08.05.2024 05:53:48 - dpa-AFX: Welthit Stalkingserie: 'Rentierbaby' wächst und gedeiht

LONDON (dpa-AFX) - Die Psycho-Miniserie "Rentierbaby" des schottischen
Comedians Richard Gadd (34) hat sich zu einem Überraschungshit bei Netflix
entwickelt. Innerhalb von gut dreieinhalb Wochen (bis Sonntag,
5.5.) kam der britische Siebenteiler weltweit schon auf 56,5 Millionen Abrufe
(Views), allein 18,6 Millionen davon vergangene Woche, wie der Streamingdienst
am Dienstagabend preisgab.

Sogenannte Views sind geschaute Stunden geteilt durch die Gesamtlaufzeit -
die in diesem Fall knapp vier Stunden beträgt. Die Thriller-Serie mit schwarzem
Humor wurde am 11. April veröffentlicht. In vielen Ländern ist sie die Nummer
eins in den Netflix-Charts, auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz war
sie es schon. Selbst Thriller-Altmeister Stephen King outete sich als Fan ("such
a cool show").

Als ein erfolgloser Comedian, der in einer Bar arbeitet, einer traurigen
Kundin Tee und ein Lächeln schenkt, entwickelt diese eine Besessenheit ihm
gegenüber, die zerstörerische Züge annimmt - so beschreibt Netflix die Serie mit
dem Originaltitel "Baby Reindeer". Gadd ist darin als Hauptfigur Donny zu sehen,
Jessica Gunning als - herausragende - Stalkerin Martha und Nava Mau als Donnys
Transgender-Freundin Teri.

Die Geschichte hinter der Serie, zu der auch die gescheiterte
Liebesbeziehung mit einer Transfrau gehört, soll auf wahren Begebenheiten
beruhen - "this is a true story", heißt es im Vorspann. Autor und
Hauptdarsteller Gadd schildert schonungslos traumatische Erlebnisse.

Im wahren Leben wurde Gadd als junger Komiker von einem einflussreichen Mann aus der Kulturbranche unter Drogen gesetzt und sexuell missbraucht. Zwischen
2015 und 2017 wurde er dann von einer Frau gestalkt. Mehr als 41 000 E-Mails,
350 Stunden Sprachnachrichten, Hunderte Tweets, Dutzende Facebook-Nachrichten
und Briefseiten bekam Gadd nach eigenen Angaben von der Stalkerin.

"In "Rentierbaby" geht es um das innerliche Chaos in meinen frühen
Zwanzigern", sagte Gadd dem britischen Magazin "GQ". "Ich hatte mich in eine
Person verliebt, die trans war, aber das brachte eine Menge Fragen mit sich und
all diese Scham, die man hat, wenn man jung ist." Damals sei noch nicht viel
über Transidentität gesprochen worden. Die Serie beschönige nichts, betont Gadd.
Er habe schon vor langer Zeit gelernt, dass Scham einem nichts nütze. "Die
einzige Möglichkeit, diese negativen Emotionen zu überwinden, ist, sie direkt
anzugehen."

Die Comedy-Drama-Serie bürstet Klischees gegen den Strich, indem das
Stalking-Opfer männlich ist und dazu beiträgt, dass die Belästigung immer
weitergeht. Die Besessenheit der Stalkerin, die ihrem Opfer den
- erst am Ende erklärten - Spitznamen "Rentierbaby" gibt, zieht den
Mann auch irgendwie an. Die Miniserie thematisiert, welche Folgen unverarbeitete
Traumata haben können. Und sie zeigt, wie es kommen kann, dass Opfer von
Kriminalität lange schweigen, sich niemandem anvertrauen.

Der "GQ" sagte Gadd: "Missbrauch verursacht nicht nur körperliche, sondern
auch psychische Schäden." Es gebe ein Muster, "bei dem viele Menschen, die
missbraucht wurden, das Gefühl haben, dass sie die Person brauchen, die sie
missbraucht". Das Erfolgsgeheimnis seiner Serie? Heutzutage versuchten alle,
perfekt zu sein, sagt Gadd. "Es ist interessant, wenn jemand die Hände hochhält
und sagt: Ich habe Fehler gemacht."

Gadd scheint jedoch nicht davon ausgegangen zu sein, dass "Rentierbaby" ein
Welterfolg und der Streaming-Überraschungshit dieses Frühlings werden würde.
Zwar offenbart die Serie nicht, wer die realen Täter hinter den Figuren Martha
Scott und Darrien O'Connor sind - doch genau das ruft jetzt einige Zuschauer auf
den Plan, die sozusagen ermitteln wollen.

Ins Visier geriet so schon ein bekannter britischer Fernsehautor, der
Darrien-Darsteller Tom Goodman-Hill angeblich ähnlich sehe. Gadd betonte in
Social Media jedoch rasch: "Bitte spekuliert nicht darüber, wer die realen
Personen sein könnten. Darum geht es in unserer Serie nicht." Auch die angeblich
"echte Martha" meldete sich zu Wort und erhob Anschuldigungen gegen Gadd, sie
sei nun im Internet Opfer von Morddrohungen und werde wegen der Serie und seiner
Ruhmsucht "gemobbt".

Im Streaming-Markt gibt es immer wieder unerwartete Erfolge wie "Baby
Reindeer", insbesondere wenn Storys überraschend drastisch sind und dabei
differenziert erzählt werden. Das wohl prominenteste Beispiel war 2021 die
südkoreanische Netflix-Thrillerserie "Squid Game", die damals innerhalb von drei
Monaten auf 265 Millionen Abrufe kam./gth/DP/zb
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