23.05.2024 18:20:33 - dpa-AFX: ROUNDUP 3/Votum: AfD aus rechter Fraktion im Europaparlament ausgeschlossen

(neu: Offizielle Presseerklärung der Fraktion und Details zum
Abstimmungsergebnis)

BRÜSSEL (dpa-AFX) - Alle AfD-Europaabgeordneten sind aus der rechten
ID-Fraktion im Europäischen Parlament ausgeschlossen worden. Ein entsprechender
Antrag von Fraktionschef Marco Zanni sei mit 5:3 Stimmen angenommen worden,
sagten mehrere Fraktionsvertreter am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur in
Brüssel. Zuvor hatten unter anderem Äußerungen des AfD-Abgeordneten und
Europawahlspitzenkandidaten Maximilian Krah zur SS für scharfe Kritik gesorgt.
Die AfD-Spitze zeigte sich dennoch zuversichtlich, nach der Europawahl Partner
im Europaparlament zu finden.

In der angenommenen Entscheidung heißt es, in Anbetracht "der Reihe von
Vorfällen, an denen Herr Maximilian Krah und damit auch die deutsche Delegation
der Gruppe beteiligt waren und in Anbetracht der Tatsache, dass diese Vorfälle
dem Zusammenhalt und dem Ruf der Gruppe geschadet haben", werde die
Mitgliedschaft der Mitglieder der deutschen Delegation mit sofortiger Wirkung
beendet. Dazu werden die Namen aller neun AfD-Europaabgeordneten aufgeführt.

In einer knappen Presseerklärung hieß es am späten Nachmittag: "Die
ID-Fraktion möchte nicht länger mit den Vorfällen um Maximilian Krah, dem
Anführer der AfD-Liste für die Europawahl, in Verbindung gebracht werden."

Ausschluss im schriftlichen Verfahren

Der Ausschluss der AfD-Abgeordneten hat vor allem symbolischen Charakter, da das Parlament erst nach der Europawahl in zwei Wochen wieder tagen wird. Dann
werden sich auch die Fraktionen möglicherweise neu zusammensetzen.

Über den Ausschlussantrag wurde in einem fraktionsinternen schriftlichen
Verfahren abgestimmt. Den Informationen aus der Fraktion zufolge waren die
italienische Lega, die französische Partei RN von Marine Le Pen, der flämische
Vlaams Belang, die Dänische Volkspartei sowie die tschechische Partei Freiheit
und direkte Demokratie dafür. Die österreichische FPÖ und eine estnische Partei
votierten wie die AfD dagegen. Die Dänische Volkspartei stimmte Fraktionsangaben
zufolge passiv zu, indem sie keine Antwort schickte. Nach den ID-Fraktionsregeln
wird eine unterbliebene Antwort als Zustimmung gewertet. Darauf war auch in dem
Verfahren am Donnerstag noch einmal hingewiesen worden.

Rettungsversuch von AfD-Delegationsleiterin Anderson scheitert

Die deutsche AfD-Delegationsleiterin Christine Anderson hatte noch während
des Verfahrens versucht, die Entscheidung zu verhindern und forderte eine
Anhörung. Zudem legte sie unterstützt von sechs anderen AfD-Abgeordneten in der
ID-Fraktion einen Antrag vor, lediglich Krah auszuschließen. Nur der
AfD-Abgeordnete Joachim Kuhs unterstützte ihn nicht.

Grund für den Antrag von ID-Fraktionschef Marco Zanni waren die zahlreichen
Negativ-Schlagzeilen, die es in den vergangenen Wochen zur AfD gab. So erteilte
die Parteispitze ihrem eigenen Spitzenkandidaten Krah nach den SS-Äußerungen am
Mittwoch ein Auftrittsverbot. Zudem steht der 47-jährige Sachse unter Druck
wegen der Spionageaffäre um einen Mitarbeiter und wegen seiner Nähe zu Russland
und China. Auch die Nummer zwei der AfD-Europaliste, Petr Bystron, wird nach
Korruptionsermittlungen vorerst keinen Wahlkampf mehr machen.

Franzosen hatten sich bereits vor Abstimmung distanziert

Der französische Rassemblement National hatte der AfD bereits vor der dem
Ausschlussverfahren die Zusammenarbeit aufgekündigt. RN-Parteichef Jordan
Bardella sagte am Dienstag im Sender TF1: "Ich denke, dass die AfD, mit der wir
im Europäischen Parlament seit fünf Jahren zusammengearbeitet haben, Linien
überschritten hat, die für mich rote Linien sind." Nach der Wahl werde man neue
Verbündete haben und nicht mehr an der Seite der AfD sitzen.

Zuvor hatte ein Interview der italienischen Zeitung "La Repubblica" und der
"Financial Times" mit Krah für Schlagzeilen gesorgt. In diesem war der
AfD-Politiker nach der nationalsozialistischen SS gefragt worden und hatte
gesagt: "Ich werde nie sagen, dass jeder, der eine SS-Uniform trug, automatisch
ein Verbrecher war." Auf die Frage, ob die SS Kriegsverbrecher seien, antwortete
er: "Es gab sicherlich einen hohen Prozentsatz an Kriminellen, aber nicht alle
waren kriminell." Er erwähnte dabei nicht, dass die Schutzstaffel Adolf Hitlers
unter anderem die Konzentrationslager bewachte und verwaltete und maßgeblich für
Kriegsverbrechen verantwortlich war.

AfD-Spitze blickt trotz Turbulenzen optimistisch auf Wahlabend

Die AfD-Spitze nahm die Entscheidung zur Kenntnis. "Dennoch sehen wir
optimistisch auf den Wahlabend und die darauffolgenden Tage", erklärten die
Parteivorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla am Donnerstag in Berlin. Die
AfD strebe an, mit einer verstärkten Delegation für eine schlagkräftige Fraktion
im Europäischen Parlament zu sorgen. "Um in Brüssel politisch wirken zu können,
ist ein Zusammenarbeiten mit nahestehenden Parteien unerlässlich. Wir sind daher
zuversichtlich, auch in der neuen Legislaturperiode verlässliche Partner an
unserer Seite zu haben", betonten Weidel und Chrupalla.

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja
Mast, kritisierte scharf, dass Krah Listenkandidat Nummer 1 bleibe. "Das ist
alles eine riesige Wählertäuschung und politische Mogelpackung", sagte Mast dem
"Tagesspiegel". Solange Krah nicht unter Eid versichere, nach der Wahl kein
Mandat anzunehmen, sei er mit der AfD gewählt. "Egal welcher Anschein versucht
wird zu erwecken - die AfD wusste von Anfang, welche Gesinnung er hatte, und hat
ihn auf Platz 1 ihrer Liste gewählt", fügte Mast hinzu./aha/DP/ngu

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