19.04.2024 11:30:04 - dpa-AFX: HINTERGRUND: Auf dem Weg zur sprechenden Kochplatte - KI verändert die Industrie

HANNOVER (dpa-AFX) - Manche Ideen für clevere KI-Lösungen entstehen in der
heimischen Küche. Wenn auf dem Ceran-Kochfeld etwas überläuft oder man
versehentlich etwas auf dem Bedienfeld ablegt, macht der Sensor bisher einen
lauten Piepton. "Mit KI lässt sich das deutlich verbessern", glaubt Gunther
Kegel, der mit seiner Firma Pepperl und Fuchs aus Mannheim Sensoren für die
Industrie liefert. "Der Sensor lernt, übergelaufene Feuchtigkeit von einem
Finger zu unterscheiden." Und irgendwann brauche man womöglich nicht einmal mehr
den Finger. "Zukünftig können wir das Ceranfeld vielleicht über Sprachsteuerung
bedienen", sagt Kegel. Dann müsse man nur noch sagen: "Platte eins, Stufe acht."

Noch ist die sprechende Herdplatte Zukunftsmusik. Doch vieles ist mit KI
schon heute möglich. Und die Entwicklung schreitet rasant voran. "KI wird in
Zukunft Handbücher aus vorhandenen Daten zusammenstellen können und fertige
Produkte mit der zuvor geplanten Spezifikation abgleichen", sagt Kegel, der im
Ehrenamt auch Präsident des Verbands der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI)
ist. "Auch das Einlesen und Verarbeiten von Rechnungen, eingehenden Schreiben,
Kundenbeschwerden lässt sich per KI automatisieren." Am Ende werde immer noch
ein Mensch einen Blick darauf werfen. "Routinen sowie ermüdende Arbeiten kann
die Maschine erledigen." Das werde die Effizienz deutlich steigern.

"ChatGPT für Ingenieure"

Was in der Industrie heute schon möglich ist, wird ab Montag auch auf der
Hannover Messe (22. bis 26. April) zu sehen sein: Maschinen, die Fehler
automatisch erkennen, Roboter, die eigenständig lernen, Anlagen, die selbst
ermitteln, wann der beste Termin für ihre eigene Wartung ist. Siemens
zeigt seinen entwickelten "Industrial Copilot", der gemeinsame
mit Microsoft entwickelt wurde. Eine Art "ChatGPT für
Ingenieure", mit dem sich Industrieroboter per Sprache steuern lassen, wie es
Messechef Jochen Köckler in Anspielung an den erfolgreichen Chatbot auf den
Punkt bringt.

Und anders als noch vor wenigen Jahren geglaubt, seien solche Lösungen
inzwischen einsatzfähig, sagt Köckler, der KI in diesem Jahr zu einem der
Themenschwerpunkte der weltgrößten Industrieschau gemacht hat. "Die
Geschwindigkeit, mit der KI-Lösungen ihren Weg in die Industrie finden, ist
atemberaubend", sagt er. "Das Tempo ist enorm, die Auswirkungen werden gewaltig
sein." Das biete der Industrie auch die Chance, trotz Arbeitskräftemangels
weiterzuwachsen. Und gerade ChatGPT zeige, welche Kraft KI entwickeln könne.
"Wenn ich das auf die Industrie übertrage, hat das eine Wirkung, die sich heute
noch gar nicht abschätzen lässt."

Milliarden-Schub für deutsche Industrie erwartet

Vieles davon sei schon heute Realität, berichtet ZVEI-Chef Kegel. In seinem
Unternehmen etwa setze er schon seit Jahren KI in Sensoren ein, etwa bei der
Bildverarbeitung und bei der Signalauswertung der komplexeren Sensoren. Der
Kamerasensor lerne dabei, eine Schraube sicher zu erkennen, ohne dass zuvor alle
denkbaren Schraubenköpfe als Vorlage hinterlegt werden müssten. Und auch beim
Erfassen eingehender Rechnungen oder im automatischen Bestellwesen komme bei ihm
bereits KI zum Einsatz.

"Durch generative KI und sprachgesteuerte Anwendungen wie ChatGPT nimmt der
Einsatz von KI noch einmal zusätzlich Fahrt auf", ist Kegel überzeugt. Vor allem
der Einsatz in Produkten biete gewaltige Chancen für die deutsche Industrie.
"Wenn wir das geschickt machen, kann das zum Alleinstellungsmerkmal werden, mit
dem die deutsche und europäische Industrie international punkten kann."

Laut einer Studie, die das Forschungsinstituts IW Consult im Auftrag von
Google erstellt hat, könnte KI der deutschen Industrie einen
Schub in Milliardenhöhe verleihen: Um fast acht Prozent könnte die
Bruttowertschöpfung dadurch steigen. Das entspräche 56 Milliarden Euro allein im
verarbeitenden Gewerbe. Für die gesamte Wirtschaft wurde die mögliche
Wertschöpfung mittels KI sogar auf 330 Milliarden Euro geschätzt.

Sorge um EU-Regulierung

Europa müsse aber aufpassen, diese Chance nicht durch zu strenge Regeln zu
verspielen, warnt Kegel. Zwar habe man beim jüngst verabschiedete KI-Gesetz der
EU, das in rund zwei Jahren voll greifen soll, noch einige Verbesserungen
erzielen können. Es sei aber nach wie vor nicht geklärt, was am Ende wirklich
als Risiko-KI einzustufen sei. "Bei strenger Auslegung wird selbst ein einfaches
Ceran-Kochfeld, das einen KI-Baustein für den Sensor im Bedienfeld nutzt, zur
kritischen Hochrisiko-Anwendung", warnt Kegel. "Das kann nicht im Sinne der
Richtlinie sein." Dies müsse man nun bei der Umsetzung in deutsches Recht
verhindern. "Es darf nicht alles in einen Topf geworfen werden. Sonst wird die
Regulierung zur massiven Innovationsbremse."/fjo/DP/zb

--- Von Frank Johannsen, dpa ---
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