24.04.2024 10:30:05 - dpa-AFX: HINTERGRUND: Betriebskantinen leiden unter Homeoffice

KARLSRUHE (dpa-AFX) - Wo früher schon zur Frühstückszeit reger Betrieb
herrschte, prägen heute leere Plätze das Bild. Wie andere Betriebskantinen
leidet auch jene im Landratsamt Karlsruhe unter den Folgen des Homeoffice: Die
Zahl der Gäste hat seit der Corona-Pandemie abgenommen, die Auslastung reicht
nicht mehr für einen wirtschaftlichen Betrieb. "Das war nicht aufzufangen, ohne
den Rest der Organisation zu gefährden", sagt der Vorstand der Lebenshilfe
Karlsruhe, Ettlingen und Umgebung, Michael Auen.

"In der Gastronomie ist die Welt seit 2020 eine andere"

Der Verein betreibt über das Inklusionsunternehmen Worka unter anderem
mehrere Kantinen, in denen Menschen mit und ohne Behinderung arbeiten. Die
Corona-Konsequenzen hier heißen jetzt konkret: Schutzschirmverfahren und
Trennung vom gesamten Gastrobereich.

"In der Gastronomie ist die Welt seit 2020 eine andere", sagt Auen. Allein
in den beiden Kantinen im Landratsamt und im Technischen Rathaus der Stadt sei
die Zahl der Essen pro Tag von 600 bis 700 zwischenzeitlich auf unter 100
gesunken, macht er deutlich.

Nicht überall sind die Folgen so drastisch, aber insgesamt hadert das
Branchensegment, zu dem unter anderem auch Caterer zählen. Im Vergleich zu 2019
vor der Pandemie seien die Umsätze im vergangenen Jahr um 11,3 Prozent gesunken,
wie eine Sprecherin des Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga unter Berufung
auf das Statistische Bundesamt mitteilt. Gegenüber 2022 gab es immerhin ein
kleines Plus von 1,8 Prozent. Die Lage sei weiterhin herausfordernd.

Optimistischer Blick in die Zukunft

Trotz sehr flexibler Regelungen für mobiles Arbeiten/Homeoffice macht die
Allianz hingegen die Erfahrung, dass die Zahl der Gäste in den 16 Restaurants an
14 Standorten wieder steigt - auf 1,8 Millionen im vergangenen Jahr. Viele
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nutzten die Restaurants wieder gerne zur
Kommunikation und verabredeten sich zum Mittagessen.

Darauf hofft auch der Branchenverband Dehoga: "Wir setzen darauf, dass der
Stellenwert der Betriebsrestaurants wieder steigen wird ? als Dreh- und
Angelpunkt für Ernährung, Gesundheit, Wohlfühlen und Kommunikation, als Teil
einer guten Unternehmenskultur und als wichtige Begegnungsstätte für Kollegen."
Ekkehart Lehmann von der K&P Consulting, die bei Großküchenplanung berät, sagt,
die Bedeutung der Betriebsgastronomie für Unternehmen sei gestiegen. Deshalb
seien sie stärker bereit, die Gastronomie attraktiv zu gestalten und so weit
möglich auch finanziell stärker zu unterstützen. Für Einrichtungen des Bundes
ermögliche eine neue Kantinenrichtlinie, Betreiber und Tischgäste direkt zu
bezuschussen.

"Durch die Einführung der Homeoffice-Regelungen ist die wirtschaftliche
Grundlage für viele Betriebsrestaurants schwieriger geworden", erläutert
Lehmann. "Gleichzeitig begreifen Unternehmen die Bedeutung der
Betriebsgastronomie als wesentliches Element, um Mitarbeitende ins Unternehmen
zurückzuholen und die durch Homeoffice gesunkenen Möglichkeiten für den internen
Austausch und die Kommunikation bewusst zu fördern." Denn die
Betriebsgastronomie sei der Ort im Unternehmen, wo die Kolleginnen und Kollegen
zusammenkommen und die Werte des Unternehmens vorbildlich vermittelt werden
könnten.

Homeoffice in Deutschland verankert

Die Allianz nutzt Tage mit geringerer Auslastung einer Sprecherin zufolge
zum Beispiel für die Vorbereitung von Veranstaltungen, den Abbau von Überstunden
oder zur Weiterbildung der Mitarbeitenden. Restaurants mit geringerer Auslastung
würden über ein eingeschränkteres Angebot gesteuert. Zudem könne man Speisen
auch "to go" ins Homeoffice mitnehmen.

Dass Letzteres in Deutschland fest verankert sei, hat das ifo-Institut
jüngst festgestellt. Fast ein Viertel der Beschäftigten arbeitete einer Umfrage
zufolge im Februar zumindest teilweise von zu Hause. Unterschiede gibt es etwa
bei der Größe der Betriebe - so ist der Homeoffice-Anteil der Erhebung zufolge
in kleinen und mittleren Unternehmen niedriger. Aber auch die Branche spielt
eine Rolle, wie eine Dehoga-Sprecherin verdeutlich. So gebe es bei
Dienstleistungen einen hohen Homeoffice-Anteil, im verarbeitendem Gewerbe einen
geringeren.

Doch nicht nur das Fernbleiben der Mitarbeitenden macht den Betriebskantinen zu schaffen. Auch die Erhöhung der Mehrwertsteuer von 7 auf 19 Prozent zum
Jahresbeginn sowie Kostensteigerungen für Lebensmittel und Personal schlagen
laut den Fachleuten zu Buche.

Lage für Inklusionsunternehmen schwierig

Bei der Worka kommt hinzu, dass es ein Inklusionsunternehmen ist. Zwar gibt
es einen Minderleistungsausgleich für betroffene Mitarbeitende. Dieser sei aber
nicht in selbem Maße gestiegen wie der Mindestlohn, sagt Geschäftsführerin
Aurelia Becker. Auch bürokratischer Mehraufwand werde nicht ausgeglichen.

Mit den Kunden habe sie verschiedene Möglichkeiten durchgesprochen. "Wir
haben alle betriebswirtschaftlichen Maßnahmen gezogen." Doch Preise für
Mahlzeiten etwa könnten nicht unbegrenzt erhöht werden. "Wir konkurrieren mit
der Dönerbude um die Ecke."

Lebenshilfe-Vorstand Auen sagt: "Unser Erfolgsfaktor ist der Mensch." Wenn
man beim Personal spare und zum Beispiel auf reine Ausgabeküchen setze, werde
der Kantinenbetrieb wirtschaftlicher. "Aber dann wird man sich als Gast daran
gewöhnen müssen, nicht mehr den Charme zu haben, dass der Koch den Löffel
schwingt. Dann hat man Systemgastronomie."

Dennoch geben sich Auen und Becker zuversichtlich, dass die rund 70
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Gastrobereich weiter beschäftigt
bleiben. Es gebe schon mehrere Interessenten, die einzelne oder gleich alle
Kantinen der Worka übernehmen wollten./kre/DP/mis
Name WKN Börse Kurs Datum/Zeit Diff. Diff. % Geld Brief Erster Schluss
MERCEDES-BENZ GRP NA O.N. 710000 Xetra 71,580 03.05.24 17:35:08 +0,670 +0,94% 0,000 0,000 71,580 71,580
VOLKSWAGEN AG VZO O.N. 766403 Xetra 115,500 03.05.24 17:35:00 +1,150 +1,01% 0,000 0,000 115,350 115,500
BAYER AG NA O.N. BAY001 Xetra 28,020 03.05.24 17:35:15 -0,110 -0,39% 0,000 0,000 28,265 28,020

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