25.04.2024 06:30:34 - dpa-AFX: ROUNDUP: Israel will Rafah angeblich in Etappen angreifen - Nacht im Überblick

GAZA (dpa-AFX) - Israel will seine angekündigte Bodenoffensive auf die Stadt
Rafah im Süden des abgeriegelten Gazastreifens einem Medienbericht zufolge in
Etappen durchführen. Wie die Zeitung "Wall Street Journal" am späten
Mittwochabend unter Berufung auf ägyptische Beamte und ehemalige israelische
Offiziere berichtete, änderte Israel auf Druck der USA und anderer Länder seine
anfänglichen Pläne für einen großangelegten Angriff auf die derzeit mit
Hunderttausenden palästinensischer Binnenflüchtlingen überfüllte Stadt an der
Grenze zu Ägypten. Durch ein stattdessen schrittweises Vorgehen solle die Zahl
ziviler Opfer begrenzt werden, hieß es. Israels Militär äußert sich zu seinen
Einsatzplänen nicht. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte allerdings vor
wenigen Tagen "weitere schmerzhafte Schläge" gegen die islamistische Hamas
angekündigt. "Und dies wird in Kürze geschehen", sagte er.

Die UN-Koordinatorin für humanitäre Hilfe in Gaza, Sigrid Kaag, warnte vor
einem Angriff auf Rafah. "Eine solche Aktion würde eine anhaltende humanitäre
Katastrophe verschlimmern, mit Folgen für die Menschen, die bereits vertrieben
sind und große Nöte und Leid ertragen müssen", sagte die Niederländerin am
Mittwochabend (Ortszeit) vor dem UN-Sicherheitsrat in New York. "Die Fähigkeit
der Vereinten Nationen, Hilfe zu liefern, würde eingeschränkt."

Proteste in Israel nach Geisel-Video der Hamas

Unterdessen kam es in Israel nach der Veröffentlichung eines Geisel-Videos
durch die Hamas am Mittwochabend zu Protesten. Hunderte Menschen versammelten
sich in Jerusalem in der Nähe der Residenz von Regierungschef Netanjahu, um für
die Freilassung der in Gaza festgehaltenen Geiseln zu demonstrieren, wie mehrere
Medien meldeten. Es kam dabei zu Zusammenstößen mit der Polizei. Laut den
Beamten legten Demonstranten Feuer, zündeten Feuerwerkskörper, warfen Mülltonnen
um und blockierten den Verkehr. Vier Menschen seien festgenommen worden, hieß
es. In dem zuvor von der Hamas veröffentlichten Video ist ein 24 Jahre alter
Mann zu sehen, der der israelischen Regierung schwere Vorwürfe macht.

Sie habe die israelischen Bürger nicht beschützt und im Stich gelassen, sagt der Mann. Die wie er beim Massaker der Hamas am 7. Oktober aus Israel in den
Gazastreifen entführten Menschen befänden sich in einer "unterirdischen Hölle"
ohne Nahrung, Wasser und medizinische Behandlung. Sein Unterarm wurde
israelischen Medien zufolge abgerissen, als die Terroristen Granaten in sein
Versteck warfen. Berichten zufolge ist er israelischer und amerikanischer
Staatsbürger. Unter welchen Umständen das Video entstand und ob der Mann unter
Druck und Drohungen sprach, war zunächst unklar. Die Video-Aufnahme war außerdem
nicht datiert, das Hamas-Massaker war am Mittwoch 201 Tage her.

Israel treibt Pläne für Rafah-Offensive voran

Israel war bis vor wenigen Wochen davon ausgegangen, dass knapp 100 der rund 130 verbliebenen Geiseln noch am Leben sind. Inzwischen wird aber befürchtet,
dass deutlich mehr von ihnen bereits tot sein könnten. Israel treibt derweil
laut Medienberichten seine Pläne für eine Offensive in der Stadt Rafah im Süden
Gazas voran, um dort die letzten verbliebenen Bataillone der Hamas zu
zerschlagen. Zudem werden in Hamas-Tunneln unter Rafah Geiseln vermutet.
Verbündete wie die USA haben aus Sorge um die etwa 1,5 Millionen Menschen, die
in der Stadt Schutz vor den Kämpfen im übrigen Gazastreifen suchen, immer wieder
eindringlich vor einer großangelegten Bodenoffensive in Rafah gewarnt. Die Stadt
gilt als die einzige in dem abgeriegelten Küstenstreifen, die noch
vergleichsweise intakt ist.

Nach Informationen des "Wall Street Journals" plant Israels Armee nun, vor
jeweiligen Angriffen die betroffenen Stadtteile zu evakuieren, bevor das Militär
zu neuen Gebieten übergehe. Die Einsätze würden wahrscheinlich auch gezielter
als frühere Angriffe in Gaza erfolgen. Zudem sei eine Koordinierung mit Ägypten
vorgesehen, um die Grenze zwischen Ägypten und Gaza zu sichern, hieß es weiter.
Das Nachrichtenportal "Axios" berichtete unter Berufung auf israelische Beamte,
ranghohe israelische Geheimdienst- und Militärbeamte seien am Mittwoch in Kairo
unter anderem mit dem ägyptischen Geheimdienstchef zusammengetroffen, um Israels
geplanten Einsatz seiner Armee in Rafah zu besprechen.

Am Vorabend hatte der Vorsitzende des ägyptischen Staatsinformationsdiensts
SIS, Diaa Raschwan, noch erklärt, man führe keine Gespräche mit Israel über
dessen mögliche Militäroffensive in Rafah. Ägypten lehne Pläne für solch eine
Offensive entschieden ab und habe diese Position auch mehrfach klargestellt.
Eine Offensive in Rafah würde zu "Massakern, massivem Verlust von Menschenleben
und umfassender Zerstörung führen", sagte Raschwan. Ägypten hat nach einem
früheren Bericht des "Wall Street Journal" angeblich sogar damit gedroht, seinen
Friedensvertrag mit Israel aufzukündigen, sollte es zu einem Ansturm von
Palästinensern aus dem Gazastreifen über die Grenze kommen.

Bericht: Israels Armee für Massengrab in Gaza nicht verantwortlich

Für Wirbel sorgen unterdessen weiter Berichte über ein nahe des
Nasser-Krankenhauses in der lange umkämpften Stadt Chan Junis entdecktes
Massengrab, in dem der von der Hamas kontrollierte Zivilschutz nach eigenen
Angaben inzwischen 324 Leichen freigelegt hat. Es sei aber entgegen der
Behauptung der Hamas nicht von der israelischen Armee angelegt worden,
berichtete die "Jerusalem Post" am Mittwochabend unter Berufung auf Analysen von
Bildmaterial. Das Massengrab habe bereits existiert, bevor israelische Soldaten
dort am Boden gegen die Hamas vorgegangen seien. Dies habe die Auswertung von
Satellitenbildern und Filmmaterial durch namentlich nicht genannte unabhängige
Analysten ergeben, hieß es.

Die von der Hamas und arabischen Medien verbreiteten Behauptungen, die
israelischen Soldaten hätten die Leichen von Palästinensern vergraben, um sie
"zu verstecken", seien falsch, schrieb die Zeitung. Unabhängig prüfen lassen
sich die Angaben nicht. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk,
hatte sich entsetzt über die Berichte von der Entdeckung von Massengräbern bei
Kliniken in Gaza gezeigt und eine unabhängige Untersuchung der Hintergründe der
Todesfälle gefordert. Nach Angaben von Türks Büro, das sich auf Angaben des
Zivilschutzes berief, waren einige Leichen an den Händen gefesselt. "Wir wissen
nicht, ob sie lebendig begraben oder hingerichtet wurden. Die meisten der
Leichen sind verwest", zitierte der Sender CNN den Chef des Zivilschutzes in
Chan Junis./ln/DP/zb

© 2000-2024 DZ BANK AG. Bitte beachten Sie die Nutzungsbedingungen | Impressum
2024 Infront Financial Technology GmbH