08.02.2024 14:43:46 - dpa-AFX: HINTERGRUND/Wenn Grünstrom Wasser zerlegt: Elektrolyseure ermöglichen

(Neu: weitere Detail zu den Elektrolyse-Verfahren)

ESSEN (dpa-AFX) - Klimaneutral erzeugter Wasserstoff soll im künftigen
Wirtschaftssystem eine zentrale Rolle spielen. Als Energieträger soll er in
neuen Gaskraftwerken Strom erzeugen, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind
nicht weht. In der Industrie soll er etwa bei der Stahlherstellung Kohlenstoff
ersetzen und so große Mengen klimaschädliches Kohlendioxid vermeiden. Denn das
Abfallprodukt ist jeweils schlichtes Wasser. Das Problem: Benötigt werden
riesige Mengen. Sie sollen in besonderen Maschinen erzeugt werden, sogenannten
Elektrolyseuren. Sie spielen auch eine Rolle in den zum Wochenanfang
veröffentlichten Eckpunkten der neuen Kraftwerksstrategie der Bundesregierung.
Unter anderem sollen Bau und Betrieb von Elektrolyseuren erleichtert werden,
heißt es darin.

Was ist ein Elektrolyseur?

Ein Elektrolyseur ist ein Hightech-Gerät, in dem ein Stoff mithilfe von
Strom in seine Bestandteile zerlegt wird. Geht es um die Gewinnung von
Wasserstoff, ist der Ausgangsstoff Wasser. Wasser besteht chemisch aus
Wasserstoff und Sauerstoff. Die chemische Formel lautet H?O, das bedeutet,
jeweils ein Sauerstoff-Atom ist mit zwei Wasserstoffatomen verbunden. Wurde der
eingesetzte Strom klimaneutral erzeugt, spricht man von grünem Wasserstoff. Zur
Unterscheidung der Herstellungsweise werden ihm auch andere Farben
zugeschrieben.

Was ist der Unterschied zu einer Brennstoffzelle?

Ein Elektrolyseur ist quasi eine umgekehrte Brennstoffzelle. Eine
Brennstoffzelle nutzt Wasserstoff und Sauerstoff, um Strom und Wärme zu
produzieren, erklärt das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt. "Technisch
gesehen sind Elektrolyseure und Brennstoffzellen also eng miteinander verwandt."

Gibt es verschiedene Arten von Wasserstoff-Elektrolyseuren?

Ja. Aktuell werden vier Technologien unterschieden, so das
Bundeswirtschaftsministerium: Die alkalische Elektrolyse (AEL), die
Proton-Exchange-Membran Elektrolyse (PEM), die
Anionenaustauschmembran-Elektrolyse (AEM) und die Hochtemperaturelektrolyse
(HTEL). "Die alkalische Elektrolyse ist bereits seit über einem Jahrhundert
bekannt und kommerziell nutzbar, die PEM-Elektrolyse stellt eine deutlich
jüngere Technologie dar, die ebenfalls kommerziell einsatzbereit ist", erklärt
das Ministerium. Gegenüber der AEL biete diese Technologie noch viel Potenzial
für technische Entwicklungen und Kosteneinsparungen. Auch die AEM-Technologie
sei geeignet, Wasserstoffproduktion aus regenerativem Strom in Zukunft
massentauglich zu machen, heißt es weiter. Die HTEL befinde sich noch in der
Pilotphase.

In welchen Größen gibt es Elektrolyseure?

Für die Größenordnung wird meistens angegeben, wie viel Strom eine Anlage
maximal aufnehmen kann. Diese Leistungsaufnahme wird dabei in der Einheit Watt
gemessen. Damit die Zahlen nicht so groß werden, setzt man die üblichen
Vorsilben Kilo, Mega oder Giga davor. Ein Megawatt (MW) sind eine Million Watt.
Auf dem Gelände des Shell Energy und Chemical Parks bei Köln
steht beispielsweise eine 10 Megawatt-PEM-Anlage, die mit erneuerbaren Energien
betrieben wird. Das Projekt heißt Refhyne.

Wie viel Wasserstoff können Elektrolyseure erzeugen?

Die Refhyne-Anlage (10 MW) kann jährlich bis zu 1300 Tonnen Wasserstoff
produzieren. Der Anlagenbauer Thyssenkrupp Nucera geht nach
früheren Angaben davon aus, dass sein 20-Megawatt-Modul bis zu 3100 Tonnen
Wasserstoff jährlich produzieren kann.

Wie viel Wasserstoff wird denn gebraucht?

Wenn von Wasserstoffmengen die Rede ist, wird auch gerne der Energiegehalt
in Wattstunden genannt. 100 000 Tonnen Wasserstoff haben dabei einen
Energiegehalt von 3,33 Terawattstunden (TWh), also 3,33 Milliarden
Kilowattstunden.

Zurzeit werden in Deutschland jährlich rund 55 Terawattstunden Wasserstoff
benötigt. Er wird vor allem durch ein Verfahren namens Dampfreformierung etwa
aus Erdgas gewonnen. Das dabei anfallende Kohlendioxid entweicht in die
Atmosphäre. Der so hergestellte Wasserstoff wird "grau" genannt.

Die Bundesregierung geht davon aus, dass im Jahr 2030 weitere 40 bis 75
Terawattstunden Wasserstoff nötig sind, insgesamt also 95 bis 130
Terawattstunden, das sind bis zu 3,9 Millionen Tonnen. In der Menge sind auch
sogenannte Wasserstoffderivate enthalten, also Energieträger, die auf
Wasserstoff basieren wie Ammoniak, Methanol oder synthetische Kraftstoffe. Ein
großer Abnehmer von Wasserstoff wird die Stahlindustrie sein. So wird etwa die
geplante Direktreduktionsanlage von Thyssenkrupp in Duisburg, die in der
Stahlherstellung einen Hochofen ersetzen soll, jährlich 143 000 Tonnen brauchen.

Woher soll der Wasserstoff kommen?

Vor allem aus dem Ausland, aber auch aus dem Inland. So soll Deutschland bis 2030 laut Nationaler Wasserstoffstrategie 10 Gigawatt Elektrolyse-Kapazität
aufbauen. "Der damit erzeugbare Wasserstoff reicht aus, um rund 30 bis 50
Prozent des deutschen Wasserstoff-Bedarfs 2030 zu decken", erklärt die
Bundesregierung. Den Rest soll Deutschland importieren etwa aus Afrika oder
Australien. Dazu wird aktuell eine Wasserstoff-Importstrategie erarbeitet.

Von den 10 Gigawatt ist Deutschland allerdings noch weit entfernt. Laut
Wasserstoffbilanz des Energiekonzerns Eon waren im August vorigen
Jahres 33 Elektrolyseure mit einer installierten Leistung von 62 Megawatt in
Betrieb. Für das Jahr 2030 waren zugleich 111 Anlagen mit einer Gesamtleistung
von 8,7 Gigawatt (8712 Megawatt) geplant. Große Elektrolyseure mit 100 Megawatt
oder auch deutlich mehr sollen etwa in Wilhelmshaven oder Rostock entstehen.

Wer baut Elektrolyseure?

Die vom bayerischen Wirtschaftsministerium geförderte Beratungs- und
Informationsorganisation Carmen hat im Internet eine Marktübersicht
veröffentlicht. Im Juli 2023 umfasste sie 96 Systeme von 19 Anbietern. Die
größten Anlagen hatten dabei eine Leistung von 20 MW, die kleinste von 6
Kilowatt, also 0,006 Megawatt.

Sind Elektrolyseure gefährlich?

"Sie sind technologisch beherrschbar und weitestgehend ungefährlich", sagt
Thomas Kattenstein von der TÜV Nord-Tochter EE Energy Engineers. Er hält es für
"sehr unwahrscheinlich", dass an einem Elektrolyseur ein zündfähiges
Luft-Wasserstoff-Gemisch entsteht, das eine Explosion verursachen könnte.
"Wasserstoff ist leichter als Luft und steigt sofort hoch. Wenn irgendwo ein
Leck ist, dann wird sich der Wasserstoff sehr schnell verflüchtigen."

In den Betriebsgebäuden gebe es für solche Fälle Sicherheitsvorrichtungen.
"Etwa Klappen im Dach, die aufgehen, wenn Detektoren entsprechende
Wasserstoffkonzentrationen messen, so dass nach menschlichem Ermessen nichts
passieren kann." Als weitere Sicherheitsmaßnahme ist laut dem Experten jede
Anlage an Stickstoff-Flaschen angeschlossen, die den Wasserstoff aus der Anlage
ausspülen können, so dass sich keine gefährlichen Konzentrationen bilden können.

Fallen beim Betrieb von Elektrolyseuren gefährliche Stoffe an?

Nein, nur Sauerstoff und Wasserstoff. Allerdings brauche man bei großen
Anlagen Kühlmittel, sagt Kattenstein. Verwendung fänden etwa
Wasser-Glykolmischungen. "Da müssen natürlich entsprechende Vorkehrungen
getroffen werden, dass die nicht ins Erdreich kommen." Um Leckagen aufzufangen,
gebe es Auffangbecken.

Bei dem Elektrolyse-Verfahren der alkalischen Elektrolyse komme ätzende
Kalilauge zum Einsatz, erklärt Jan Simoneit von Energy Engineers. "Für den Fall,
dass etwas ausläuft, gibt es auch hier Auffangwannen."

Gibt es auch kleinere Elektrolyseure für den Hausgebrauch?

Ja. So bietet etwa das Berliner Unternehmen HPS wasserstoffbasierte
Energiespeichersysteme an, bei denen der auf dem Hausdach produzierte Solarstrom
in einem Elektrolyseur grünen Wasserstoff erzeugt. Dieser kann dann zum Beispiel
im Winter mithilfe einer Brennstoffzelle wieder für die Stromerzeugung verwendet
werden./tob/DP/mis

--- Von Helge Toben, dpa ---
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