24.06.2024 14:16:25 - dpa-AFX: ROUNDUP: Cum-Ex-Prozess gegen Bankier Olearius eingestellt

BONN (dpa-AFX) - Das Cum-Ex-Strafverfahren gegen den früheren Chef der
Hamburger Privatbank M.M.Warburg, Christian Olearius, am Bonner Landgericht wird
eingestellt. Ein entsprechendes Urteil fällte die Vorsitzende Richterin Marion
Slota-Haaf am Montag. Grund dafür ist die angeschlagene Gesundheit des
82-Jährigen. Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung hatten das
vorzeitige Ende des im September 2023 begonnenen Verfahrens beantragt. Mit dem
Einstellungsurteil bleibt die Schuldfrage unbeantwortet. Olearius meldete sich
vor dem Urteil am Montag im Gericht zu Wort und beteuerte erneut seine Unschuld.
Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft seien hinfällig.

Mit Hilfe sogenannter Cum-Ex-Geschäfte bekamen Finanzakteure Steuern
erstattet, die gar nicht gezahlt worden waren - Aktien mit ("cum") und ohne
("ex") Dividendenanspruch wurden in einem Verwirrspiel hin und hergeschoben. Dem
Staat entstand dadurch ein zweistelliger Milliardenschaden. Die Hochphase dieser
Geschäfte war in den Jahren 2006 bis 2011. Im Jahr 2021 wertete der
Bundesgerichtshof Cum-Ex als Straftat.

Die Staatsanwaltschaft hatte Olearius 15 Fälle besonders schwerer
Steuerhinterziehung vorgeworfen, wobei ein Steuerschaden von rund 280 Millionen
Euro entstanden sein soll. In zwei Fällen soll es beim Versuch geblieben sein.
Eine Revision gegen das Einstellungsurteil vom Montag ist möglich, dies gilt
aber als unwahrscheinlich.

Vorerst keine Zahlung von 43 Millionen Euro

Zu Cum-Ex hat es am Bonner Landgericht seit 2020 bereits acht Schuldsprüche
gegeben, eine Vielzahl an Verfahren dürften in den kommenden Jahren noch folgen.
Im nun eingestellten Verfahren musste sich zum ersten Mal die Spitze eines
Finanzinstituts vor Gericht Cum-Ex-Vorwürfen stellen. Olearius war früher Chef
der Warburg-Privatbank und später ihr Aufsichtsratsvorsitzender, inzwischen ist
er nur noch Gesellschafter.

Olearius bleibt vorerst erspart, an den Staat 43 Millionen Euro als damalige Taterträge zahlen zu müssen. Die Staatsanwaltschaft hatte beantragt, ein
sogenanntes Einziehungsverfahren überzuleiten und dadurch gewissermaßen vom
Strafverfahren abzukoppeln. Das lehnte das Gericht in der vergangenen Woche aber
ab und wies darauf hin, dass die Ankläger hierzu bislang nicht fertig ermittelt
hätten. Dies könnte die Staatsanwaltschaft später noch tun und dann ein
separates Einziehungsverfahren anstrengen. Hierbei ginge es ums Geld und nicht
um die Schuldfrage. Olearius müsste nicht mehr vor Gericht erscheinen. Nach
Auskunft seines Sprechers hat er im Jahr 2020 gemeinsam mit dem
Co-Gesellschafter Max Warburg wegen Cum-Ex bereits 230 Millionen Euro an den
Staat gezahlt.

Verbindung zu Scholz

Olearius ist einer der bekanntesten Cum-Ex-Akteure. Sein Vorgehen schlug
auch in der Politik hohe Wellen. Denn aus Tagebucheinträgen von ihm ging hervor,
dass er sich 2016 und 2017 insgesamt dreimal mit dem späteren Bundeskanzler Olaf
Scholz (SPD) getroffen hatte, als dieser noch Erster Bürgermeister von Hamburg
gewesen war. Der genaue Inhalt der Treffen ist unklar. Fakt ist aber, dass die
Finanzbehörde danach eine Steuerforderung fallen ließ und die Ansprüche nach
damaliger Rechtslage verjährten. Dass ein kausaler Zusammenhang bestand zwischen
den Scholz-Olearius-Treffen und der Behördenentscheidung, ist nicht erwiesen.
Scholz schließt eine Einflussnahme aus, beruft sich bei der Frage nach dem
genauen Inhalt der Gespräche aber auf Erinnerungslücken./wdw/DP/mne

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