23.04.2024 10:00:06 - dpa-AFX: HINTERGRUND: Die Hoffnung auf günstige E-Autos - Chinas Offensive als Rettung?

FRANKFURT/PEKING (dpa-AFX) - Seit Monaten nehmen große chinesische Frachter
Kurs auf Deutschland und Europa. Sie haben Elektroautos geladen, unter anderem
vom chinesischen Abräumer BYD ("Build Your Dreams"), der in der Volksrepublik
mit aggressiven Rabatten den Markt auf den Kopf stellt. Die gigantischen Schiffe
machen Eindruck, die Chinesen stehen bei ihrer Expansion jedoch erst am Anfang.
Gerade einmal knapp 34 000 Modelle aus China wurden etwa in Deutschland 2023 neu
zugelassen. Doch diese Zahl dürfte steigen.

Fest steht: Der Gürtel sitzt wegen der wirtschaftlichen Lage bei vielen
Autokäufern eng. Und die deutschen Hersteller haben für den kleinen Geldbeutel
wenig im Angebot. Der ADAC stellte Anfang des Jahres eine Liste mit den 30
günstigsten Elektroautos zusammen. Dabei wurden die Kosten für Anschaffung und
Betrieb einberechnet - allerdings keine Rabatte. Der erste deutsche Vertreter
fand sich mit dem Opel Astra Electric auf Rang 9: Anschaffungsgrundpreis ohne
Rabatte 41 990 Euro.

Nimmt man die ausländischen VW -Töchter Cupra (Seat) und Skoda dazu, kamen nur 8 von 30 Autos aus deutschen Konzernen. Chinesische Autos waren
in der ADAC-Auswertung noch nicht dabei.

"Die deutschen Autobauer müssen sich im Heimatmarkt keine allzu großen
Sorgen machen", glaubt Philipp Kupferschmidt, der bei der Unternehmensberatung
Accenture im deutschsprachigen Raum für die Automobilindustrie verantwortlich
ist. Denn so richtig billig seien die chinesischen Autos gar nicht. "Es ist der
große Nachteil der chinesischen Autobauer, dass sie sehr selbstbewusst mit hohen
Preisen in den Markt gegangen sind. Da haben sie sich massiv verschätzt", sagt
der Branchenkenner. "Daher gibt es bei BYD inzwischen auch erhebliche
Preisnachlässe." BYD hat etwa als Konkurrenz zum VW ID.3 den Dolphin im
Programm, als Gegenspieler zum VW ID.4 das Modell Atto.

Angesichts der schwierigen Lage auf dem Elektroautomarkt hätten die
deutschen Anbieter eine Verschnaufpause bekommen, um Entwicklungsrückstände mit
Blick auf E-Mobilität und Software sowie Infotainment aufzuholen, sagt
Kupferschmidt. Neben dem Wegfall staatlicher Prämien sorgten auch die deutlichen
Preissenkungen des Elektroauto-Platzhirschs Tesla dafür, dass am
Markt Unsicherheit herrscht. Viele Käufer fragen sich: Wie viel ist mein teures
Elektroauto in einigen Jahren überhaupt noch wert?

Andere Experten sehen dennoch eine offene Flanke bei den Deutschen. "Für
viele Kunden ist es wichtig, dass man ein Auto für 15 000 bis 20 000 Euro kaufen
kann", sagt Branchenexperte Frank Schwope, der Automobilwirtschaft an der
Fachhochschule des Mittelstands in Köln und Hannover lehrt. "Das bezahlbare
Elektroauto aus China ist ja so etwas wie die große Hoffnung des deutschen
Bürgers." Es seien zwar Autos etwa von VW geplant, die 25 000 oder auch
irgendwann 20 000 Euro kosten sollen. "Aber ob sie angesichts der Inflation
jemals diese Marken knacken werden, ist fraglich", bezweifelt Schwope.

Die Erschwinglichkeit sieht auch die Internationale Energieagentur (IEA) als einen Faktor bei der Verbreitung von Elektroautos. Wachsende Exporte
chinesischer Hersteller, auf die 2023 mehr als die Hälfte aller Verkäufe
weltweit entfielen, könnten den Druck auf die Autopreise weiter erhöhen, teilte
die IEA am Dienstag in Paris mit. Chinesische Unternehmen mit Produktionsstätten
im Ausland hätten in Überseemärkten einen starken Absatz erzielt mit
erschwinglicheren Modellen, die 2022 und 2023 auf den Markt gekommen seien.

In China waren 2023 nach IEA-Angaben über 60 Prozent der verkauften
Elektroautos in der Anschaffung günstiger als ein entsprechendes
Verbrennermodell. In Europa und den USA blieben dagegen die Anschaffungspreise
für Autos mit Verbrennungsmotoren im Durchschnitt billiger. Der zunehmende
Wettbewerb und die besseren Batterietechnologien würden die Preise in den
kommenden Jahren aber voraussichtlich senken.

Schwopes Meinung nach könnte es sinnvoll sein, kompakte Fahrzeuge zu
"vernünftigen Preisen" anzubieten. "Vor allem, da die chinesischen Hersteller
hier angreifen werden und ihre Software und Batterietechnologie ausgereift ist."
Nicht nur Start-up, sondern auch Massenhersteller setzen zum Sprung an.

Der größte chinesische Autoexporteur Chery will dieses Jahr über
niedergelassene Händler Elektro- und Verbrenner-SUVs im Mittelklassesegment
anbieten. Dennoch: Ob Elektroautos viel erschwinglicher werden, steht auf einem
anderen Blatt. Unter anderem könnte die Nachfrage nach günstigen Autos
angesichts von Ladeproblemen insgesamt zu gering sein, um mit Massenproduktion
über Größenvorteile zu günstigen Preisen zu kommen, zeigt sich Experte
Kupferschmidt von Accenture skeptisch.

"Chinesen werden in Westeuropa absehbar in den nächsten Jahren nicht der
Retter für den kleinen Geldbeutel sein, sie wollen keine Billigheimer sein",
sagt Kupferschmidt. Frachtkosten, Marketing und Zölle würden ohnehin viel vom
Vorteil der niedrigeren Herstellungskosten aufzehren. "Das könnte sich mit
eigener Produktion in Europa aber etwas ändern", gibt Kupferschmidt zu bedenken.
Chery kündigte unlängst den Aufbau einer eigenen Produktion in Spanien an. Dafür
ziehen die Chinesen mit einem Gemeinschaftsunternehmen in ein ehemaliges Nissan
-Werk in Barcelona. BYD will derweil in einer eigenen Fabrik in
Ungarn produzieren.

Eigene Werke würden unterstreichen, dass man es ernst meine. "Von den
Chinesen wird auch in Europa nicht jede Marke überleben, aber fünf bis zehn
dürften es schon bleiben", sagt Schwope. "Mittel- bis langfristig könnten die 10
bis 15 Prozent der Marktanteile ergattern."

In China ist die Zuversicht groß, dass man mit den eigenen E-Autos in
Deutschland bestehen kann. Nicht nur wegen des Preises. "Ich glaube, dass
chinesische Autos durchaus eine Chance haben, auf dem deutschen Markt
erfolgreich zu sein", sagt Cui Dongshu, Generalsekretär des chinesischen
Automobilverbands CPCA. Modelle aus anderen Ländern seien in Deutschland
schließlich schon lange verbreitet. Deutsche Autokäufer müssten sich zudem bei
chinesischen Fahrzeugen kaum umgewöhnen. Schließlich habe China die "automobilen
Grundlagen" von Deutschland erlernt. Produkt- und Designkonzepte seien verwandt.
Hinzu kämen Chinas Vorteile, was Innovationen angehe./men/DP/mis

--- Von Marco Engemann, dpa-AFX, und Jörn Petring, dpa ---
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