ausgeweitet.
Sie müssen künftig zum Beispiel angeben, auf welches konkrete
Gesetzgebungsvorhaben sie Einfluss nehmen wollen. Außerdem sollen sie die
Kernpunkte ihrer Forderungen im Lobbyregister hochladen.

Lange fordert nun, dass auch in Baden-Württemberg bekannt gemacht werden
müsse, auf welche gesetzlichen Entscheidungen sich die Lobbyarbeit beziehe.
Zudem solle stärker überprüft werden, ob nicht registrierte Unternehmen wirklich
auf Lobbyarbeit verzichten. Bei Gesetzesverstößen müsse es härtere Sanktionen
geben; wie im Bund von bis zu 50 000 Euro. Dabei hat der Landtag noch nicht
einmal von den im Südwesten vorgesehenen Reaktionen Gebrauch gemacht. Diese
reichen von einer Abmahnung bis zum befristeten Ausschluss aus parlamentarischen
Anhörungen. Lange sieht den Landtag in der Pflicht, Änderungen entsprechend der
Gesetzesnovelle im Bund vorzunehmen.

Im Lobbyregister des Landes, das es seit 2021 gibt, veröffentlichen die 391
Organisationen, Verbände und Firmen lediglich ihren Sitz, Interessenbereiche und
Kosten für die Lobbyarbeit. Manche geben dem Register zufolge mehrere 100 000
Euro dafür aus, dass ihre Vertreter die aus ihrer Sicht bestehenden Vor- oder
Nachteile von Gesetzes- oder Verordnungsvorhaben aufzeigen.

Wer nicht aufgelistet ist, darf nach dem Gesetz auch keine Lobbyarbeit bei
Regierung, ihren Mitgliedern, Fraktionen oder Abgeordneten betreiben.
Politologin Pia Eberhardt sagt: "Ich bin nicht grundsätzlich gegen Lobbyarbeit,
sie muss aber transparent sein." Die Geldflüsse müssten für Bürger, Politiker
und Medien nachvollziehbar sein, sagt die Expertin. "Und es braucht viel
strengere Lobby-Regeln als wir sie heute haben, zum Beispiel bei Seitenwechseln
von der Politik in die Industrie."

Beim Aufwand für die Lobbyarbeit reicht das Spektrum von 5000 Euro bei den
Süddeutschen Zuckerrübenanbauern bis zu 300 000 Euro bei der Vereinigung der
zwölf baden-württembergischen Industrie- und Handelskammern (BWIHK). Der
Zusammenschluss gehört zu den zwölf Verbänden und Firmen, die sich die
Lobbyarbeit 100 000 Euro und mehr kosten lassen. Es folgen der Genossenschafts-
und der Bauernverband mit je 250 000 Euro, der Berufsverband Deutscher
Internisten (220 000 Euro), die Architektenkammer und der Verband der Chemischen
Industrie (beide 200 000). Es sind aber auch Verbände und Institutionen ohne
Summe vermerkt, darunter Theaterpädagogen, Angehörige psychisch erkrankter
Menschen sowie das Landesarbeitsamt.

Der Eintrag ins Transparenzregister ist unter anderem verpflichtend, wenn
die Interessenvertretung regelmäßig betrieben wird oder auf Dauer angelegt ist.
Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) bewertet das Register ungeachtet der
Kritik positiv. "Es ist ein wichtiges Instrument, da es Transparenz schafft." In
einer Demokratie gebe es nichts zu verbergen. Wichtig sei, dass die Zugänge für
die Informationen für alle offen seien.

Die baden-württembergischen Industrie- und Handelskammern sind seit dem
Start des Lobby-Registers 2021 dabei. Der BWIHK-Tag vertritt das Interesse aller
Gewerbetreibenden des jeweiligen Kammerbezirks gegenüber der Landes-, Bundes-
und Europapolitik. "Dazu werden Studien, Kongresse oder auch Kampagnen/Roadshows
organisiert", erläutert Sprecher Tobias Tabor. "Die Themen der
Interessenvertretung umfassen eine große Bandbreite von Ausbildung bis zu
Zollfragen."

Politikwissenschaftlerin Eberhardt bemängelt: "All das sind Selbstangaben,
die nicht oder nur unzureichend überprüft werden." Auf Bundesebene habe die
zuständige Stelle seit März mehr Kompetenzen und personelle Ressourcen, um nicht
plausible Angaben zu überprüfen. Das werde sicher zur Korrektur einiger Zahlen
führen.

Die Landtagsverwaltung betont, dass sie keine allgemeine Befugnis für eine
solche Prüfung habe. Ausnahmen seien Parlamentarische Abende. Das sind von
Interessenverbänden ausgerichtete geschlossene Veranstaltungen für Abgeordnete.
Der Landtag kann auch checken, ob bei einer parlamentarischen Anhörung von
Organisationen und Verbänden diese auch ordnungsgemäß in das Transparenzregister
eingetragen sind. Bislang gab es dem Gremium zufolge keine Hinweise auf fehlende
Einträge oder Ermittlungen dazu, ob Angaben zutreffen.

Im vergangenen Jahr wurde allerdings ein Dissenz zwischen Landtag und der
Mercedes-Benz Group AG bekannt, der ein Schlaglicht auf das sonst
wenig beachtete Register warf. Damals argumentierte Mercedes, dass die
Transparenzregeln auf das eigene Unternehmen keine Anwendung fänden. In
Gesprächen wurden nach Auskunft des Landtags Unklarheiten beseitigt und
klargestellt, dass Personen- und Kapitalgesellschaften auch zu den
Organisationen im Sinne des Transparenzregistergesetzes zählten. Seit November
2023 ist Mercedes im Lobbyregister des Landes./jug/DP/mis

--- Von Julia Giertz, dpa ---
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