29.03.2024 14:18:37 - dpa-AFX: VERMISCHTES: Verdächtiger nach Brand in Solingen auf freiem Fuß

SOLINGEN (dpa-AFX) - Im Fall des mutmaßlich vorsätzlich in Brand gesetzten
Mehrfamilienhauses in Solingen mit vier Toten sucht die Polizei weiter nach
Tatverdächtigen. Ein vorläufig festgenommener Mann kam am Freitag wieder auf
freien Fuß. Der Mann sei nach längerer Vernehmung wieder entlassen worden,
nachdem sein Alibi überprüft und bestätigt worden sei, sagte Staatsanwalt
Heribert Kaune-Gebhardt der Deutschen Presse-Agentur. Es bestehe "kein
dringender Tatverdacht". Der Mann war den Angaben zufolge nach einer
Augenzeugenbefragung zunächst festgenommen worden.

Nun werde "ergebnisoffen in alle Richtungen" weiter ermittelt, sagte
Kaune-Gebhardt. "Jedem Hinweis wird nachgegangen", sagte der Sprecher. Weitere
Verdächtige seien nicht in Gewahrsam der Polizei. Aus den Ermittlungen hätten
sich aber "viele Hinweise" ergeben. Hinweise auf einen rassistischen Hintergrund
bei dem Brand in Solingen südlich von Wuppertal lägen weiterhin nicht vor.

Bei dem verheerenden Brand in der Nacht zum Dienstag konnte sich eine aus
Bulgarien stammende Familie nicht mehr aus dem Dachgeschoss des Hauses retten.
Die 28 und 29 Jahre alten Eltern kamen gemeinsam mit ihrem knapp dreijährigen
Kleinkind und einem erst fünf Monate alten Säugling ums Leben. Die Leiche des
Babys war erst Stunden später in dem stark heruntergebrannten Dachgeschoss
gefunden worden. Die Familie sei erst kürzlich aus Bulgarien gekommen,
bestätigte Kaune-Gebhardt einen WDR-Bericht.

Laut Staatsanwaltschaft werden nach dem Großbrand in dem Mehrfamilienhaus
drei Verletzte intensivmedizinisch behandelt. Dabei soll es sich nach
Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft ebenfalls um eine aus Bulgarien kommende
Familie mit einem Kind handeln. Zudem wurden fünf weitere Mieter verletzt.
Bewohner waren in der Nacht zu Dienstag in Todesangst aus dem etwa 100 Jahre
alten brennenden Altbau auf die Straße gesprungen.

Die Staatsanwaltschaft bestätigte, dass es in dem Haus bereits einmal
gebrannt hatte. Ein Feuer aus dem Jahr 2022 sei Teil der Bewertungen. Eventuell
eingehende Hinweise würden durch die Ermittlungsbehörden geprüft. Die Ermittler
hatten zur Klärung des Großbrands auch die Bevölkerung zur Mithilfe aufgerufen.

Anteilnahme vor dem Haus

Viele Menschen brachten am Donnerstagabend bei einer Kundgebung an dem Haus
ihre Anteilnahme zum Ausdruck. Mehr als 150 Teilnehmer waren gekommen,
betrauerten die Opfer und zeigten sich solidarisch mit den Angehörigen.
Kurzfristig zu der Kundgebung aufgerufen hatten unter anderem die Amadeu Antonio
Stiftung, die Initiativen gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus
unterstützt, sowie das linke Bündnis "Solinger Appell".

Am Mittwoch hatte die Staatsanwaltschaft Ergebnisse eines vorläufigen
Gutachtens von Brandsachverständigen vorgelegt. Demnach gehen die Ermittler von
vorsätzlicher Brandstiftung aus. In dem hölzernen Treppenhaus seien deutlich
Reste eines Brandbeschleunigers nachgewiesen worden. Ermittelt wird mit dem
Vorwurf des Mordes beziehungsweise versuchten Mordes.

Die Hausbewohner haben den Angaben zufolge unterschiedliche Nationalitäten.
Das hatte unter anderem beim Islamverband Ditib und dem Landesintegrationsrat
NRW die Befürchtung genährt, es könne ein rassistisches Motiv hinter der Tat
stecken.

Das katastrophale Feuer hatte Erinnerungen an den Brandanschlag von Solingen vor gut 30 Jahren geweckt. Im Mai 1993 waren bei einem nächtlichen Brandanschlag
mit rechtsextremem Hintergrund fünf türkischstämmige Frauen und Mädchen ermordet
worden. Der Anschlag markierte damals den Tiefpunkt einer Serie rassistischer
Anschläge auf Menschen ausländischer Herkunft in Deutschland./dot/DP/he

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